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,,H-hallo?" Die Stimme klingt dumpf hinter der geschlossenen Tür.

,,Türen sind zum Öffnen da, verdammt nochmal!" Fausts Wut über die Herabwürdigung seiner Person durch den Geist der Erde ist noch lange nicht verklungen, was an seiner donnernden Stimme deutlich zu erkennen ist.
,,Auch wenn es mir oft nicht gelingen mag...", fügt er etwas leiser hinzu.

Die Tür öffnet sich langsam und knarzend und ein blasses, nur durch den Kerzenschein erhelltes Gesicht erscheint in dem sich öffnenden Spalt.

,,Wagner." Fausts Stimme trieft vor enttäuschter Unwilligkeit.

,,Herr Doktor! Ich hörte Ihre geistreichen Vorräte bis in meine Kammer und dachte mir, es würde nicht schaden, einmal nach Ihnen zu sehen. Vielleicht kann ich zu dieser späten Stunde sogar noch etwas lernen?"

,,Wagner, welch aufmerksamer Famulus Sie doch sind, ich kann mich wirklich glücklich schätzen, Sie lehren zu dürfen.", die Ironie ist ziemlich unüberhörbar, doch Wagner - ob absichtlich oder nicht - reagiert nicht. ,,Nur befürchte ich, dass jenes Unterfangen in dieser Nacht nicht mehr möglich sein wird. Meine Wenigkeit wollte sich gerade in Ihr Nachtlager begeben."

,,Nein, welch Schande. Zumal ich Ihnen auch beim abendlichen Gebet zuhören könnte, vermutlich würden Ihre weisen Worte meinen Horizont dennoch erweitern, wo das Gebet doch bei jedem Menschen dasselbe ist."

Faust kann kaum glauben, was er da hört: ,,Gebet? Na, sicherlich. Nun Wagner, ich muss Sie nun bitten zu gehen, zu solch unmenschlicher Stunde sollten zwei rechtschaffene Menschen, Sie und ich, meine ich, nicht mehr unter den Wachenden sein."

Er schiebt seinen Assistenten aus der schweren Flügeltür und schaut dem mitsamt dem flackernden Kerzenschein langsam auf nackten Füßen davontappenden, nur im Nachthemd gekleideten, jungen Mann verächtlich nach.

,,Ein unnützer Schelm, dieser Wagner. Wissbegierig zwar, aber das ist alles."

Faust dreht sich wieder zu seinem Arbeitsplatz um, kopfschüttelnd.

,,Meine Güte, was soll ich nur tun? Gerade war es noch so schön, als die unendliche Energie des Nuturgeistes  ebendiese Räume flutete. Aus und vorbei, alles. Wie soll ich nur weiterleben können, mitsamt dem Bewusstsein, dass so etwas Großartiges existiert. Ich will hinauf zu ihm, zu all den anderen, die mir so ähnlich sind. Nein, stattdessen muss ich hier sitzen, bei der schier undefinierbar enttäuschenden Menschenrasse und versauern, bis ich einen elendigen Tod erleide, wie all diese des wunderschönen Erlebnisses des Übernatürlichen Unwürdigen. Warum nur kann keiner der großen Geister mein Genie akzeptieren?"

Fausts lautes Stimmorgan bringt die Luft in der hohen kellerartigen Räumlichkeit zum Beben, seine Worte Hallen von den Wänden und werden dadurch verstärkt, als seien sie die von tausenden Menschen in der Kirche gemurmelten Sonntagsgebete. Doch Fausts ,,Gebete" sind nicht heilig, nicht unterwürfig, bittend. Nein, sie sind so voller Schmerz, so voller Wut und Trotz, man könnte meinen, er wende sich alsbald dem Teufel zu.

#Mephausto: Kann es Liebe sein?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt