Kapitel 2

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„Eva, psst, schau dir das an" flüstert Rafael hinter mir.
Wir haben grade Mathe und ich versteh wieder mal garnichts. Jule sitzt neben mir und hinter mir mein anderer bester Freund Rafael. Er wirft ein zusammengefaltetes Blatt Papier auf meinen Tisch. Ich fallte es auf und das erste was ich erkenne ist eine Kritzelei von Frau Heikes Gesicht, unsere Mathelehrerin. Es ist etwas deformierter gezeichnet aber ähnelt ihr sehr und es springt einem die fette Warze auf ihrem Nasenrücken ins Auge.
Ekelhaft.

„Wow Rafael. bist ein echter Künstler." flüstere ich ihm ironisch zu.

„Alter. Die kann ja überhaupt nichts richtig erklären. Ich versteh null." seufzt Jule neben mir.
Ich lächle sie an „Wir sind die eh in ein paar Monaten los."

Wir sind im letzten Jahrgang des Gymnasiums, der zwölften Klasse, und haben endlich bald die Schulzeit hinter uns.
Mein Bruder und ich hatten uns vorgenommen nach der Schule direkt eine Europareise zu machen, wofür wir aber erstmal ein Auto brauchen.
Linus und ich haben schon unseren Führerschein und unsere Eltern hatten uns versprochen gegen Ende des Schulejahres ein Auto zu kaufen.

EIN Auto.

Das heißt wir müssen es uns teilen und immer abwechselnd fahren. Ich hab meinen Bruder lieb, versteht mich nicht falsch, aber ich kenn ihn zu gut und weiß wie unordentlich er ist. Er würde das Auto direkt verschmutzen und Müll drinnen liegen lassen. Ich wette da wird sogar verfaultes Essen drin rumliegen, wahrscheinlich von Mcdonald's.

Der Gong ertönt und wir sind endlich alle von Frau Heikes Gelaber erlöst.

Ich packe meinen Rucksack und mach mich langsam auf den weg zur Tür. Rafael und Jule haben leider die nächste Stunde Musik während ich mit meinem Bruder Linus Kunst hab.

Ich verabschiede mich von meinen Freunden und gehe in Richtung Kunstraum. Auf den Weg dort hin sehe ich Sam und Finn, die Racers. Beide in ihren Lederjacken stehen am Vertretungsplan. Sam schaut auf den Bildschirm während Finn uninteressiert in sein Handy tippt. Wenn ihn die Schulleiterin sieht würde er richtig Stress kriegen. Auch wenn ich die beiden nicht so gut kenne, krieg ich immer so ein mulmiges Gefühl wenn ich sie erblicke, als ob ich mich direkt vor denen fürchten sollte. Aber alles was ich bis jetzt über sie gehört hab waren nur Gerüchte.
Das beliebteste Gerücht ist eines über Finn. Er soll scheinbar mal verfaulte Eier auf das Haus unserer Schulleiterin geworfen haben und dann noch einen riesen Schwanz auf ihr Garagentor gesprüht haben.
legendär.

Ich bin die Treppen runtergelaufen, in der Hoffnung Linus schon im Kunstraum vorzufinden.

Als ich in das Klassenzimmer reinging, fiel mir sofort auf, wie ein großer Kreis an Leuten um meinem und meines Bruders Sitzplatzes standen.
Ich zögerte kurz und lief dann doch auf den Tisch zu.
Niemand schien mich zu beachten. Alle waren konzentriert auf eine einzige Person die in der Mitte vom Kreis auf dem Tisch saß und übermotiviert mit den Händen sprach. Ich war echt schockiert meinen Bruder so seriös und doch energetisch zu sehen.
Ich hab mich hingehockt und darauf gewartet bis alle weg waren, sodass ich Linus fragen konnte was los war.

„Was zur Hölle geht bei dir den ab?" frag ich ihn. Ich konnt mir mein grinsen nicht verkneifen. Immer wenn er gut drauf ist, spiegle ich direkt seine Mimik.

„Alter, findest du nicht auch, dass wir viel zu schnell erwachsen werden?" fragt er mich.

Ich musste kurz überlegen.
„ja, doch. Eigentlich schon. Habt ihr darüber geredet?". Ich könnt mir ernsthaft nicht vorstellen wie das die anderen interessant fanden. Ich mein ok, erwachsen werden ist schon ein großes Thema, aber dennoch nicht soo ein heißes Thema, dass gleich alle darüber diskutieren wollen.

Mein Bruder rollt die Augen „Eva," fängt er an, pure Motivation in seiner Stimme.

„Ich hab mir gedacht, wenn das eh unser letztes Jahr an der Schule sein soll, machen wir es doch gleich besonders."

„Worauf willst du hinaus?" Ich bin konfus.

„ Lass uns all die Sachen machen, die wir uns sonst nie trauen würden zu tun oder einfach keine Zeit dafür hatten."

„Linus, ich bin mir nicht sicher ob des eine gute Idee wär."
Er setzt seine Ellenbogen auf den Tisch auf
„Glaub mir, du wirst gleich zubeißen wenn du erfährst was du kriegen wirst wenn du gewinnst."

„gewinnst?"

Er lacht „Genau! Du und ich: wir werden ne Wette schließen und der Gewinner—"

„Halt, stop. Eine Wette? Wann- Wo war da jetzt die Rede von ner Wette?" unterbreche ich ihn.

„Alle die vorhin hier standen haben mit mir zusammen eine Liste von Sachen geschrieben, die sie machen wollen vor Ende des Jahres. Aber keiner dieser Weicheier traut sich die Punkte wirklich zu machen. Du, Schwesterchen, bist genau wie ich. Wir lieben Herausforderungen und können verlieren garnicht ertragen."

„Du meinst also, dass ich jetzt gegen dich antrete?"

Ich wusste nicht mal was auf der Liste stand. Aber mein Zwillingsbruder hatte recht: Ich bin immer gern für eine Herausforderung zu haben.

„ Schieß los. Was kriegt der Gewinner" seufze ich.

„Das Auto dass uns Papa und Mama schenken wollen. Der andere muss sich dann selber eins kaufen."

Seine Worte haben mich total schockiert. Dennoch konnte ich den Gedanken nicht aushalten, jedesmal nach Linus das Auto zu säubern wenn wir es uns teilen.

„Und der Verlierer?"

Er beugt sich vor und flüstert so leise dass ich ihn gerade noch verstehen konnte:

„Der Verlierer muss in Unterwäsche zur Schule. "

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