Kapitel 24 - Toni

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Nach knapp drei Stunden, kommen wir endlich in die Nähe des Mururoa Atolls. Das Gespräch mit Helios und Kilian hängt mir immer noch nach, denn ich weiß, dass ich Helios verletzt habe. Aber ich kann im Moment nicht unbeschwert mit ihm umgehen. Seine Gefühle machen mich befangen und ich habe Angst ihm irgendwie unbewusst Hoffnungen zu machen. Ich will Helios nicht noch mehr verletzen, als ich es eh schon getan habe. Kilian und ich haben die letzten drei Stunden geschwiegen und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Es war nicht unangenehm und es fühlte sich schön an, einfach zu wissen, dass er da ist.

Allerdings ließ es mir auch zu viel Zeit zum Nachdenken und ich musste mich mit meinen Gefühlen auseinandersetzen. Immer wieder schaue ich verstohlen zu Kilian und beobachte, wie seine schwarzen Locken vom Wasser nach hinten gedrückt werden. Dann treten seine hohen Wangenknochen noch stärker hervor und es verleiht ihm einen erhabenen und stolzen Zug. Man kann viel von dem König erahnen, der er einmal sein wird. In diesen Momenten frage ich mich, ob ich ihm ebenbürtig sein könnte, ob ich an seiner Seite herrschen könnte und das Wohl eines ganzen Volkes über mein eigenes stellen könnte. Die Antwort darauf, weiß ich leider nicht. Wenn ich eine Antwort hätte, würde ich vielleicht leichter mit meinen Gefühlen umgehen können.

Kurz bevor wir das Atoll erreichen, ertönt hinter uns ein Schrei und als ich mich umsehe, erkenne ich, dass er von Lope kam. Sie hält sich den Arm, während Blut durch ihre Finger läuft. So schnell ich kann, schwimme ich zu ihr hinüber, auch wenn die Schmerzen in meinem Bauch höllisch wehtun und mich in die andere Richtung reißen.

»Was ist passiert?«, frage ich niemand bestimmten, während Alessio die Wunde untersucht und ich versuche, einen Blick darauf zu erhaschen. Ein langer Schnitt zieht sich von ihrem Oberarm bis zum Ellbogen. Er verläuft gezackt, als hätte etwas Stumpfes ihr Fleisch aufgerissen.

»Irgendetwas hat mich am Arm getroffen«, erklärt Lope mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich konnte nicht erkennen was es war.« Penelopes Gesicht verzieht sich vor Schmerzen, aber es kommt kein Wimmern über ihre Lippen. Sie hat die Augenbrauen zusammengezogen und trotz auf diese Weise dem Schmerz. Sie sieht aus wie eine Kriegerin, die in einem Kampf verwundet wurde und nicht bereit ist, sich dem Schmerz zu überlassen.

»Die Wunde ist tief«, sagt Alessio besorgt und sieht Kilian dabei an. »Wir müssen sie an Land versorgen. Ich kann hier unten nicht viel für sie tun.«

Kilian schaut sich um, als würde er die Umgebung betrachten und runzelt nachdenklich die Stirn. Ich kann sehen wie es dahinter arbeitet. Er weiß, dass uns die Zeit davon läuft und wir schon viel zu viel davon verschwendet haben, doch er weiß auch, dass Lope so nicht weiter schwimmen kann, außerdem könnten wir wieder von Haien angegriffen werden.

»Wir sind in der Nähe von Fangataufa«, erwidert er dann. »Wir würden nicht allzu weit vom Kurs abkommen, wenn wir sie dorthin bringen.« Alessio nickt nur und holt ein Tuch aus seinem Beutel, welches er provisorisch um Lopes Arm drapiert, damit die Wunde nicht mehr ganz so stark blutet. Die Insel ist nur wenige Minuten entfernt und wir gehen an Land. Trotz des Ernsts der Lage, komme ich nicht umhin die Schönheit zu bewundern, die sich mir hier bietet.

Der Strand ist weiß und Palmen biegen sich leicht im Wind. Die Insel ist klein aber wieder einmal paradiesisch schön. Wenn der Schmerz in meinem Bauch nicht wäre, könnte ich vielleicht ein bisschen verschnaufen. Alessio versorgt Lopes Wunde und ich versuche nicht verrückt zu werden vor Schmerzen. Wir müssen ganz in der Nähe des Artefaktes sein, denn der Drang einfach los zu schwimmen ist fast übermächtig. Der Schmerz in meinem Bauch bohrt sich wie glühender Draht in meine Eingeweide und ich muss mich zusammenreißen um mich nicht vor Schmerzen zu krümmen oder zu wimmern. Helios schaut mich besorgt an, doch ich kann seinen Blick nicht erwidern. Während Kira und Lethe sich leise miteinander unterhalten ziehe ich Kilian beiseite um mit ihm zu reden.

»Wir müssen das Artefakt holen. Ich weiß nicht wie lange ich die Schmerzen noch ertragen kann.« Kilian sieht mich besorgt an und runzelt die Stirn, dann nickt er kurz.

»Du hättest schon früher etwas sagen sollen, du bist ganz blass«, sagt er leise und mustert mein Gesicht eingehend. Einen Moment zu lang bleibt sein Blick an meinen Lippen hängen, doch der Moment ist schnell vorüber und ich räuspere mich.

»Ich sage es ja jetzt«, gebe ich leicht bissig zurück und Kilian hebt eine Augenbraue. Ein leichtes Lächeln umspielt seine Lippen.

»Okay, dann gehen wir zwei allein«, erwidert er und geht zu den anderen, um es ihnen mitzuteilen wie ich vermute. Wenig später kommt er zurück, gefolgt von Helios.

»Er ließ sich nicht davon abhalten uns zu begleiten«, erklärt Kilian und sieht nicht sehr begeistert aus. Meine Augenbrauen ziehen sich wie von selbst zusammen, aber ich sage nichts. Ich will keine Zeit verschwenden und endlich dieses blöde Artefakt in die Hände bekommen. Wir haben schon lange genug gebraucht. Also gehe ich einfach ins Wasser und folge meinem Bauchgefühl. Wir brauchen nicht lange zum Mururoa Atoll. Es ist ein wunderschönes Fleckchen Erde. Einen Moment lang, lasse ich die Umgebung auf mich wirken, bevor ich wieder meinem Bauchgefühl folge. Es führt mich in die Mitte wo das Wasser wieder tiefer wird. Immer weiter in die Tiefe zieht es mich hinab, wo wir schließlich eine Unterwasserhöhle finden. Drinnen ist es dunkel und meine Augen brauchen einen Moment um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Ich spüre, dass das Artefakt hier ist, kann es aber wieder einmal nicht sehen, was mich frustriert.

»Ihr müsst mich allein lassen«, sage ich zu Kilian und Helios ohne mich umzudrehen.

»Muss das sein?«, fragt Kilian und klingt dabei wie ein bockiges Kind, was mich dazu veranlasst mit den Augen zu rollen.

»Das Artefakt zeigt sich nicht, solange ihr hier seid. Das wisst ihr doch«, gebe ich ungeduldig zurück. Alles was ich will ist endlich dieses Artefakt bergen und verschwinden. Irgendetwas in dieser Höhle, lässt mir die Nackenhaare zu Berge stehen. Es fährt mir in die Glieder und ich muss den Flucht Instinkt niederkämpfen.

Brummend ziehen sich die beiden Männer zurück und sobald sie die Höhle verlassen haben, kann ich am hinteren Ende der Höhle ein Leuchten ausmachen. Ich schwimme auf den Schein zu und halte wenige Sekunden später ein wunderschönes, aus Gold geflochtenes Füllhorn in der Hand. Ein sanftes Glühen zieht über meine Haut. Es sickert in mich hinein und ich habe wieder das Gefühl einen Teil meiner selbst gefunden zu haben. Die Schmerzen sind vergessen und zurück bleibt ein Gefühl völligen Friedens.

Wenig später schrumpft das Füllhorn zusammen und ich kann es zu dem anderen Artefakt in meinen Beutel legen. Ich ziehe den Gurt enger, damit er mir nicht von der Schulter rutschen kann und will mich gerade auf den Weg nach draußen machen, als ein tiefes Grollen durch die Höhle hallt. Geschockt drehe ich mich um und kann nicht begreifen, was ich da vor mir sehe. In dem hinteren Teil der Höhle schwimmt ein Vieh, welches Ähnlichkeit mit einem Brontosaurier hat. Es schwimmt gerade langsam aus dem Schatten. Die Zähne die ich in seinem gefletschten Maul ausmachen kann, sind spitz wie Dornen und so lang wie mein Zeigefinger. Auf dem Rücken ragen Stacheln empor, welche den Durchmesser eines jungen Baumes haben und spitz zulaufen. Sein Stachel besetzter Schwanz der in einer Art Pfeilspitze endet peitscht von links nach rechts. An seinen Füßen hat er lange Krallen, die einige Zentimeter über dem Höhlenboden schwimmen. Als ein weiteres Grollen durch die Höhle hallt und das Vieh sein Maul aufreißt, kann ich einen Schrei nicht unterdrücken, bevor ich mich umdrehe und um mein Leben schwimme. Helios und Kilian kommen mir mit besorgten Gesichtern entgegen.

»Schwimmt«, rufe ich den beiden zu, doch sie denken gar nicht daran. Mit offenen Mündern starren sie das Untier an, welches das Wasser hinter mir in Aufruhr versetzt. Endlich bei Kilian und Helios angekommen, höre ich meinen Ehemann flüstern: »Ein Mhorag.«

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