Kapitel 3

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Mein Herz flattert wie verrückt und ich fühle mich hilflos, während ich in den Lauf des Gewehrs schaue.
Die zwei Personen werden sich kurze Blicke zu. Außer den Augen sehe ich nichts von ihren Gesichtern. Sie haben sich komplett vermummt und es lässt sich nur schwer sagen ob es Mädchen oder Jungs sind.

Ich flüstere schnell und leise mit heiserer Stimme:"Bitte erschießt mich nicht, bitte bitte erschießt mich nicht, bitte nicht", und zu meinem Bedauern ist es mehr ein Hauchen das bei den letzten Worten rauskommt. "Wer bist du?", fragt eine der beiden Personen mir gegenüber mit einer festen und tiefen Stimme. Ich antworte mit zittriger Stimme:"Ich... wurde von der Explosion überrascht... lasst mich leben! Ich habe vergessen wer ich bin...bitte...erschießt mich nicht!"
Mitten im Satz fange ich an zu schluchzen.
Nicht nur wegen der Schmerzen in meinem Körper, auch wegen dieser Angst.
Angst jeden Moment tot auf dem Boden zu liegen.

Doch es kommt kein Schuss. Die andere Person beginnt mit einer sanften, beruhigenden Stimme zu reden:"Bleib ruhig, wir töten dich nicht."

Dann spricht sie mit gesenktem aber bestimmtem Tonfall mit ihrem Verbündeten:"Nimm die Waffe runter, Joris!"

"Aber was wenn sie uns angreift? Du weißt wie die anderen waren!"

"Sieh sie dir an... sie kann nichtmal aufstehen nach dem Schuss ins Bein, du Vollidiot!
Was wenn sie außer uns die einzige ist die nicht verseucht ist?"

"Ey, is ja gut. Morgen reden wir weiter."
Dann wendet er sich zu mir:"Eine falsche Bewegung und dein Kopf macht n Abflug!"
Sie nehmen nach einem weiteren Blickwechsel beide die Waffen runter und helfen mir aufzustehen.
Ich werde grob unter den Armen gepackt und zum Feuer getragen. Erst als ich am Feuer sitze bemerke ich wie kalt mir war.
Die zwei Teenies setzten sich mir gegenüber, auf die andere Seite des Feuers. Sie wirken sehr jung.
Vielleicht so 15-16 Jahre alt. Ein Junge und ein Mädchen.
Mit knurrt der Magen, mein Bein bereitet mir Höllenqualen und ich sehe wegen dem Feuer wie schlimm es aussieht...
Die Haut ist an einigen Stellen um die etwa Handgroße, immer noch blutende und eiternde Wunde seltsam nach oben gebogen und ich erkenne eine kleine Schusswunde.
Vorsichtig taste ich die Stellen mit meinem Zeigefinger ab und zucke bei der kleinsten Berührung zusammen. Ich atme hörbar aus und wende mich mit schmerzverzerrtem Gesicht den zwei zu und frage zögerlich:"Warum habt ihr auf mich geschossen?? Und was meint ihr mit verseucht?"

Sie schauen sich mit einem ängstlichen Gesichtsausdruck an und dann mir direkt in die Augen:"Woher kommst du dass du nichts mitbekommen hast? Hast du die Bomben nicht bemerkt?"

"Ich...äh...um ehrlich zu sein ist das letzte an was ich mich erinnere die Bombe. Danach bin ich in einem Bunker gestürzt. Ich weiß nicht wo ich herkomme oder wie lange ich nach dem Sturz Ohnmächti..."

Der Junge unterbricht mich mit unfreundlichem Unterton in der Stimme:"Hast du sie angefasst? Die Leichen!"

Ich lasse die letzten Stunden durch meinen Kopf gehen. Als ich wieder an die zerfetzte Person denke dreht sich mir der Magen um und ich übergebe mich.
Leider landet etwas vom Erbrochenen im Feuer und ich rieche augenblicklich den wiederlichen Gestank von verbrannter Kotze. Die Teens schauen mich verwirrt an und das Mädchen eilt zu mir.
Wie ich aus den Augenwinkeln sehen kann, versucht der Junge sie noch fest zu halten, aber sie ist zu schnell. Bei mir angekommen holt sie eine Flasche Wasser aus ihrer Tasche, die sie über der Schulter hängend die ganze Zeit mit sich führt, und gibt sie mir.Ich trinke Schluck für Schluck die halbe Flasche aus.

"Ich heiße übrigens Mai und das ist Joris. Wir sind seit Tagen auf der Suche nach einer Stadt die nicht von Bomben getroffen wurde...
Tut dein Bein sehr weh? Kann ich was gegen die Schmerzen tun?"

Ich brauche einen Moment meine Gedanken zu ordnen und frage dann:"Bei meinem Bein kann ich grad nich viel machen glaub ich... Wann wurden die Bomben geworfen?"

"Vor zwei Tagen gegen Mittag ungefähr..."

Ich denke kurz nach. Ich bin glaube ich dreimal in Ohnmacht gefallen also war ich wohl einmal sehr lange weg. Ich erinnere mich nicht an sehr viel was Enttäuschung in mir hochsteigen lässt.

Das Mädchen nimmt mit einer unglaublichen Eleganz ihr Kopftuch ab. Ihre hellbraunen lockigen Haare fließen auf ihre Schultern und im Schein des Feuers sehe ich große Schrammen in ihrem Gesicht. Sie sind tief und man sieht beinahe ihren Schädelknochen an einer Stelle. Sie bluten und sind offensichtlich bis jetzt nur dürftig versorgt worden...
Aber die Kratzer ändern nichts an ihrer Schönheit.
Sie sieht mich mit einem so wissenden Blick an dass mir die Luft für eine Sekunde wegbleibt.
In meinem Bauch breitet sich ein ungewohntes aber angenehmes kribbeln aus und meine Knie werden weich. Ich merke wie ich rot anlaufe und trinke hastig noch ein paar Schlucke aus der Flasche damit sie mein Gesicht nicht sieht. Mit zittrigen Händen gebe ich Mai die fast leere Flasche zurück und frage zaghaft ob es in der Nähe was zu essen gibt.

Schlecht gelaunt antwortet Joris:"Wir haben seit gestern nichts mehr gegessen. Alles ist verstrahlt durch die Atombomben die abgworfen wurden."

Seine Worte erschrecken mich.
Ich schaue mich skeptisch um...
Wir sitzen auf einer geschützten Lichtung umrandet von blattlosen, leicht verbrannten Büschen und Sträuchern. Dahinter erkenne ich nichts außer das tiefe schwarz der Nacht.

"Du kannst dich ein wenig ausruhen wenn du willst", sagt Mai zu mir.

"Wir sollten uns alle ausruhen. Morgen gehn wir weiter über die Berge", kommt es von Joris.
"Wenn du allein laufen kannst nehmen wir dich mit. Aber wir brauchen keine Zusätzliche Last an unsrer Seite!"

"Kannst du dich nicht benehmen?! Sie hat eine riesen Verletzung und die Schusswunde von dir am Bein!! Wir nehmen sie mit egal ob sie allein oder mit Hilfe läuft. Nach gestern lasse ich niemanden mehr zurück!"

Ihr Worte lösen Stille zwischen meinen Rettern aus. Ich hingegen fühle dass mir etwas verheimlicht wird und beschließe erstmal nicht weiter zu fragen sondern mich hinzulegen und zu schlafen.
Ich höre in die Nacht. Mich überfordert meine Reaktion auf Mai. Ich denke an die paar Sätze die wir heute gewechselt haben und bekomme wieder Bauchkribbeln. Nach ein paar Minuten siegt dann die Müdigkeit über meine Gedanken und ich schlafe ein. Ich schlafe die Nacht ungestört durch und wache bei Morgengrauen von seltsamen Geräuschen auf.

Das Ende des Lebens wie du es kanntest Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt