Kaptiel 2 - In neuem Besitz

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»Kalt...so kalt..«
Nach einer gefühlten Ewigkeit schlug ich endlich die Augen wieder auf, aber es war alles dunkel. Außer einer Fackel, die in der Ferne flackerte, konnte ich nicht viel erkennen. Da waren Eisenstäbe, ein Boden aus Ziegelsteinen und Heu lag überall. Auch ein Eimer voll Wasser und ein leerer, der direkt daneben stand. Da schoss es mir wie ein Blitz in den Kopf: Ich war im Kerker. Dieser Mistkerl hatte mich tatsächlich für sich beansprucht und dann in den Keller geworfen! Und als ich so aus meinen Gedanken in die Wirklichkeit zurück kehrte, dämmerte es mir auch.

»Ich bin Nackedei!« (Def.: Nackt, entblößt)
Ich muss das gerufen haben, denn wie aus dem Nichts stand plötzlich ein Mann vor den eisernen Gitterstäben. Er sah mich mit traurigem Blick an und hielt dann eine Decke durch das Gitter.

»Hier, nimm.« wisperte er, ganz leise. Seine Stimme klang ziemlich alt, und so traurig, dass er wahrscheinlich selbst Gefangener oder Bediensteter hier war. Und womöglich ein Mensch.
Ich kroch langsam und beschämt zu den Gitterstäben, wollte ja nicht so gesehen werden. Ich streckte die Hand zu der Decke aus und nahm sie dankend an.

»Bist du..«
»Ein Mensch, so wie du. Keine Sorge, ich bin Bediensteter hier. Ich kann dir vielleicht Kleidung von mir bringen. Sie werden zwar etwas weit sein, aber das geht schon. Übrigens, ich bin Fergus.«

Ich sah ihn leicht überrascht an, er schien ziemlich gesprächig und auch vertrauenswürdig zu sein. Es verwunderte mich, denn trotz allem war seine Stimme mit Trübsal getränkt.

»Niall. Ich heiße Niall. Und Dankeschön... Wie kommt es, dass du mir das ermöglichst? Wirst du nicht...ich meine...die anderen Vampire...?«
Fragte ich verunsichert, ich wollte dem Fremden keine Probleme bereiten. Ich wollte generell nie jemandem Probleme bereiten, bin wohl einfach zu gutmütig. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum ich jetzt in dieser Situation gelanded war. Dankend wickelte ich die Decke um meinen nackten Körper und starrte ihn nun wartend an, denn ich wollte unbedingt Kleidung auf meinem Körper spüren.

»Hast du Hunger? Ich bringe dir was. Sir Maundrell meinte, ich solle dich gut ernähren, damit du ihm auch ja nicht verstirbst.«
Auf Fergus Frage nickte ich wie wild, denn von dem vermeintlichen Abendessen, das meine Familie bereitet hatte, aß ich nichts.
›Familie....‹
Allein bei dem Wort hätte ich schon reiern können. Eine Familie macht sowas nicht, nicht einmal unter den aller schlimmsten Umständen.
Ich merkte, wie mir eine warme Träne die Wange runter kullerte, die ich so schnell wie möglich mit meiner Handfläche wegstreifte. In meinem Alter noch zu weinen, und das auch noch als Mann, wie beschämend.
Es dauerte nur etwa 10 Minuten, dann war Fergus mit einem Holzteller voll Essen wieder da.
»Hier, ich hab dir ein Paar Äpfel, eine Wurst und Brot mit Butter gebracht. Die in der Küche wussten offenbar, dass du Gutes zu Essen bekommen solltest.«
Der ältere Mann reichte mir den Teller unter den Gittern durch und - mehr gierig als alles andere- riss ich ihm den Teller aus den Händen.
Ich griff das Brot und nahm einen großen Bissen.
'Ah, ich habe gefühlte 5 Jahre nichts mehr gegessen..' dachte ich mir.
Ich wusste gar nicht mehr, wie gut ein Stück Butterbrot schmecken konnte.
Ich hörte ein kleines Lachen von Fergus, sodass ich mich zusammen nehmen musste und das Essen nicht auf einmal herunterschlang.

Plötzlich schallte lautes Kettengeraschel durch die Hallen, Getrampel und Schlösser, die aufgesperrt wurden. Ich schob den leeren Teller vor Schreck unter das ganze Heu und verkroch mich in eine Ecke, um nicht gleich gesehen zu werden. Auch Fergus war so schnell weg, wie nur möglich. Die Geräusche wurden inmer lauter, bis sie letztendlich vor meiner Zelle verstummten.
Ich konnte meinen schnellen Herzschlag und mein nervöses Atmen kaum unterdrücken, denn ich wusste, ich hatte Angst. Das Gefühl hatte ich in Fergus Gegenwart ganz vergessen.

Es war einige Minuten lang still. Kein Geräusch, kein Wort, nicht einmal Atmen konnte man hören. Es war beinahe so, als hätte ich es mir nur eingebildet, dass jemand kommen würde.

Und dann hörte ich eine Stimme in meinem Kopf. Sie war so laut und durchdringend, dass sich eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper ausbreitete und mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken laufen ließ. Als hätte ich gar keine andere Wahl, kroch ich aus meinem Versteck hervor und vor zu den Gitterstäben.

Ich saß wie benommen auf meinen Fersen und sah nach oben. Mein Puls schlug so fest, dass ich ihn in meinem Ohr hören konnte und auch mein Atem war schnell und uneben. Dennoch brachte ich kein Wort raus. Es war plötzlich alles dunkel, die Fackeln erloschen. Ich konnte nur die Umrisse der Personen vor mir sehen - oder mehr oder weniger erahnen. Dann trat jemand zu den Gittern vor. Seine Augen leuchteten eisig blau, als wären sie nicht von dieser Welt.

Ich fühlte mich unberuhigenderweise so warm und geboren als ich in sie hineinsah, als wäre nichts sonst auf dieser Welt mehr wichtig.
»Wurde er schon gewaschen und gebadet? Ist er beschnitten?«
ertönte eine tiefe Stimme, und ich erkannte sie sofort wieder. Sie riss mich aus dieser angenehmen Wärme und ließ mich einmal mehr erschaudern.
'Er...ist hier..'
Der Mann, dem ich von nun an gehörte. Christoph Maundrell.

Er war ein Vampirfürst der ersten Generation, was soviel hieß, dass er schon so geboren wurde. Er wurde nicht verwandelt oder gebissen, sondern lebte schon sehr lange so. Das bedeutete auch, dass er Kräfte besaß, die Vampire der weiteren Generationen nicht hatten.

»Gebadet und gewaschen nicht. Ich hab noch nicht nachgesehen, ob er beschnitten ist.«
»Gut. Wenn nicht, dann will ich es mir erst ansehen und entscheide dann, ob sie entfernt wird oder nicht.«

Er sah mich einmal mehr mit diesen durchdringenden Blick an, bis ich dann endlich realisierte, was er gerade gesagt hatte.

»N..nein...bitte nicht..« stammelte ich ängstlich heraus, doch er sah mich nur herablassend an und schmunzelte verächtlich. Kaum einen Moment später war er auch schon wieder verschwunden.

Einer der Wachen schloss die Zelltür auf, griff mich am Oberarm und riss mich unsanft hinter sich her, wobei ich mehr oder weniger nur den Boden wischte. Ich zappelte, wusste aber ganz genau, dass ich keine Chance gegen eine vampirische Wache hätte, also musste ich es letztendlich doch über mich ergehen lassen.

Kaum 5 Minuten später war ich in einem großen Raum, der Boden verziert mit schwarzen Fliesen und an den weißen Wänden waren vereinzelt schwarze Mosaikmuster eingebracht. In der Mitte des Raumes war eine große Wanne, die in den Boden eingelassen wurde. Sie war wahrscheinlich aus Silber, bestückt mit wunderschönem Silberstuck.

Der Dampf stieg empor, kommend von dieser silbernen Wanne.

»Ihr übernehmt ab jetzt.« dröhnte die Stimme des Vampirs, der mich hier her geschliffen hatte. Keine Sekunde später standen drei Männer um mich herum, unter anderem Fergus. Ich war so erleichtert als ich ihn sah, denn ich wusste, er war ein lieber Mann.

Alle drei hatten Schwämme, Tücher und frische Kleidung in den Händen. Sie sagten nichts zu mir und auch ihn war ruhig, wollte Fergus nicht auffliegen lassen für seine nette Geste.

Sie hielten mich wortlos an den Armen und zogen mich langsam in Richtung Wanne, wo ich mich dann niederließ. Eine Gänsehaut streifte meinen Körper, ich hatte schon lange Zeit kein so schönes, angenehm warmes Bad mehr genommen und es fühlte sich fast so an, als wäre ich ein Nobel-Herr.

Mit Schwämmen, Tüchern und Kernseife wuschen die drei meinen ganzen Körper. Es war mir nicht mehr unangenehm, denn Fergus hatte mich sowieso schon komplett entblößt gesehen und die anderen beiden waren etwa in meinem Alter. Sie ließen wirklich keine Stelle aus und wahrscheinlich war ich schon lange nicht mehr so sauber wie an diesem Tag.

Im Anschluss nahmen sie die Handtücher und trockneten meinen Körper vollends. Die Kleidung striffen sie mir schnell über. Diese Bestand letztendlich aus einem schwarzen, weiten Hemd, bei dem die Knöpfe unter Rüschen versteckt waren und einer schwarzen, engen Hose. Eine Unterhose bekam ich leider nicht.

Demütig sanken die drei nun ihren Kopf und Fergus sah mich traurig an. Die Stimme ertönte in meinem Kopf.

»Komm her, jetzt sofort.«

Und wie von alleine begannen meine Beine, sich zu bewegen.

From Blood and LustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt