Kapitel 1

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Mit den Büchern im Arm laufe ich gedankenverloren durch die Flure der Uni. Die Flure sind voller Menschen. Automatisch weiche ich jedem aus, der im Weg steht oder mir entgegenläuft. "Weißt du was ich meine?", fragt mich meine Kommilitonin Ashley. Ich nicke, aber im Grunde weiß ich nicht mal, worüber sie grade geredet hat. Ich bin mit meinen Gedanken woanders. Eigentlich wie immer. Sie redet aber auch eigentlich immer nur über die gleichen Themen. Klamotten, Schminke, Typen - vor allem aber derzeit immer über ein und denselben Typen: ihr, seit ein paar Wochen, fester Freund Tristan. Sie hat gar kein anderes Thema mehr. Ständig schwärmt sie davon, wie großartig er doch ist, wie gut er aussieht und was sie sonst noch alles an ihm toll findet. Ihr ist es egal, ob ich das schon tausende Male gehört habe.

Wir verlassen die Uni durch den Haupteingang und gelangen auf den Campus. Die Wiesen sind saftig grün und voller Studenten, die sich in der Sonne eine Auszeit gönnen. Einige liegen einfach nur da mit geschlossenen Augen, andere sitzen in Gruppen zusammen und reden miteinander. Die einzelnen Wiesen werden durch Wege getrennt. Wege die zu den anderen Gebäuden, den Wohnheimen oder zu den Parkplätzen führen. Wir laufen die Treppe hinunter. Ashley redet immer noch ununterbrochen, ohne Punkt und Komma oder gar einer Pause.

"Hey Ashley, sorry, aber ich muss jetzt hier lang, um zu meinem Auto zu kommen", unterbreche ich sie unhöflich. Wenn ich sie nicht unterbreche redet sie immer weiter. "Okay, dann erzähle ich dir morgen weiter von Tristan", schwärmt sie freudestrahlend.

Wir umarmen uns zum Abschied und gehen in zwei unterschiedliche Richtungen.

Ich bin fast bei meinem Auto, als ich grade nach meinem Schlüssel krame und mit einem Mann zusammenstoße. Ich stolpere ein wenig zurück von dem Aufprall und meine Bücher und mein Schlüssel, den ich grade in die Hand genommen hatte, fallen zu Boden. Erschrocken und wissend, dass es meine Schuld war, fange ich sofort an mich zu entschuldigen: "Es tut mir unendlich leid! Das war keine Absicht. Ver..." Ich stocke, als ich dem Mann, mit dem ich zusammengeprallt bin, in die Augen schaue. Er sieht mich eindringlich an. Ich erkenne, dass er blau-grüne Augen hat. Seine Mimik lässt nicht erahnen ob er sauer ist.

Starr ihn nicht so an, Lucy! Ich versuche den Blick von ihm zu lösen und schaue auf dem Boden. Verdammt, meine Sachen! Ich gehe in die Hocke und greife zum ersten Buch, da berühren sich plötzlich unsere Hände. Erst jetzt realisiere ich, dass auch er in die Hocke gegangen ist und anscheinend nach demselben Buch greifen wollte. "Ich helfe dir", beantwortet er meine stumme Frage. Ich nicke. Er packt ein paar Bücher auf seinem Arm. Ich greife nach meinem Schlüssel und den restlichen Büchern. Dann richten wir uns beide wieder auf. Er sieht mir in die Augen, sagt aber nichts. Es verschlägt mir die Sprache.
Du musst dich noch mal entschuldigen, Lucy! 
"Es tut mir wirklich sehr leid und vielen lieben Dank für die Hilfe!" Das hatte ich gar nicht verdient, denke ich.

Erst jetzt fängt er an zu lächeln. "Kein Problem. Ist doch nichts passiert! Du entschuldigst dich aber gerne, kann das sein?", fragt er. Ich bin sofort verlegen und werde rot. Sein Grinsen wird noch breiter. Dann sieht er zu den Büchern auf seinem Arm. „Studierst du Englische Literatur?" Ich nicke, immer noch verlegen, sage aber nichts. Er kommt auf mich zu und überreicht mir die Bücher. „V... vielen Dank", stammele ich. Seine Hand berührt mein Kinn. „Entschuldigen und Danke sagen, verdienst du damit dein Geld?", fragt er mit einem verschmitzten Grinsen. Ich werde wieder knall rot. Seine Berührung löst irgendetwas in meinem Körper aus. Mein Bauch fängt an zu kribbeln. Er lässt die Hand wieder sinken. „Ich muss los", sagt er plötzlich kurz angebunden. Sein Grinsen ist verschwunden aber seine Augen blicken immer noch in meine, als könne er den Blick nicht abwenden. Eine gefühlte Minute später geht er an mir vorbei mit den Worten „Bye Bye, Liebes."

Ich drehe ich um und sehe wie er um die Ecke biegt. Was zum Teufel ist hier grade passiert? Wieso hat es mir denn so die Sprache verschlagen? Oh mein Gott, Lucy, das war ultra peinlich!

Ich schüttele den Kopf, um symbolisch wieder zu mir zu kommen und gehe zu meinem Auto. Ich schließe es auf und schmeiße die Bücher auf die Rückbank. Irgendwoher kannte ich diesen Mann, aber woher? Ich steige ins Auto und fahre los. Ich komme noch zu spät zu meinem Job. Ich war so schon spät dran und fahre fast eine Stunde. Ich fahre der Dämmerung entgegen und bin völlig in Gedanken. Dieser Typ war merkwürdig. Es geht mir nicht aus dem Kopf, dass ich ihn irgendwoher kennen muss, aber es will mir nicht einfallen. Und seine Berührung... sie war...

Plötzlich steht vor mirjemand auf der Straße. Ich trete mit voller Kraft auf die Bremse und reiße aus Reflexdas Lenkrad rum, um diese Person nicht zu überfahren und sehe wie ein Baum sichnähert. Dann wird alles schwarz um mich rum.

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