03. Albernheiten

4.8K 276 131
                                    

KAPITEL 3
Albernheiten
Samstag, 20. November 1976
▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃▃

Es war kein Geheimnis, das James Potter sich für Lily Evans interessierte. Die meisten Schüler dachten, es wäre eine Show, die er zur Belustigung abzog, andere dachten, es wäre nur eine harmlose, kindliche Schwärmerei. Vanessa aber kannte ihren besten Freund und wusste, dass er wirklich in sie verliebt war.

Wenn sie daran zurückdachte, wie sie als jüngeres Mädchen geschwärmt hatte, unterschied sich dieses Schwärmen deutlich von James Gefühlen für Lily. Im zweiten und dritten Schuljahr war sie unsterblich in Grayson Rowe verliebt gewesen, dem damaligen Ravenclaw-Vertrauensschüler, der seit ihres fünften Jahres nicht mehr auf Hogwarts ging. Soweit sie wusste, hatte er eine jüngere Schwester, die im gleichen Jahrgang wie sie ins Haus Slytherin eingeteilt wurde.

Sie hatte sich damals eine große Zukunft mit ihm ausgemalt und war in Gedanken schon mit ihm verheiratet gewesen - verrückt, wenn sie daran dachte. Doch sie wäre nie auf die Idee gekommen, ihn wirklich anzusprechen. Wie peinlich dieser offensichtliche Versuch gewesen wäre, erklärte sich von selbst, vor allem, da sie gerade einmal dreizehn und er sechzehn Jahre alt gewesen war.

James dagegen schien viel mehr als diese Art von oberflächlichen Gefühlen für Lily zu haben. Während Vanessa Grayson kaum gekannt hatte, schien er sie für die Person zu lieben, die er sehen konnte. Ihre Güte, ihr Temperament und Gewitztheit waren Eigenschaften, von denen James Vanessa nur zu gerne erzählte, aber besonders überwältigt war sie von der Verletzlichkeit, die er hinter all dem in ihr zu sehen glaubte. Er versuchte, sie zu verstehen und während Lily, und wahrscheinlich jeder andere, davon ausging, dass er ein überheblicher Idiot war, wusste Vanessa, dass er so viel mehr war.

Es hatte in der dritten Klasse angefangen, als James in Wahrsagen mit Lily in einer Gruppe war und sie sich gegenseitig in der Hand lesen sollten. Zugegeben, zu der Zeit war James wirklich ein Idiot - noch mehr als jetzt - und Lily konnte ihn nicht ausstehen, da er derjenige war, der ihren damaligen besten Freund Severus Snape demütigte. Bei ihr hatte sich an diesem Tag auch nicht viel geändert, aber James sprach seit jenem Tag nur noch von ihr.

Und auch, wenn James gerne übertrieb, wusste Vanessa, dass hinter seinen Ausführungen auch Verletztheit über ihre Abfuhren sprach. So hörte sie sich auch an diesem Tag an, was ihr bester Freund ihr zu berichten hatte, als er versucht hatte, Lily zu fragen, ob sie ihn im Dezember nach Hogwarts begleiten wollte.

„Du wirst nicht glauben, was sie gesagt hat, Vanessa!" rief James gerade voller Melancholie in der Stimme aus und war sich dabei mehr als bewusst, dass ihm mehrere Schüler in der Bibliothek zuhörten. „Sie hat erst gefragt, ob ich immer noch glaube, dass sie irgendwann zusagt und als ich natürlich Ja gesagt habe, meinte sie, das war tatsächlich der beste Witz, den sie je von mir gehört hat. Ist das zu fassen?"

„Sie werden gleich etwas ganz anderes nicht fassen können, wenn Sie weiterhin so viel Lärm machen, Mr Potter!" keifte Madam Pince, die zu dem Tisch der beiden gekommen war und ziemlich angesäuert aussah, als sie den schwarzhaarigen Gryffindor-Schüler musterte.

„Aber Madam Pince, ich musste doch meiner besten Freundin von meinem schrecklichen Liebesleben erzählen" erwiderte James und fasste sich ans Herz. Diese schnaubte jedoch nur und verengte die Augen, bevor sie wieder ging und mit Adleraugen die Bibliothek überwachte.

„Diese Frau ist gruselig" meinte Vanessa und schüttelte den Kopf. Auf James Gesicht hatte sich ein spitzbübisches Ausdruck gelegt und bei dem Anblick dieser Miene musste sie unwillkürlich lachen, wobei sie sich bemühte, nicht die Aufmerksamkeit von Madam Pince zu erregen.

✓ | Unwritten Rules ━ Sirius Black [de]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt