2

22 0 0
                                    

2

Der Rest der Woche verlief völlig ereignislos, ich erledigte meine Einkäufe, wobei ich auch eine Postkarte mit einem schönen Bild vom St. Lorenz Fluss besorgte. Ich schrieb nur einen ganz kurzen Text, es ging ja hauptsächlich um die Adresse. Ich richtete das Haus ein wenig schöner ein und besserte den maroden Gartenzaun aus. Irgendwie fühlte ich mich dadurch sicherer. Ich war gerade so richtig in meine Arbeit vertieft und schwitze, als ich eine weitere Zaunlatte herausriss und die Trümmer beiseite warf, um sie durch eine neue zu ersetzen. Da traf mich wieder dieser brennende Blick in den Nacken und ich richtete mich auf und blickte zur Straße. Dort stand er auf der anderen Straßenseite und starrte auf diese gespenstische Art zu mir herüber. Als ich ihn fragend ansah, winkte er kurz und lächelte aufgesetzt, dann ging er davon. Dieser Typ war gruselig!

Als der Samstag näher rückte, spürte ich doch eine leicht freudige Erregung. Ich freute mich doch darauf, mal wieder raus zu kommen und vielleicht ein wenig zu tanzen. Ich hatte mich ein wenig aufgebrezelt, nicht zu viel, und stand pünktlich um 19 Uhr bei Abby vor der Tür. Abby öffnete mir und hatte die Lockenwickler noch in den Haaren. Ich musste unfreiwillig lachen über diesen ulkigen Anblick. Das ganze Haus sah aus, als wäre eine Bombe in einem Kosmetiksalon hochgegangen. Überall lagen Schminkutensilien verteilt und es roch nach Haarspray. Joe, Abbys Mann, begrüßte mich unverbindlich. Ich selbst hatte nicht solchen Aufwand betrieben wie Abby. Ich trug eine einfache, aber neue, eng anliegende Jeans, ein locker sitzendes, schwarzes Oberteil, das mir bis über den Hintern reichte und mit kleinen glitzernden Steinchen bestickt war, dazu ein paar braune Halbstiefel aus Wildleder mit einem leichten Absatz. Meine rückenlangen, blond gefärbten Haare trug ich einfach offen, nur den Pony hatte ich mit ein paar Klammern aus dem Gesicht gesteckt. Geschminkt war ich auch nicht mehr als sonst; Make-up, Mascara, fertig. Diese Landeier wussten ein aufwendiges Styling wahrscheinlich sowieso nicht zu schätzen und ich wollte nicht gleich auffallen wie ein bunter Hund, wenn ich diese Kaschemme betrat. In einem spontanen Anflug von Eitelkeit hatte ich mich aber dennoch zu einem Paar Ohrsteckern hinreißen lassen. Es waren große Perlen aus Silber, die so bearbeitet waren, dass sie glitzerten wie Disco-Kugeln. Es waren meine Lieblingsohrringe, doch trotzdem trug ich nur selten welche. Meist störten sie mich bei der Arbeit oder im Alltag. Ich trieb Abby ein wenig zu Eile an, denn ich hatte keine Lust, schwitzend im Mantel noch so lange zu warten. "Kann ich so gehen?" Fragte sie aus dem Nebenzimmer. Endlich war sie soweit. Sie war schlanker als ich, hatte eigentlich glatte, schwarze Haare bis zum Po, die sich nun aber wie Sprungfedern über ihren Rücken schlängelten. Sie trug ein hübsches rotes Kleid, das für dieses Wetter und für meinen Geschmack etwas zu kurz war. Ich blickte neugierig zu Joe, um seine Reaktion zu sehen, doch er zuckte nur die Schultern und wünschte ihr viel Spaß. Sie seufzte entnervt. Ich wusste, warum. Sie hatte auf eine etwas heftigere Reaktion gehofft. Sie sah auch wirklich umwerfend aus, doch Joe interessierte das offenbar kein Stück. Ich seufzte. Das kam mir schmerzlich bekannt vor. Sie sah mich zweifelnd an und ich zuckte die Achseln über diese dummen Männer. Joe verabschiedete sich gelangweilt und warf sich wieder vor den Fernseher. Abby sah mich mit euphorischem Glitzern in den Augen an. "Wollen wir?" fragte sie. Ich nickte und wir marschierten durch den festgefrorenen Schnee die zwei Kilometer in den Ortskern.

In der Bar war es bereits gerammelt voll, dabei war es gerade einmal 20 Uhr. Die Leute hatten hier echt nichts anderes zutun am Wochenende. Es ging hoch her, der Bass dröhnte und einige Leute tanzten bereits weiter hinten. Am Tresen trafen wir auf unsere Kolleginnen Jane, Kate und Mary. Ich erkannte auf den ersten Blick, dass Kate und Mary Zwillinge waren. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen, nur dass Kate grüne Augen hatte und Mary braune. Sie hatten beide langes, dunkelbraunes, glattes Haar und Kate trug ein verdammt kurzes, schwarzes Kleid, Mary eine weiße Bluse und einen schwarzen Rock. Ich ließ meinen Blick an ihren langen, schlanken Beinen hinab wandern und entdeckte wahre Foltergeräte von High Heels. Ich war heute eher Vintage gekleidet und fand das auch völlig ausreichend für eine Kneipe in der Provinz. Ich betrachtete die Kleidung der anderen Frauen hier. Sie waren alle aufgetakelt wie für die Fashion Week, offenbar war das hier für die Leute wirklich das Highlight der Woche. Ich setzte mich erstmal auf einen Barhocker und bestellte einen leichten Cocktail, zum Aufwärmen, und sondierte die Lage. Die anderen Mädels standen wie Teenies in einer Traube und gackerten und tuschelten, zeigten mal auf diesen, mal auf jenen Mann und krümmten sich fast vor Lachen.

Maneater - The Beast insideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt