Teil 4

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Ein Wesen kommt auf mich zu und streckt seine zierliche Hand zitternd nach mir aus. Ich halte ganz still. Der Silliv verneigt sich ganz tief vor mir. Ich beobachte, wie es sich umkehrt und vor den anderen auf einen kleinen Stein steigt, ehe es mit schabenden und doch harmonischen Lauten seinen Freunden etwas erklärt. Dabei zeigt er manchmal auf mich. Selbst die leuchtenden Glühwürmchen beäugen mich. Ich blinzele unruhig. Was sagt es da? Die anderen Wesen nicken zustimmend, dann applaudieren sie. Es klingt wie eine Melodie. Ihre holzigen Hütchen fliegen in die Luft, bis sie sie wieder auffangen. Das Wesen, auf dem Stein, dreht sich zu mir um. Es runzelt seine Stirn. Mit knarrender Stimme ahmt es meine Sprache nach. „Errrlaubt sein es dirrr unsere Feste geheiligt anzuwohnen." Diese Worte überraschen mich dann doch. Ich hätte nicht erwartet, so etwas von diesen Zierlichen je hören würde. „Wir dich brrringen in unserrre Mitte.", fährt es fort, „Echssse, erlaubst du uns, den Silliven, dich als Ehreee in unsere Gemeinschaft aufsuneehmen?". Perplex brummele ich meine Zustimmung, doch dann bemerke ich, dass sie mich nicht verstehen, also antworte ich respektvoll: „Es wäre mir die größte aller Ehren." Der Silliv nickt gewichtig und erhebt sie winzigen Hände. Seine Freunde tuen es ihm gleich und verfallen in einen beruhigenden Singsang. Der Silliv hüpft auf mich zu und schmiert gelbe Farbe um mein Maul und an meine Hörner. Ich rieche, dass auch Nektar ein Bestandteil sein muss. „Schwöre unserrr Gemeinschaft nicht su verraten!", befiehlt das Wesen. „Ich schwöre.", gelobe ich. In einem verrückten und verbogenem Tanz springen die Silliven um mich herum, dann knien sie sich vor mich. Der Anführer stellt mir eine Nussschale mit Wasser hin. Ich nehme etwas zwischen die Lippen und sprühe es in einem feinen Nieselregen über die Gesellschaft. Im Sternenlicht schimmert es perlmuttfarben. Auf ein geheimes Kommando hin erheben sich die Wesen und lächeln mich breit an. Ihre Zähne glitzern weiß und kommen mir mit der Zeit immer größer vor. Irritiert gucke ich an mir herunter. Ein hilfloser Schrei entweicht mir, klingt aber eher nach einem zu hohen Quietschen. Mein großer Körper schrumpft! Immer weiter, bis meine Schuppen einem Staubkorn gleichen. Mir treten die Tränen in die Augen. Drachen können nicht weinen, aber was bin ich jetzt schon?! Eine übergewichtige Eidechse mit schrumpeligen Mini-Flügelchen? Die Silliven umringen mich, flüstern beruhigende Sätze und mir wird wärmer, während meine Bedenken langsam schwinden. Diese Nacht ist magisch, alles kann geschehen. Und so überlasse ich es meinem Schicksal über mich zu richten.

Zu ihrer Rettung tischen mir die, nicht mehr ganz so kleinen, Silliven Beeren, Nüsse, frisches Fleisch und natürlich vergorenen Nektar auf. Das Nachtdüster weicht sanft der friedlichen Morgendämmerung. Meine Rülpser sind wie Seifenblasen und steigen auf wie Ballons. Selbst ich taumele von dem Wein und das, obwohl Drachen eigentlich fast resistent gegen Alkohol sind. Ich fühle mich wohler als jemals zuvor. Spüre Freundschaft und Gemeinschaft. Weiß, dass ich unterstützt werde. Gemeinsam mit den kleinen Wesen jaule ich der Sonne entgegen und applaudiere zärtlich den Windspielen. Flocken aus altem und neuem Licht vermischen sich, bilden einen Kranz um die festliche Lichtung und erheben sich zusammen mit Morgennebel aus der belebten Stille des Waldes. Gedankenverloren schaue ich den Glühwürmchen nach, sehe, wie es sich langsam leert. Die warmen Sommernächte fanden einen Abschluss in dieser wahrlich denkwürdigen Feier der winzigen Silliven, die ich nun auch kaum noch überrage. Lächelnd rolle ich mich unter einer kleinen Wurzel zusammen und genieße den letzten Mondschein auf meinem fließenden Schuppenkleid.

„Aufbruch!", die Stimme meines Reiters zerreißt die Stille und mich aus meinen Träumen. „Die Silliven werden sich wünschen niemals geboren wurden zu sein!", johlt die Menge und alle Drachen fauchen zustimmend. Es ist das erste Jahr, dass ich mich zurückhalte. Zu frisch sind noch die Erinnerungen an meinen Traum, an eine andere Wirklichkeit.

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2258 Wörter

Nachtgetaumel der SillivenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt