Kapitel 1

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Eine Woche nachdem ich die beiden auf Floor 1 zurückgelassen hatte, ging ich wieder einmal auf einen Floor mit deutlich niedrigerem Level, um den frei herumlaufenden, versteckten Boss auf dem Floor zu legen. Für Floor 3 war ein Level 40 Boss eine echte Herausforderung. Es sei denn, man kam wie ich von Floor 5. Auf dem Weg zu dem Boss fiel mir eine Gruppe von acht Spielern auf, die gerade dabei waren einen hemmungslos unterlevelten Noob auszunehmen. Normalerweise ignorierte ich solche Vorfälle, aber diese Herren waren so laut und arrogant, dass selbst ich folgendes hören konnte:


"Ha! Glaubst du wirklich, du kannst uns besiegen? Weißt du, wie viele Spieler wir schon besiegt haben? Wir sind unschlagbar! Bisher haben wir noch nie auch nur einen Kratzer abbekommen! Wärst du jetzt so freundlich, uns deine Kronen und Items zu übergeben? Oder sollen wir das Zeug deiner Leiche abnehmen?"


Ich hatte von PKs (PK=Player-Kill) in der Gegend gehört und war seit meinem ersten MMO davon überzeugt, dass solche Diebe das Spielerlebnis aller beeinträchtigen. Solch etwas Unerhörtes mit menschlichen Avataren zu behaupten war schon Grund genug, sie eines Besseren zu belehren und da es hier offensichtlich um Wiederholungstäter handelte, beschloss ich dem einen Riegel vorzuschieben und sie zurück in die Stadt des Anfangs zu befördern - mit neuem Charakter, das versteht sich von selbst. Ich wich von dem Weg ab, auf dem ich mich gerade befand und ging direkt auf sie zu.


"Ihr seid also unschlagbar, was? Warum versucht ihr euch dann nicht an einem wahren Gegner und stürzt euch nur auf unterlevelte Solo-Player, wie die Feiglinge, die ihr seid!"


Nun hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit.


"Was sagst du da, du Noob!"


Ich lachte lauthals darüber.


"Wenn ihr meint, ich wäre solch ein Noob, warum greift ihr dann nicht an? Ich habe übrigens Items im Wert von mehreren Hunderttausend Kronen dabei!"


"In Formation! Den machen wir alle!"


"Das wird spaßig.", flüsterte ich und setzte ein finsteres Lächeln auf.


Der Anführer kam direkt auf mich zugestürmt. Er schwang sein Schwert und ich wich seinem Hieb aus, ohne auch nur einen Schritt zu machen. Eine stümperhafte Technik, die er da an den Tag legte. Ein anderes Mitglied seiner kleinen Truppe feuerte einen Pfeil auf mich ab. Zu dem Zeitpunkt zog ich mein Schwert und zerhackte den Pfeil im Flug. Die Gruppe, nun doch etwas verunsichert, wich etwas zurück.


"Lasst euch davon nicht ablenken! Der kann doch nichts!", brüllte der Anführer. Mit dieser Versicherung griffen sie erneut an. Ein unkoordinierter Haufen. Keine Strategie, außer dass der Heiler und der Schütze weiter hinten blieben. Bei einem meiner Ausweichmanöver mit anschließendem Konter nahm ich eine Bewegung im Unterholz war und kurz darauf brach eine Waldelfe aus dem Buschwerk hervor. Der gegnerische Schütze viel ihr sofort zum Opfer. Der Anführer schnellte herum. Schwerer Fehler. Mein Einhänder spaltete sein rechtes Schulterblatt und den Rest seines Oberkörpers entzwei, sodass das Blut nur so spritzte. Der gegnerische Heiler hatte in der Zeit einen Pfeil sauber durch sein Genick bekommen, während Blut langsam über seine Kehle lief, die die Austritswunde des Pfeils darstellte. Ein weiterer Pfeil flog und durchbohrte die Schläfe einer der Schwertkämpfer, der gerade auf die Waldelfe zusprintete. Seine Leiche vollführte einige "Rollen", bevor sie mit dem Rücken voran von einem Baum gestoppt wurde, die zusätzlich noch die Wirbelsäule mehrfach brach und seine Gliedmaßen in anatomisch unmögliche Plätze verrenkte. Ich pfiff leise. Die Waldelfe saugte einem weiteren Schwertkämpfer die HP aus dem Leib. Nach diesem Anblick suchten letzten drei Schwertkämpfer ihr Heil in der Flucht.


"Überlasst die mir!", rief ich der Waldelfe zu. Binnen Sekundenbruchteilen stand ich vor den Schwertkämpfern. Entsetzen breitete sich auf ihren Gesichtern aus.


"Nun zu euch..."


Schreiend machten sie auf dem Absatz kehrt, nur um einen Pfeil vor ihre Füße zu bekommen und sofort stehenzubleiben.


"Wisst ihr, ich wollte schon seit langem Mal diese eine Fähigkeit ausprobieren..." Direkt nachdem ich diese Worte ausgesprochen hatte, war die Lichtung in absolute Finsternis eingehüllt. Die Schwertkämpfer sahen sich um und sahen nichts. Nicht einmal die eigene Hand vor Augen. Das letzte, was sie sahen, war das blutrote Aufleuchten meiner Augen, bevor sie von der Finsternis umhüllt wurden. Ein Blitz zuckte auf und verwandelte einen von ihnen in ein Häufchen Asche. Der nächste schrie auf, als ich seinen Arm sauber abtrennte und das Blut nur so aus dem Stumpf tropfte. Mein nächster Hieb durchtrennte mühelos seine Bauchdecke, sodass seine Gedärme nur so aus ihm hervorquollen. Dann lichtete ich die Finsternis wieder, um dem Letzten der drei den Anblick nicht zu ersparen, wie sein Kamerad mit seinen eigenen Gedärmen in den Händen zusammenbrach. Vor Angst schreiend rannte er in Richtung Wald, immer wieder über die Schulter blickend. Ich ging langsam hinter ihm her. Einer meiner schwarz-violetten Blitze zuckte auf und verwandelte den Fliehenden in einen kleinen Haufen Asche.


"Na das war mal ein Spaß."


"Wer bist du?", stotterte der mehr oder minder verstörte Noob und Ziel der Diebe.


"Wer ich bin, ist unwichtig. Viel wichtiger ist doch, dass ich nicht vorhabe, dir etwas anzutun."


"Wie hast du das da gerade gemacht?"


"Das würde ich auch gern wissen.", schaltete sich jetzt auch die Waldelfe ein.


"Das ist ein Geheimnis. Bisher scheine ich nämlich der einzige zu sein, der solche Kombos abzieht und ich würde es gern dabei belassen."


"Das ist vernünftig. Gib niemals Wissen heraus, das gegen dich eingesetzt werden könnte.", meinte die Waldelfe.


"Mag deine kleine Taijirin-Freundin sich vielleicht zu uns gesellen?"


"Woher weißt du, dass sie eine Taijirin ist?"


"Zum einen, weil man eine extrem weite Sichtweite braucht, um auf diese Distanz so zielsicher zu treffen und zum anderen, weil ich sie gesehen habe."


Ungläubig sah mich die Waldelfe an.


"Du hast sie gesehen?!"


"Das habe ich. Schöne Lederrüstung, die sie da hat. Aber an dem Bogen kann man noch feilen."


Wenig später stieß sie zu uns. In der Zeit hatte ich auf jegliche Items verzichtet, die Kronen in vier gleich große Teile aufgespalten und dem Noob geraten, sich erstmal in die nächste Stadt zu teleportieren, dann auszuloggen und eventuell einen Psychiater aufzusuchen. Er befolgte meinen Rat, ob aus Angst vor Konsequenzen oder aus Erleichterung und eigenem Willen, weiß ich nicht.


Sobald wir drei allein waren, sprach mich die Waldelfe erneut an.


"Wie mein Name ist, hast du sicher schon herausgefunden. Nenn mich einfach Rheyna. Das ist Eitha. Wäre schön, wenn wir öfter zusammen spielen könnten, du scheinst echt was drauf zu haben."


"Danke, aber nein danke, ich spiele lieber allein."


"Glaub mir, zusammen macht es viel mehr Spaß! Wir beide hier spielen schon lange zusammen und haben immer mehr Spaß, wenn wir zusammen spielen, nicht wahr?"


"Stimmt schon", pflichtete Eitha ihr bei.


"Naja, vielleicht ab und zu mal.", gab ich nach.


"Toll! Hier kommen die Freundschaftsanfragen!"


Ich nahm die beiden Freundschaftsanfragen an.


"Nur Livon reicht übrigens. Ich werde mich jetzt mal wieder auf den Weg machen, um den secret-Boss von diesem Floor zu legen. Bis dann!"


"können wir dir vielleicht dabei helfen?"


"Das ist nett, aber nein, danke. Mein vorheriger Charakter ist diesem Vieh zum Opfer gefallen, auch wenn er nur ein Build zum Sammeln von Herstellungsmaterialien war, hätte ich ihn doch gern allein besiegt. Ist ne persönliche Sache. Das soll jetzt keine Beleidigung sein, da ihr ja beide ziemlich stark für euer Level seid, aber ich will nicht, dass eure Charaktere dem Boss auch noch zum Opfer fallen. Das Vieh ist deutlich stärker als ihr beide zusammen, glaubt mir mal."


"Okay, wenn du das sagst. Man sieht sich dann mal wieder!"


"Sicher, bis dann!"

Währenddessen fanden der Dualblader und die Battlemage ihre ersten legendären Items.

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