Eins

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„Ey Ro, was steht heute an?", ruft Sebastian, während er auf seinem Skateboard in meine Richtung brettert.

Was soll schon gehen? „Das Übliche!", rufe ich zurück.

Er bleibt vor mir stehen und springt von dem Board herunter, um bei mir abzuklatschen. Jap. Er nennt mich Ro, weil er Rosá zu mädchenhaft für mich findet und er klatscht bei mir ab wie bei einem Kumpel. Denn genau das sind wir. Kumpel. Basti ist mein bester Freund. Schon in der Grundschule hatten wir uns angefreundet und so kommt es, dass wir seitdem täglich miteinander abhängen. Was bedeutet, dass ich ihn ständig zur Skaterbahn begleite. Dort würde ich mich zu Tode langweilen, wäre da nicht meine Freundin Liane, die übrigens total auf Sebastian steht und ihn deshalb stundenlang anhimmelt. Insgeheim glaube ich ja, sie ist nur mit mir befreundet, weil sie so an Basti rankommen will. Besagter findet allerdings mehr Gefallen an unserer Klassenkameradin Corinne. Totales Chaos! Und ich? Ach, von mir fange ich erst gar nicht an. Ich habe es bis zum heutigen Tag nie aus der Friendzone hinausgeschafft. Alle Jungs sehen mich sofort als ihren Kummerkasten an. Sie erzählen mir ihre Probleme, fragen mich nach Mädchen aus und holen sich Ratschläge wie sie an das Objekt ihrer Begierde herankommen sollen. Ich bin beliebt. Bei den Mädels und den Jungs. Leider hat mich der liebe Herrgott aber nicht mit übermäßiger Schönheit gesegnet. Meine braunen Haare sind spröde und strähnig, meine grünen Augen nichts Besonderes, meine unteren Schneidezähne ein kleines bisschen schief und ich bin kein Magermodel. Was das bedeutet? Dass ich mehr Oberschenkel und Arsch habe, als notwendig wäre. Außerdem bin ich obenrum flach wie ein Brett. Wie das geht, weiß ich nicht. Meine Mutter sagt immer, mit einem solchen Hintern sollte man normalerweise eine anständige Oberweite haben. Tja ... Ausnahmen bestätigen die Regel, oder? Kein Wunder also, wenn ich auf die Kerle in meiner Umgebung nicht besonders anziehend wirke. Aber ich habe mich damit abgefunden, immer nur der ‚Best Buddy' für alle zu sein, und an und für sich lebt es sich so ganz schön gemütlich. Denn ich muss mir keine Gedanken machen, ob die Kerle mich heiß finden, in dem was ich trage, und nicht tagelang vor dem Spiegel stehen. Ich kann anziehen, was ich will, rausgehen wie ich will und brauche überhaupt nicht darüber nachdenken wie es andere finden. Praktisch, oder? Und so laufe ich eben wie heute in einer Boyfriendjeans mit Löchern, einem Trägertop und einer verkehrt aufgesetzten Kappe auf dem Kopf neben Sebastian her. Wie immer auf dem Weg zur Skaterbahn.

„Hast du das mit Corinne heute mitbekommen? Fuck, die hatte einen so kurzen Rock an, dass man praktisch ihre Unterwäsche gesehen hat!", redet Basti drauf los.

„Ja klar, ich starre immer Mädels auf den Po, Seba. Ich stehe total darauf. Es macht mich an, wenn ich den Slip eines Mädchens sehe. Oh Moment ... ich bin ja selbst eines! Ich sehe das jeden Tag! Folglich nein, ich habe es nicht gesehen, tut mir leid!", rufe ich lachend aus.

„Ha, ha, total witzig Ro, wirklich! Wenn ich nur endlich an sie rankäme. Aber die himmelt ja immer bloß Dave an", brummt er und lässt sein Board dann wieder zu Boden, um sich drauf zu stellen.

Seba ist ein großer schlanker Kerl mit dunkelbraunen kurzen Haaren, welche er unter einem verkehrt getragenen Basecap versteckt. Schwarze Plugs in den Ohren und blaue Augen, die von langen Wimpern umrahmt werden, lassen ihn enorm gut aussehen. Er trägt immer eine Kombi aus zu weiten Shirts oder Hoodies und zerrissenen Jeans, die er mit einem Gürtel weit unter der Hüfte fixiert. Ein richtiger Skaterboy eben.

„Komm!", meint er in diesem Moment und hält mir die Hand hin, damit ich mich hinter ihm auf das Board stellen kann, während die Strecke bergab verläuft. Ich nehme seine Hand und hüpfe hinauf, dann halte ich mich an seinen Schultern fest und wir brausen los. Das haben wir schon tausendmal gemacht. Vier Mal sind wir so dabei gestürzt und einmal habe ich mir deshalb die Hand gebrochen. Aber das hält uns nicht davon ab, es immer wieder zu tun.

Unten angelangt, steige ich wieder herunter und Basti fährt neben mir her. Ja, ich nenne ihn mal so, mal so. Wie es mir passt.

Kaum bei der Skaterbahn angekommen werden wir von allen möglichen Leuten begrüßt.

„Rosá!", ruft meine Freundin Liane, springt von ihrem Platz an der Bahn auf und stürmt auf mich zu, um mir um den Hals zu fallen.

„Hey! Du erwürgst mich!", schimpfe ich gespielt und mache mich von ihr los. Sie macht einen Schmollmund, damit statt mir Sebastian sie umarmt. Der verdreht die Augen und breitet die Arme aus. Liane wirft sich sofort in diese und klammert sich an ihn. Ich grinse und zwinkere Basti zu. Er zieht eine Schnute und ich lache ihn aus.

Dann gehe ich an der Bahn entlang und setze mich seitlich auf eine der Spuren, um mir meine Inliner anzuziehen, welche ich immer mit mir herumschleppe. Ich liebe diese Dinger.

Ich werfe meine alten Converse-Allstars zur Seite und schlüpfe in die ziemlich ausgeleierten Inliner. Im Anschluss stelle ich mich auf und fahre mich erstmal warm.

„Ro!", ruft Seba grinsend.

Ich zeige ihm die Zunge und gebe Gas. Die Bahn ist längst keine Herausforderung mehr. Deshalb langweilt es mich so, dass wir jeden Tag hier sind. Aber ich tu es trotzdem, den anderen zuliebe. Ich fahre einige Bahnen, springe in die Luft und lande geschickt wieder auf meinen Beinen, dann biege ich ab und fahre zu meinen Freunden rüber, die sich am Snackstand unterhalten.

„Da", meint Basti und hält mir seine Flasche mit Coke hin.

Ich nehme sie ihm aus der Hand und nehme einen großen Schluck, dann wische ich mir über den Mund.

„Danke!", sage ich ein wenig außer Atem und gebe die Flasche meinem besten Freund zurück.

Er grinst. „Hoffentlich bekomme ich jetzt nicht Herpes!", meint er.

Ich verdrehe die Augen. „Dann hättest du schon tausende, sooft wie du bei mir schnorrst!"

Seba grinst breit.

„Rosá, Bastian meinte, ihr geht morgen ins Hallenbad?"

Ich hebe die Augenbrauen und schaue zu besagtem Jungen. „Ach, tun wir das?"

Er nickt.

„Na dann, wir gehen morgen ins Schwimmbad, Liane, möchtest du mitkommen?"

Ihr Gesicht hellt sich sofort auf. Mit einem Seitenblick zu Basti stelle ich fest, dass er nicht so angetan von dieser Idee ist. Liane nervt ihn tierisch, weil sie so auffallend auf ihn steht. Er weiß es schon lange. Aber sie lässt nicht locker, egal was er tut oder sagt. Deshalb behandelt er sie neutral. Selbst das gefällt ihr. Sie ist nicht von ihm abzubringen.

„Logisch! Wann geht ihr denn? Sollen wir zusammen hinfahren?"

Seba räuspert sich. „Ro fährt mit mir. Meine Mutter bringt uns."

Ich sehe ihm in die Augen und erkenne die stille Bitte, den Schnabel zu halten. Seba hat seinen Führerschein noch nicht, aber er ist aktuell dabei ihn zu machen. Ich bin ein Jahr zu jung dafür.

„Oh, okay. Dann lasse ich mich von meiner Mutter bringen und wir treffen uns dort, oder?"

Wir nicken beide und sofort ist es beschlossene Sache.

„Wieso hast du sie eingeladen? Sie macht mich wahnsinnig, mit ihrem Geklammere", flüstert mir Seba ins Ohr.

„Weil sie meine Freundin ist! Sie kann nichts dafür, dass sie in dich verliebt ist, Seba!", flüstere ich mit Nachdruck zurück.

Er seufzt. „Gut, aber sie soll nicht rumheulen, wenn Corinne morgen im Schwimmbad auftaucht und ich etwas versuche!"

Ich nicke und fahre dann wieder davon. Typisch Kerl. Selbst wenn Seba mein bester Freund ist, ist er ein Mann. Er hofft natürlich, Corinne morgen im Schwimmbad so knapp bekleidet wie nur möglich zu sehen. Er checkt nicht, dass sie noch immer auf ihren Ex steht und er grundsätzlich gar nicht ihr Typ ist. Corinne hat mir erzählt, auf welche Sorte Kerle sie steht und mein Freund Sebastian ist leider das absolute Gegenteil davon. Auch wenn er ein wenig diesen Bad-Boy-Touch hat, ist er doch zu nett. Eigentlich ist er sogar ziemlich süß, wenn er will. Aber das sage ich ihm natürlich nicht, sonst kommt er sich noch besser vor, als sowieso schon!

Love - Zum ersten Mal verliebt [LESEPROBE]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt