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-Harry-

"Verdammt nochmal, ich habe keine Ahnung" stöhnte Louis und schlug mit der geballten Faust auf den robusten Tisch. Zitternd strich er sich die Haare aus der Stirn und warf abermals einen Blick auf die Schiffspapiere. Ein Wirrwarr aus feinen Linien und Koordinaten machten es noch schwerer einen Überblick auf die Seekarte zu erlangen. Der Kompass lag links gleich neben den Unterlagen und die Nadel zeigte irgendwas zwischen Nord und Westlicher Richtung.

Hilflos ließ sich der Kombüsen Junge auf den einzigen Stuhl sinken und vergrub seinen Kopf in seinen Armbeugen. Die Stimmung im Raum war gereizt und er war kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Nachdem die Papillon weit genug gekommen war und das Festland, welches uns gefangen gehalten hatte, immer kleiner wurde, hatten wir uns aus unseren Verstecken gewagt und saßen nun zusammen unter Deck, ahnungslos und absolut überfordert mit dem, was vor uns lag und was aus uns werden sollte. Die Burschen hatten sich um Louis gescharrt, in der festen Hoffnung, er wüsste genau, was zu tun sei. Dieser hatte nach etlicher Fragerei die Seekarten hervorgeholt, die Tate oder Riley fein säuberlich im Schrank zusammengelegt haben mussten. Die anderen waren sich dessen wohl nicht bewusst, doch ich konnte es an Louis Blick sehen. Er hatte wirklich keinen blassen Schimmer vom koordinieren und Segeln eines Schiffes. Ganz abgesehen davon wussten wir nicht einmal ansatzweise, wo genau wir eigentlich waren, weshalb eine Orientierung und Einordnung auf den Seekarten schier unmöglich war.

"Aber das kann doch gar nicht sein..." unterbrach Ashton abermals die Stille und sah Louis vorwurfsvoll an. "Du bist seit Jahren auf diesem Schiff tätig! Du hast beim Setzen der Segel geholfen, dann sag verdammt nochmal nicht, dass du keine Ahnung hast!"
"Schluss das reicht jetzt!" Entschlossen legte ich eine Hand auf Louis Schulter und sah in die Runde. "Wir haben einiges durchgemacht und ganz besonders Louis. Ich schlage vor, wir beziehen erst einmal unsere alten Kajüten und schlafen uns aus." Mein Blick huschte zu Calum und Luke hinüber, die sich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten konnten. "Ich werde wach bleiben und fürs erste das Steuer übernehmen. Einstimmiges Gemurmel folgte und einer nach dem anderen verschwand aus der ehemaligen Kajüte Kapitän Hall's. Zurück blieb nur Louis. Immer noch hatte er sein Gesicht unter seinen Armen vergraben und ich dachte schon, er wäre eingeschlafen, doch langsam hob er seinen Kopf und sah mir ins Gesicht. Seine Augen waren rot umrandet und dunkle Augenringe machten sichtbar, wie übermüdet und ausgelaugt er war. Räuspernd trat ich noch einen Schritt näher und sprach leise:" Louis, auch du solltest schlafen!" Der Jüngere sagte nichts. Unverwandt sah er mich an und verlegen fuhr ich mir durchs Haar. Ich wollte etwas Aufmunterndes sagen, doch ich konnte nicht. Stattdessen hielt ich ihm meine Hand hin. "Komm, ich bringe dich in deine Kajüte!" Eine Weile geschah gar nichts, doch dann nach einer Unendlichkeit und nachdem ich sie fast wieder wegziehen wollte, griff Louis zögerlich nach meiner Hand und umschloss sie mit einer gewissen Verbundenheit. Seine Haut war eiskalt. Ich erwiderte seinen Druck und zog ihn hoch. Die Kraft schien Louis Beine verlassen zu haben und erschrocken taumelte er einen Schritt zurück, gegen den Stuhl, weshalb ich schnell reagierte. Bevor er fallen konnte, zog ich ihn ganz zu mir heran. Sein Gesicht war mir so unglaublich nah und mein Blick wanderte von den hellbraunen Spitzen seines Haares, über seine blauen Augen, die die Kraft des Ozeans wiederspiegelten, weiter zu seinen Sommersprossen, die in kleinen Sprenkeln perfekt um seine Nase verteilt waren, bis hin zu seinem Mund, der sich in letzter Zeit immer weniger zu einem Lächeln verzogen hatte. Jetzt jedoch zierte nichts als Traurigkeit sein immer noch hübsches Gesicht. Ich wollte Louis nicht so sehen. Behutsam legte ich meinen Kopf an seine Schulter, ließ meine Hände ganz langsam seinen Rücken hinauf wandern. Zu meiner Erleichterung ließ der Jüngere zu, dass ich ihn nun ganz in eine Umarmung zog.

Es tat so unglaublich gut ihn an meinem Körper zu spüren. Er war so dünn und zerbrechlich, dass ich Angst hatte, meine Berührungen wären zu grob für ihn. Bedächtig ließ ich meine Finger über seine Schultern gleiten, immer weiter bis ich seinen Haaransatz erreichte. Dort stoppte ich, doch Louis ließ sich nichts anmerken.

Into the Wild [Larry Stylinson AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt