Stark und mutig, wie du damals für mich warst, zogst du uns immer mit dem Bollerwagen über Stock und Stein. Zum Kindergarten, in den Park, zum Spielplatz immer auf Kurs Abenteuer. Noch abenteuerlicher wäre wohl eine Autofahrt mit dir gewesen, du fuhrst nichtmehr Auto, nur noch im Notfall, sagtest du immer. Ich habe bis ich älter wurde, etwa mit sechs Jahren, nie verstanden wieso du alles zurückschrauben musstest, mit jedem Fortschritt deiner Krankheit, wurdest du weniger du. Ich habe nie verstanden wieso dich diese Einschränkungen so verändert haben, du hattest ja trotzdem noch alles, du hattest uns.
Doch wer könnte es schon verstehen wie es ist blind zu werden? Wie schrecklich es seien muss wenn sich alles langsam in eine dunkle Leinwand verwandelt, welche keinerlei Lichtblicke offenbart, keinerlei Lebensfreude in deinen Augen zuließ, welche dich vereinnahmte und langsam deine Erinnerungen übernahm.
Wie die letzten Erinnerungen an das Aussehen der Welt verschwanden.
Du warst nur noch in der Lage dir vorzustellen, wie wir, deine Kinder nun Aussahen, zu wem wir geworden waren, deinem Gedächtnis wohnten nur viele Fakten inne, aber keine Bilder mehr, keine neuen, nur alte Bilder immer wieder die selben Bilder, alle die dir noch geblieben waren. Nie wieder war es dir erlaubt deine Frau zu sehen mit ihren blauen Augen die du immer als so wunderschön beschrieben hast, du hast auf Märkten immer ausführlichst gesucht, bis du den einen hellblauen Saphir gefunden hast, der exakt ihren Augen entsprach, wunderschöne Steine, wunderschöne Augen, freudig funkelnde Augen, wie du sie den Händlern immer beschriebst. Lang hat sich Mutter gefragt, wieso du ihr immer, nur, solche Steine geschenkt hast, jährlich immer wieder die selben hellblauen Saphire. Lang dachte sie, das wären nur plumpe Steine, welche du mit ihrer Lieblingsfarbe Türkis verwechselt hast, doch in Wahrheit entsprachen sie einem der wenigen Details, die er deinem Gesicht noch entnehmen konnte.
Mit jedem Tag in dem er weniger von ihr sah, verschwand auch das freudige Funkeln, das er so liebte.

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D(e)ad
RandomEine lange, deprimierende, wahre, anstrengende Geschichte. Lasst euch verzaubern, von den Tücken des Lebens, kindlicher Freude und etlichen Schlägen ins Gesicht, metaphorische sowie echte. Eine Priese von Depression, Halluzination, Liebe und Hass ru...