2a) Mutter werden auf Kenianisch

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Magdalena - den Namen habe ich zu ihrem Schutz natürlich geändert - ist die erste meiner beiden Lehrmeisterinnen, die ich euch näher vorstellen möchte. Sie ist Mutter von Linos und eine Kamba. Was das bedeutet, musste ich selbst erst einmal nachlesen.

Also... die Kamba sind einer von über 50 Stämmen Kenias. Sie stellen mit 11 % die viertgrößte Ethnie des Landes. Nach der Verdrängung im 18. Jahrhundert durch die Kikuyus oder Massai - das ist nicht genau belegt - aus ihrem ursprünglichen und sehr fruchtbaren Territorium, siedeln sie heute in der Ostprovinz Kenias, einem teils mittelmäßig, teils schlecht bebaubarem Gebiet. Die britische Geschichtenschreiberin Elspeth Huxley hatte vor langer Zeit einmal versucht, die verschiedenen Stämme zu charakterisieren. Natürlich ist so eine knallharte Eigenschaftszuordnung keinesfalls fair aber ihr werdet im Verlauf meines Buches noch sehen, warum ich insbesondere die Charakterisierung der Kamba hochinteressant finde. Nach Elspeths Beschreibung waren die Kikuyu "hinterhältig und frech", die Kamba "sexbesessen", die Luo "faul" und die Massai "nobel und vertrauenswürdig".

Die Kamba sind ein Volk der Ackerbauer, Viehzüchter und Händler. Sie sollen bereits zur Zeit des Sklavenhandels einige der wichtigsten Handelsrouten gestellt haben. Vielleicht kommt es daher aus dieser Tradition, dass der Bustransfer der einzige Wirtschaftsbereich Kenias ist, in dem sich die Kamba Rang und Namen erarbeitet haben. Industrie und Großhandel werden dagegen von den Kikuyus und den Asiaten beherrscht. Gesellschaftlich befinden sie sich eher in den unteren Bevölkerungsschichten Nairobis. Daher spricht man nach wie vor von einer beispiellosen Landflucht, die die Regierung vergeblich durch "Settlement Schemes" aufzuhalten versucht. Ein Leben in Slums ist dennoch für viele vorprogrammiert. Vielleicht und das ist jetzt eher eine Vermutung von mir, ist das der Grund, warum 80% der Kenianer - wie auch Magda - sehr religiös sind, sehr christlich um genau zu sein. Da haben die unerbittlichen christlichen Missionare wohl ganze Arbeit geleistet...

... obwohl, wenn ich's mir Recht überlege... so richtig überzeugend religiös wirkt sie dann doch nicht. Die meisten ihrer E-Mails - und davon bekommen wir noch immer viele - beendet sie zwar mit einem Satz, in dem in irgendeiner Form Gott vorkommt. So richtig passt das aber nicht zu den vorhergehenden Sätzen mit der Kolonie an Anfeindungen und Ausrufezeichen. Aber was weiß ich schon? Gotteslehre scheint zu sein, den eigenen Worten möglichst viel Nachdruck zu verleihen. Ich kann das nicht so richtig beurteilen, da ich mich bereits als Kind vom Glauben abgewendet habe, nachdem ich feststellte, dass Gott gefährlich für Menschen sein kann, bei denen das Leben nicht optimal läuft. Zu schnell flüchtet man sich in eine "im Himmel wird alles besser"Lethargie und gibt sich keine Mühe, mehr aus dem hier und jetzt herauszuholen.

Also Magdalena, die selbsternannte Heilige, ist Afrikanerin, und zwar nicht nur gebürtig, sondern auch genetisch. Was ich damit meine? Jetzt machen wir einen kleinen Ausflug zu Darwin. Neben dem Ackerbau, vor allem in Gebieten, in denen nicht so viel wächst, ernährt sich die Bevölkerung Afrikas auch durch die Jagd. Ich hab da von einem sehr interessanten Experiment gehört, in dem ein eigentlich recht sportlicher Europäer versucht, sich an einer afrikanischen Hetzjagd auf Beutetiere zu beteiligen. Was soll ich sagen? Er war völlig Chancenlos. Ohne viel Nahrung im Bauch hetzten seine Gastgeber Ihre Beute in der afrikanischen Steppe zu Tode. Selbst die Körper der älteren waren in deutlich besserer Kondition als seiner. Unter anderem dank solcher Experimente glaube ich tatsächlich an "Survival of the fittest". Die Evolution sorgt in der Regel schon für die perfekte Konstitution je nachdem wann und wo man lebt.

Nur wir Menschen widersetzen uns dem. Beispiel gefällig? Jemand wie ich, bei der Geburt halb blind, Beine verdreht, starkes Hautleiden, unfähig die Muttermilch zu verdauen, hätte ohne medizinisches Eingreifen wohl nur schwer überlebt... Aber zurück zu Magdalena: Den Erzählungen meines Piloten zufolge war sie beim Kennenlernen sehr schlank und extrem sportlich inklusive Sixpack. Jagdeigenschaft war also auch bei ihr vorhanden - check. Was braucht man noch in Afrika? Etwas, das einem außerhalb der Jagd nützt vielleicht? Genau, man benötigt viel Ruhe und Geduld. Wer sich in der Hitze zu viel bewegt, verbraucht viel zu viel Energie, die man dem Körper aufwändig zuführen muss... allem voran Wasser, was es in Afrika ja nicht unbedingt im Überfluss gibt. Diese Ruhe hat Magdalena den Erzählungen ihres Sohns zufolge definitiv auch in den Genen. Ich kannte sie ja nicht in jungen Jahren, aber jetzt bewegt sie sich kaum noch, schläft den halben Tag und macht den Rest des Tages... hm, ja eigentlich gar nichts. Womit sie ihr Geld verdient? Dazu komme ich später. Inzwischen hat sie jedenfalls einiges an Kilos zugelegt, und wirkt mit den hautengen Tops, den Röcken knapp bis zum Hintern und Highheels, was in jungen Jahren bestimmt aufreizend für Männer waren, eher wie eine Karikatur ihrer selbst. Kaum vorstellbar, dass sie mal ein Sixpack hatte. Nein, nicht Bier. Muskeln.

Aus dem Leben mit einem Piloten - eine wahre GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt