Die Sonnenbrille

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                                                                                            -Lyra-

Starr blickte ich aus dem Fenster. Ziemlich unnötig eigentlich, denn alles was ich sah war Dunkelheit. In der Stadt waren wir schon lange nicht mehr, aber ich wusste nicht, wo ich sonst hinblicken sollte. Sicher nicht auf den Mann gegenüber von mir. Zum Schreien hatte ich auch aufgehört, da ich mittlerweile bemerkt hatte, dass das nichts anrichte. Es war still. Ich hasste Stille, jedoch würde mich nichts dazu bringen meinem Entführer Aufmerksamkeit zu schenken, oder gar anzusprechen. Als hätte er meine Gedanken gelesen, räusperte er sich und beugte sich nach vorne. Ich zwang mich weiterhin aus dem Fenster zu schauen.

"Hast du Angst?"

Ja.

"Nein."

"Du musst keine Angst haben, Lyra"

Jetzt wurde ich hellhörig. Woher kannte dieser Mistkerl meinen Namen?

"Ach ja stimmt, entschuldige. Niemand hätte Angst wenn man in der Nacht in einem fremden Wagen mit einem fremden Mann, statt in seinem Bett aufwacht. Ist klar."

Mein Versprechen, ihm keine Aufmerksamkeit zu schenken, hatte ich nun endgültig gebrochen. Ich musterte ihn von oben bis unten. Dunkle Haare, ein markantes Gesicht. Seine Augen verbarg er mit einer riesigen, schwarzen Sonnenbrille, so als würde er sich vor mir verstecken wollen. Sein bestimmt gut gebauter Körper, der in einen Anzug gekleidet war, ließ ihn nicht weniger gruselig wirken. Obwohl er seine Augen bedeckte, konnte ich spüren, dass er mich direkt ansah.

"Mein Name ist Nikolai", sagte er und streckte mir auffordernd seine Hand hin, allerdings ignorierte ich diese Geste und widmete mich wieder dem Fenster zu.

"Hör zu Lyra. Ich weiß wie du dich fühlst, glaube mir, ich war schon mal in derselben Situation, aber du musst mir jetzt vertrauen. Um seine Aussage zu bekräftigen, nahm er endlich seine Sonnenbrille ab und gab mir somit den Blick auf seine dunkelbraunen Augen frei. "Sobald wir im Camp sind werde ich dir alles erklären."

Nachdenklich biss ich mir auf die Unterlippe. Das machte ich immer wenn ich nervös war. Als ich  den eisigen Geschmack nach Blut schmecken konnte, ließ ich es schnell bleiben und verschränkte die Arme vor der Brust. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nur meinen Pyjama anhatte. Ein lockeres T-Shirt mit der Aufschrift "Keep Calm and love Avocados" und eine kurze Hose mit lauter kleinen Avocados drauf gedruckt. Normalerweise wäre mir das bestimmt peinlich gewesen, aber alles was ich im Moment spüren konnte war Wut. Wut auf mich, dass ich so dumm war und mich entführen lassen habe. Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte war es hell und der Wagen war stehen geblieben. Wieder blickte ich aus dem Fenster, welches  jetzt quasi mein bester Freund war. Statt schwarz wie gestern, war nun alles grün. Birken, Buchen, Tannen und jede Menge andere Baumarten wo ich den Namen nicht kannte wuchsen wild umher. Ich hatte immer schon ein besonderes Verhältnis zu der Natur gehabt. Im Heim hatte ich sogar meinen eigen kleinen Garten, wo ich verschiedenes Gemüse und Blumen angebaut hatte. Auf die Tomaten war ich besonders stolz gewesen. Nikolai zog die Augenbrauen hoch.

"Willst du vielleicht aussteigen?" Riss er mich aus meinen Gedanken.

"Nein ich will zurück ins Heim!", hätte ich ihm am liebsten ins Gesicht gebrüllt, aber ich glaubte nicht, dass er diesem Wunsch nach gegangen wäre, also nahm ich einen letzten tiefen Atemzug, raffte meine Schultern und steig aus dem Auto. Da ich keine Schuhe anhatte und das Gras vom Tau ganz feucht war, wurden meine Füße nass und voller Erde. Na lecker. Mir wurde gerade bewusst, dass der Wagen mit dem ich gekidnappt wurde, eine schwarze Limousine war. Kein wirklich unauffälliges Auto um jemanden zu entführen, aber wem sollte ich schon Tipps geben? Nikolai war noch immer im Wagen und besprach irgendetwas mit dem Fahrer. Das war meine Chance. Der normale Menschen Instinkt hätte jetzt wahrscheinlich gesagt "Lauf!" und was machte ich? Ich blieb an Ort und Stelle stehen und blickte dumm durch die Gegend. Naja, aber wenn wir mal realistisch sind: Wo hätte ich denn hin laufen sollen? Ich hatte keine Ahnung wo ich war. War ich überhaupt noch in Michigan?  Inzwischen war auch Nikolai aus der Limousine gestiegen und ging in Richtung Wald. Da mir nichts anderes übrig blieb, folgte ich ihm. Als ich ihn eingeholt hatte, packte er mich an den Schultern und schaute mich an. Seine Bewegung war so plötzlich, dass ich kurz strauchelte.

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