ᖴOᖇEᐯEᖇ ᖇᗩIᑎ

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Irgendwann erreicht jeder Mensch in seinem Leben diesen einen Punkt, an dem er einfach nur noch jeden Morgen aufwacht, versucht zu überleben und am Abend wieder einschläft.

Man geht seiner Routine nach, hofft, dass das Schicksal nichts Unvorhersehbares für einen bereit gehalten hat und fängt an seltsame Dinge zu tun, wenn man zu den wenigen Minuten am Tag kommt, die ursprünglich dafür gedacht waren, dass man sie nutzte, um sie nicht für irgendwas zu nutzen.

Für mich waren solche Minuten zu dieser Zeit das größte Hindernis in meinem Leben.
Vor allem, weil mir irgendwann die Ideen ausgegangen waren, wie ich sie füllen konnte.

Und ich war kein Mensch, der die Zeit genießen konnte.
Ich war kein Mensch, der in der Stille seiner Zweizimmerwohnung liegen konnte, die Augen halb geschlossen und dem Ticken der Uhr lauschend, in den Gedanken treibend, dass das Leben perfekt war und man in diesem Augenblick nichts dazu beisteuern musste, dass es so blieb.
Nicht mehr zumindest.

Ich konnte die Zeit nicht einfach durch meine Hände gleiten und mich gehen lassen.
Ich brauchte eine Aufgabe, an der ich mich festklammern konnte, bis die nächste sie ablösen würde.

Denn wenn ich das nicht tat, ergriffen die Gedanken meines Unterbewusstseins von meinem Körper Besitz und fingen an, mich Stück für Stück auseinander zunehmen.
Solange, bis von mir nichts mehr übrig war, bis auf die leer lächelnde Maske.

„Das Ausräumen von Regalen ist hier nicht gestattet, Sir. Bitte reduzieren Sie Ihre Ware auf... naja halt das, was Sie wirklich benötigen! So oder so ähnlich... aber mal im Ernst, Hyung. Was zum Teufel willst du mit den ganzen Muffinförmchen?"

Meine Finger umklammerten fest die fünf Packungen, die ich gerade aus dem untersten Regal gezogen hatte, während ich ganz langsam den Kopf hob und zu Jeongguk entgegen blickte, der mit verschränkten Armen und hochgezogener Augenbraue auf mich herunter sah.
Ein freches Grinsen umspielte seine Lippen.
Ganz wie man ihn kannte.

Noch immer ohne eine Antwort zu geben, stemmte ich mich wieder hoch, damit der Jüngere keinen Grund mehr hatte mich so von oben herab, mit dieser grauenhaften Mischung aus Mitleid und Neugier, anzustarren, und spielte kurz mit den Gedanken ihn einfach zu ignorieren und weiter meinen Einkauf für die Cupcakes zu tätigen, die ich nach einer langer Diskussion mit mir selbst, doch wieder in meiner Konditorei verkaufen wollte.

„Hey, ich rede mit dir... und außerdem kann ich dich jederzeit rausschmeißen, wenn du mich weiter so behandelst", setzte Jeongguk hinter her und legte den Kopf leicht schief, als würde er meine Stimmung abschätzen wollen. Der Jüngere wusste viel zu genau, dass er, obwohl er hier arbeitete, keine Chance gegen mich hatte, wenn ich schlecht gelaunt war.
Und um sich in so einer Situation doch mit mir anzulegen, dafür hatte er dann doch zu viel Angst vor mir.
Oder Respekt, wie er es nennen würde, um nicht den Schwächling raushängen zu lassen.

„Wenn du morgen früh statt einem Zimtcroissant, mal wieder einen selbstgebackenen Cupcake haben willst, hörst du jetzt endlich auf so zu tun, als wärst du eine Autoritätsperson und machst weiter deinen Job... oder flirtetest über die Regale hinweg mit Taehyung... läuft aufs Selbe hinaus", gab ich ihm dann doch seine Antwort, auch wenn ich alles andere als begierig darauf war, jetzt ein Gespräch mit dem Schwarzhaarigen zu führen.

„Warum kaufst du die Förmchen nicht morgen früh? Du siehst ein bisschen geschafft aus... und soweit ich weiß, stehst du morgen eh wieder um fünf Uhr morgens auf. Davon kriegt man Augenringe", zitierte er mit dem letzten Satz mich von vor zwei Jahren.
Damals, als ich noch darauf geachtet hatte, wie ich aussah, wenn ich rausgegangen war und was die Menschen von mir dachten, wenn sie mich sahen.
Beeindruckend, was die Zeit mit einem machen konnte.

Forever Rain ⇢ Namjin OneshotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt