Am ersten September riss sie ein schrilles Fiepen aus dem unruhigen Schlaf. Sie hatte am Abend zuvor einen Weck-Zauber gewirkt, sodass die die Abreise des Portschlüssels nicht verpassen würde. Es war sogar noch ein wenig Zeit übrig, um eine Kleinigkeit zu frühstücken.
Um 3:45 nahm Hermine ihren Mantel und ihre kleine schwarze Lederhandtasche und verließ das Haus am Grimmauldplatz. Nachdem sich die verzauberte Perlenhandtasche auf ihren Reisen als derart nützlich erwiesen hatte, hatte sie an einem ruhigen Nachmittag alle ihre Taschen mit einem unaufspührbaren Ausdehnungszauber belegt.
Auf der Straße ging sie eilig in eine dunkle Gasse, die sich an den begrünten Platz anschloss, damit keine Muggel sie verschwinden sahen. Um 3:54 fing der alte Kronkorken, den sie Tags zuvor per Eule erhalten hatte, an zu vibrieren und eine ominöse Kraft hinter ihrem Bauchnabel zog sie weg von den schmutzigen Hauswänden an ihren Seiten. Als sie ihre Augen das nächste Mal öffnete, schlug ihr eine drückende Wand aus warmer, schwüler Luft entgegen. Sie stand neben einer tristen Betonmauer und spürte die intensive Nachmittagssonne auf dem Gesicht.
Als sie um die nächste Straßenecke bog, stand sie auch schon vor dem Eingang des australischen Zaubereiministeriums. Für Muggel hatte es die Gestalt einer halbfertigen Baustelle. Überall ragten noch die verrosteten Verstrebungen aus den Stahlbetonteilen. Zauberer hingegen können durch eine versteckte Tür mit dem Hinweis „Zutritt verboten" ins Innere des Gebäudes gelangen. Sie wollte jedoch nicht zum Ministerium. Ihre Eltern waren denkbar unmagisch und daher würde das Ministerium und seine Akten über die magischen Mitbürger keine Hilfe bei der Suche nach ihren Eltern sein. Einige Minuten wanderte sie in den Straßen von Sydney, bis sie weit genug von den magischen Behörden entfernt war, dass sie ein Internetcafé finden konnte. Das Ministerium setzt Störsender ein, da digitale Geräte durch den Einsatz von Magie beschädigt und gestört werden und sie somit die Geheimhaltung der magischen Welt gewährleisten wollen.
Das Internetcafé war heruntergekommen und sie war eine von nur drei Gästen. In einer dunklen Ecke des Raumes war ein bierbäuchiger Mann Mitte vierzig mit Onlinepoker beschäftigt. Auf der anderen Seite war ein Junge in ihrem Alter, der Videospiele spielte. Er entsprach genau dem vorurteilbehafteten Bild eines Nerds, der in seiner Phantasiewelt lebt und sich nur wenig Gedanken um sein äußeres Erscheinungsbild macht. Sie setzte sich an einen Platz mit dem Rücken zur Wand und schaltete den Computer an.
Hermine hatte noch nicht viel Erfahrung mit digitalen Medien sammeln können, da sie ihr bisheriges Leben in der magischen Welt verbracht hat. Nur in den Ferien bei ihren Eltern hatte sie gelernt, wie man mit Computern und Handys umgeht. Nach einigen Versuchen einen Browser zu bedienen und mit der unerschöpflichen Geduld ihres Vaters hatte sie schließlich den Dreh raus. Und nun konnte sie sich ganz gut zurechtfinden. Auch wenn sie mit den Muggeln in ihrem Alter in keinster Weise mithalten konnte, war sie Ron und Harry auf diesem Gebiet weit überlegen. Ron hatte noch nicht einmal die Ahnung, dass es eine Erfindung wie das Internet überhaupt gab. Hermine hatte sogar ein einfaches Smartphone, was sie vor zwei Jahren auf Drängen ihrer besorgten Mutter angenommen hatte und nun immer in der Handtasche bei sich trug. Auch wenn Hermine der Meinung war, dass sie mit Hilfe von Magie auf sich selbst aufpassen konnte, hatte ihre Mutter zu ihrem 16. Geburtstag darauf bestanden, dass sie auf ihrem Handy erreichbar war, wenn sie in den Ferien allein unterwegs war. Es war ein gutes Stück Überzeugungskunst vonnöten gewesen, um ihrer Mutter zu zeigen, dass sie in Hogwarts das Handy nicht anschalten konnte, da es gegen die Hausregeln verstieß und das Gerät, soweit außerhalb von allen Handynetzen, keinen Empfang haben würde.
Die einzige Möglichkeit, die ihr eingefallen war, um ihre Eltern zu finden, war im Telefonbuch nachzusehen, ob es Wendel und Monika Wilkins gab. Sie fand nur einen W. Wilkins. W. Wilkins lebte in einem kleinen Haus in der Nähe vom Strand. Also schrieb sie sich die Adresse auf einen Zettel und machte sich auf den Weg zur nächsten Metro-Station. Die Adresse lag nicht weit entfernt in einem kleinen Vorort von Sydney. Eine Stunde später war sie an der Endstation der U-Bahnlinie angelangt und stellte sich an die anliegende Bushaltestelle. Sie hatte Glück und ihr Bus kam in 10 Minuten. Im Bus sprach sie eine winzige, alte Dame mit verschrumpelter Haut an: „Ist neben Ihnen noch frei, junges Fräulein?". Sie setzte sich, ohne eine Antwort abzuwarten, neben sie und fing sofort an zu stricken, sobald der Bus angefahren war. Hermine fragte: „Sind Sie auch aus England? Ihr Akzent hört sich so vertraut an." Als hätte sie den Korken aus einer Sektflasche gezogen, fing die alte Dame an zu reden. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, begleitet vom regelmäßigen Klackern ihrer Stricknadeln. Sie komme ursprünglich aus Canterbury an der Ostküste von England, doch ist nach dem Krieg zu ihrer Tante Phryne nach Australien gekommen, da ihr Ehemann im Krieg gefallen ist. Nun lebe sie in dem Haus, welches sie von ihrer Tante, nach deren Tod geerbt hat, auf dem Land. Sie war nur in der Stadt, um Besorgungen zu machen und sei jetzt wieder auf dem Rückweg dorthin. „Es ist erstaunlich, dass ich Sie treffe. Es kommen in letzter Zeit immer mehr Besucher aus England." Sie kenne jetzt schon zwei Pärchen, die aus England kommen und sich jetzt hier niedergelassen haben. „Was treibt Sie denn hierher in den Süden?" „Ich möchte Verwandte besuchen", erwiderte Hermine ausweichend. Ihr war das Thema unangenehm und sie war müde von der langen Reise. Das gleichmäßige Klicken neben ihr gab ihr den Rest und ihre Augenlider fielen zu. Eine Weile später erwachte sie jäh, da die Dame neben ihr das Strickzeug wegpackte und das monotone Geräusch aufhörte. „Ich wollte Sie nicht wecken, doch ich muss hier raus, um den Zug nach Goulburn noch zu erreichen. Eine gute Reise wünsche ich Ihnen noch." „Vielen Dank, kommen sie gut nach Hause.", konnte Hermine gerade noch verschlafen erwidern, bevor sie mit Schrecken feststellte, dass sie beinahe ihr Ziel verpasst hatte und an der nächsten Haltestelle ebenfalls aussteigen musste.
Als sich die Bustüren hinter ihr schlossen, ging gerade die Sonne am Horizont unter. Sie war schon lange unterwegs, doch konnte sie noch keine Pause einlegen. Sie musste unbedingt wissen, ob sie ihre Eltern gefunden hatte. Nach einem kurzen Fußmarsch gelangte sie an ein kleines Haus, welches zur hälfte auf Stelzen ins Meer gebaut wurde. Ein hölzerner Steg führte aufs Meer hinaus und daran war ein einfaches Motorboot vertäut. Sie klopfte an die Tür und hörte Schritte im Inneren, die auf sie zukamen.
Mit diesem fiesen Cliffhanger beende ich dieses Kapitel. Vielen Dank für alle fleißigen Leser. Ich freue mich über jeden Kommentar, ob es nun konstruktive Kritik oder einfach eure Gedanken zu meinem Text sind. Ich weiß, dass es eine Weile her ist, dass ich das letzte Mal ein Kapitel hochgeladen habe, doch das Geheimnis, wer Hermine die Tür aufmacht, werde ich recht bald auflösen.
Viele Grüße eure Watson Hermione.

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Lernen ein Leben lang
FanfictionHermione Granger ist ein Genie. Das steht außer Frage, doch was stellt sie in der heulenden Hütte mit ihrem niederträchtigen Zaubertrankprofessor Severus Snape an, nachdem dieser von Nagini angegriffen wurde? Omg # 4 in herminegranger (04.08.19) #...