Kapitel 3

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"Lis?!"
"Wayne, oh Gott! Geht es dir gut? Wo warst du? Der Lehrer hat gesagt, du hattest einen Unfall!"
Erleichtert umarmte sie mich und legte sich auf meine Brust, ignorierte aber die Tatsache, dass ich keine Hose anhatte.
Natürlich musste ich rot anlaufen.
Oh bitte, lass mich keinen Ständer bekommen.
"Lis, alles ist super, ich bin nur hingefallen...", beruhigte ich sie und schaute beschämt in unseren Flur zu meinem Zimmer, wo mein Bruder in der Tür lehnte und uns abscannte.
"Bitte melde dich das nächste Mal, ich hab mir Sorgen gemacht! Und Kay kommt auch gleich", merkte sie an und ich nickte nur lächelnd. Gott, ich liebe dieses Mädchen.
Sachte für ich durch ihre blonden Haare und überlegte, wie es sich anfühlen würde, ihre vollen Lippen zu küssen, während sie sich löste und mich entspannt mit ihren süßen grünen Hundeaugen musterte.
"Seid ihr zusammen?", fragte mein Bruder von hinten und kam auf uns zu, weswegen Lis verwundert aufschreckte, einen süßen Ton von sich gab und dann beschämt das Gesicht in ihren Händen vergrub.
"Nein, Jacob. Eigentlich nicht", presste ich peinlich berührt hervor und ließ meine Hände wieder neben meiner Hüfte baumeln, sodass ich unbemerkt nach fühlen konnte, ob die Krallen immer noch da waren.
Ha! Sie sind weg!
"Du solltest dir lieber was anziehen, Wayne", sagte mein Bruder halblaut und schnippste schelmisch gegen meine Hüfte.
Sofort lief Lis rot an und ich wusste auch gleich, wo sie hingesehen hatte, weil sie so angespannt zur Seite guckte. Seufzend knurrte ich: "Mach 'ne Fliege, J." "Ich meine ja nur!"
Jacob schenkte mir aufmunterndes Grinsen und verschwand nach ein paar Sekunden, in denen ich und Lis ihm im weißen Flur nach gestarrt hatten, in seinem Zimmer.
"Willst du hier bleiben, Lis?"
"E-Ehm. Ich glaube, ich würde... Ähm. Stören..?", stotterte sie aufgewühlt und meine Aufmerksamkeit galt wieder ihr, weswegen ich sanft lächelnd den Kopf schüttelte. "Aber nicht doch. Komm einfach in mein Zimmer, dann kann ich mich gleich umziehen. Oder hast du Hunger?" "Nein, nein, ich komm mit."
Zusammen begaben wir uns in mein Zimmer und während Lis sich neugierig umsah, zog ich mir schnell eine Hose an, um diese peinlichen "ich schau dahin, obwohl ich es nicht sollte und deswegen werde ich rot"-Momente zu vermeiden. Obwohl ich sagen muss, gerötet sieht sie echt niedlich aus.
Während sie mit hochgezogenen Mundwinkeln aus dem Fenster schaute, betrachtete ich ihre bildhübsche Figur. Relativ normale Brüste, schmale Taille, breite Hüften,... Sie war wirklich fantastisch und ich würde gerne mit meiner Hand ihre Hüften entlang fahren, aber nun ja. Noch werde ich es ihr nicht sagen.
Was glaubt ihr, dass ich blind bin?
Natürlich weiß ich, dass Lis in mich verschossen ist und ich bin es auch. Also in sie, nicht in mich. Obwohl, das auch. Naja, ich will sie an ihren Geburtstag ausführen. Der ist in genau vier Tagen und dann küsse ich sie im Sonnenuntergang, während ich ihr in ihre wunderschönen, grünen Augen sehe...
Schritte.
Fünf, sechs, sieben. Er steht. Ein Klopfen.
Fragend dreht sich Lis zur Tür, ich konzentriere mich auf die Geräusche.
"WIESO HAST DU NICHT ZURÜCKGERUFEN?!"

Ich glaube, soeben habe ich mein Gehör verloren.
Mit verzogenem Gesicht drehte ich mich zu Kay und schaute den Braunen mit einem entschuldigenden Blick und vorgeschobener Lippe an.
"Hör mal, ich hab mir Sorgen gemacht!", rief er wütend und zog seine Kapuze runter, die deutlich genässt war. Im Gegensatz zu Lis, die nach Blumen roch, stank er nach abgestandenem Regenwasser, das konnte ich im aber bei dem Wetter nicht verübeln.
"Ich weiß, Kay, sorry."
Doch er ignorierte mich mit einer genervten Miene und widmete sich dem Reißverschluss seiner Jacke, um diesen schnell aufzuziehen und die nasse, stinkige Jacke auf meinen Stuhl zu pfeffern.
Erneut verzog ich angeekelt das Gesicht und überlegte, ob ich den Jungen, der gerade seine Arme schmollend vor seiner Brust verschränkte, auf seine Übeltat aufmerksam machen sollte. "Was ist denn jetzt eigentlich heute morgen passiert?", fragte er und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, um zu sehen, ob alles noch beim Alten war.
"Ach, ich bin hingefallen und bewusstlos geworden, kriege wahrscheinlich morgen eine Erkältung...", klärte ich ihn schnell auf und zeigte beiden, sich zu setzen. Kay plumpste stumpf auf den Boden, weswegen Lis sich vorsichtig neben ihm setzte, also entschied ich mich, ebenfalls auf dem Boden zu sitzen.
"Irgendein Plan für heute?", fragte ich in die Runde, doch von beiden kam nur ein genervtes Stöhnen. Unsicher legte ich den Kopf schief und versuchte, mich an etwas zu erinnern.
"Wir schreiben am Montag 'ne Arbeit, bis dahin müssen wir lernen", regte Lis sich auf und lehnte sich zurück, um aus dem Fenster zu schauen. "Alles okay?", fragte Kay und schaute ebenfalls nach.
"Ja klar, ich bin nur etwas paranoid in letzter Zeit."
Da bist du nicht die Einzige, Lis.
"Hä, wieso?" Kay zog die Augenbrauen verwirrt zusammen.
"Na, gerade treiben sich in der Stadt vereinzelt Wölfe rum."
Ich riss die Augen auf und rutschte unbemerkt ein Stück weg, als Lis schnell ihr Handy aus ihrer Hosentasche zückte und irgendeine Seite aufmachte.
"Da."
Auf dem Bild war eine Mensch am Boden liegend zensiert, alles war voller Blut und er lebte wahrscheinlich nicht mehr.
Drunter stand:

𝖂𝖔𝖑𝖋 𝖟𝖊𝖗𝖋𝖑𝖊𝖎𝖘𝖈𝖍𝖙 𝖇𝖑𝖚𝖙𝖗ü𝖓𝖘𝖙𝖎𝖌 𝖊𝖎𝖓𝖊 𝕱𝖗𝖆𝖚

Mein Herz fing an, wild zu schlagen und ich schüttelte verwirrt den Kopf. Das kann nicht sein, ich lebte schließlich noch. Mir wurde sowas nicht angetan. Ich lebe. Oder?
Plötzlich kam mir mein Zimmer ziemlich klein vor, als würde es schrumpfen. Die Wände schienen sich zusammen zu ziehen, sogar meine Lungen zogen sich zusammen und ich bekam kaum Luft. Konnte das sein?
"Das ist ja krass", staunte Kay und tippte etwas in sein Handy, Lis nickte nur besorgt.
"Deswegen hatte ich ja Schiss um Wayne." "Ich bin wirklich nur hingefallen, Leute", lachte ich und unterdrückte den Drang, zu schreien. Alles war so surreal und ich fragte mich, wie lange ich noch leben würde.
"Leute, meine Mutter kommt gleich, könntet ihr gehen?", log ich schnell und rappelte mich schnell auf, bevor Kay meine Angst bemerkte, um die Tür aufzumachen.
"Klar, aber alles-"
Ich machte die Tür auf.

Und riss die Türklinke ab.

"-okay..?", beendete Kay seine Frage und musterte verwundert die Türklinke, die ich in meiner Hand hatte, Lis klappte sogar der Mund auf und sie legte den Kopf schief.
"Gott, die Türen sind hier so alt!" Wieder eine Lüge meinerseits, aber gut genug, dass Kay und Lis sich skeptisch aufrichteten und die kaputte Tür aus den Augen ließen.
"Tschüss, Kumpel. Pass auf dich auf."
Brüderlich klopfte Kay mir auf den Rücken und gab mir den "Wir reden noch darüber" Blick, weswegen ich entschuldigend auf meiner Lippe kaute und ihm seine tropfende Jacke gegen seine Brust drückte.
"Bye, Wayne."
Lis lächelte mir zu und schlug mehrmals hintereinander mit ihren schönen, langen Wimpern, bevor sie mit Kay den Raum verließ.
"Tschüss, Leute!"
Wie von jeglicher Last befreit schlug ich die Tür zu, wohl sogar viel zu fest, da sie laut knarzte und wollte mich eigentlich meinem Handy widmen, aber mich schreckte der Gedanke ab.
Ich muss mehr über das Vieh rausfinden, was mich gebissen hat. Und ich muss wissen, was mit mir passieren wird. Hab nämlich keine Lust, morgen schon tot zu sein.
Angespannt lief ich Kreise in meinem Zimmer und warf der Türklinke in meinen Händen wirre Blicke zu, ehe ich sie forschend auf meinen Tisch legte. Es sollte also an meinen Händen liegen, huh? Was können die denn so?
Wie gerufen fuhr ich meine Krallen aus.
"Oh mein Gott", hauchte ich und sah fragend die große leere Wand an, an der ich schon immer Bilder aufhängen wollte, aber nie dazu gekommen bin.
Hastig zog ich mir Schuhe und Socken aus, bewegte unter plötzlicher Freiheit kurz meine Zehen und fixierte die Wand, ehe ich mich vor sie stellte und meine Hände anlegte.
Fassungslos bohrte ich meine Krallen in die Wand.
"Wenn das jetzt klappt", sagte ich mir selbst zu und setzte mein Bein ebenfalls an der Wand an. Wie erhofft bildeten sich auch dort Krallen, die sich Halt in der Wand verschufen.
Vorsichtig verlagerte ich mein Gewicht auf mein Bein, was ich gerade gegen die Tapete drückte und zog mich gaaanz, ganz langsam nach oben, um nicht aus Versehen mir meine Knochen zu brechen und morgen mehr als krank zu sein.
Und da hing ich.
Wie ein Klotz presste ich mich an die Wand und konnte selbst kaum aus dem Staunen heraus kommen. Ich wollte höher.
Übermütig ließ ich meine linke Hand meinen Körper hinunterhängen. Okay, das ging. Mit der freien Hand griff ich höher, zog mich an der nach oben und setzte das baumelnde Bein an.
Das wiederholte ich ein paar Male und krabbelte wild in meinem Zimmer herum, selbst als meine Arme zwickten, konnte ich damit nicht aufhören.
Aber auf die Decke traute ich mich nicht.
Überglücklich sprang ich auf den Boden und wunderte mich im selben Moment, wie weit ich gesprungen war, ich meine, ich wäre fast gegen den Tisch geknallt.
Noch nie hatte ich mich so cool gefühlt. Ich konnte Wände hoch klettern!
Begeistert und erschöpft von meinem Training legte ich mich auf mein Bett und überlegte, was genau ich damit jetzt machen wollte.
War ich jetzt nicht eigentlich sowas wie ein Mutant? Nee...
Meine Augen verharrten auf meinem Tisch und den Mathehausaufgaben von gestern, als ich mich umsah, weswegen ich mich seufzend aufrichtete, vor den Tisch auf den nassen Stuhl setzte und mein Buch aufschlug.
Jetzt war es Zeit für's Lernen.

Da ist es, das neue Kapitel.
Was wäre das erste, was ihr mit solchen Krallen gemacht hättet?
Ich hätte, glaub ich, zuerst Dinge angegriffen. Haha, das klingt bekloppt. Also, ich hätte mir 'n Kuscheltier gesucht und es zerfetzt. Fänd ich schon cool.

Eure
Eule ♠️ (1620 Wörter)

well played, mateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt