║zwei║

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"I can't live in a fairytale of lies

And I can't hide from the feeling 'cause it's right."

Es fühlte sich so surreal an. Als wäre alles ein Traum, der in Erfüllung gegangen war.

Das orangegelbe Blinken unterbrach das Zusammentreffen und nur die Anwesenheit der Rektorin verleitete alle Schüler dazu sich auf den Weg zum Unterricht zu machen.

Der Biologieraum war noch leer, als Lyra ihn zusammen mit ihren Freunden und dem restlichen Kurs, betrat. An der Tafel standen noch die Hausaufgaben der letzten Unterrichtsstunde. Sie erkannte die Schrift ihres alten Lehrers und musste sofort lächeln.

Kaum zu glauben, dass sie selbst den alten verpeilten Biologen vermisst hatte, bei dem man meistens das Gefühl hatte, er würde mit einer Wand reden.

Sie setzte sich auf den Platz, auf dem sie schon früher immer gesessen hatte und es kam ihr so vor, als wäre sie nie fort gewesen. Es war eine schöne Illusion, die ihr allerdings geraubt wurde, als sie sich daran erinnerte, dass das ganze Drama an einem Mittwoch vor etwa anderthalb Jahren in genau dieser Stunde begonnen hatte.

Verzweifelt versuchte sie den Gedanken beiseite zu schieben, doch es war sinnlos. Sie brauchte sich keine Märchen zusammendichten. Im Endeffekt belog sie sowieso nur sich selbst. Diesem Gefühl konnte sie einfach nicht entrinnen. Denn sie war Schuld.

Sofort war ihre gute Laune wie weggeblasen. Die Kopfschmerzen kamen wieder. Es fühlte sich so an, als würde man von innen dagegen drücken, als würden die Erinnerungen sich gegen ihre Schädeldecke schmeißen, um endlich hinauskommen zu können.

Doch sie blieben eingesperrt und die Schmerzen auch.

"Lyra? Was ist los?", fragte Vana und legte einen Arm um die Schulter ihrer besten Freundin. "Kopfschmerzen.", murmelte sie nur und versuchte ein Lächeln hervorzubringen. Abwesend suchte sie in ihrer Tasche nach den Tabletten, die sich erst gestern in der Apotheke gekauft hatte.

"Vielleicht solltest du wieder nach Hause gehen."

Sie hatte kein zu Hause mehr.

"Überanstrenge dich nicht. Morgen ist auch noch ein Tag." Kopfschüttelnd richtete sie sich auf und seufzte. "Es ist schon okay. Wenn die Wirkung einsetzt wird alles wieder gut."

Mr Hagen betrat das Klassenzimmer, fünf Minuten zu spät, wie üblich. Der dunkelgrüne Pulli passte nicht zu dem babyblau - weißen Hemdkragen, der herausschaute und auch die schwarze Hose war so ausgeblichen, dass jeder normale Mensch sie nicht mehr tragen würde.

Die Runde Brille saß ein Stück zu tief auf seiner Nase, die wenigen weißen Haare, die ihm geblieben waren, hatte er sorgfältig zurückgekemmt und unter seinem Arm klemmte eine braune Aktentasche, die ihre besten Jahre wohl schon vor Lyras Geburt hinter sich gehabt hatte.

"Guten Morgen.", nuschelte er unmotiviert, wie kein Schüler in seinem Unterricht und ließ seinen Blick desinteressiert durch die Klasse schweifen. Sofort blieb er an ihr hängen. "Miss Black." Sie meinte etwas, wie ein Lächeln auf seinem Gesicht erkennen zu können.

"Es freut mich Sie wiederzusehen. Wie geht es Ihnen?" Er stand nun vor ihr und musterte sie, um sicherzugehen, dass sie tatsächlich auf dem Stuhl saß, der bei jeder Bewegung leicht quietschte. "Den Umständen entsprechend.", erklärte Lyra und zuckte mit Schultern.

Das reichte Mr Hagen und er begann mit seinem uninteressanten Unterricht, dem sowieso niemand folgte und war erleichtert, als die Stunde endlich vorbei war.

Zayn, der erst seit Anfang dieses Halbjahres auf der Schule war, lief verwirrt durch den leeren Gang. Seit wann waren denn alle pünktlich im Unterricht? Eine beunruhigende Stille hing zwischen den Wänden an denen sich graue Schließfächer aneinanderreihten.

Mittlerweile hatte er mitbekommen, dass ein Mädchen heute morgen die ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Jedoch wollte ihm niemand sagen, wer sie war oder warum sich alle so verhielten, wie sie es taten.

Anscheinend hatte sie die Schule vor etwa anderthalb Jahren verlassen und war nun wieder zurück, doch das war ja nicht gerade unüblich. Viele machten zwischen der zehnten und zwölften Klasse ein Auslandsjahr oder ähnliches, jedoch hatte er das Gefühl, dass das nicht der Grund für ihre Abwesenheit gewesen war.

Er war viel zu spät, die zweite Stunde lief schon seit zehn Minuten, doch es kümmerte ihn recht wenig. Normalerweise war er pünktlich. Naja, meistens.

Seufzend öffnete er die Tür. Seltsam. Für gewöhnlich war es unangenehm laut, wenn er hereinkam, doch gerade war es so leise, dass er seine eigenen Schritte auf dem Linoleumboden hören konnte. Eine Stimme, sanft und warm, drang zu ihm durch und er wendete sich dem Mädchen zu, von dem sie ausging.

Sie saß auf dem Platz. Schon seit er vor etwa vier Monaten hier hergekommen war, hatten Schüler diesen Stuhl stets vermieden. Als würde man etwas Schrecklich tun, wagte man es darauf Platz zu nehmen.

Doch sie saß dort, als würde sie dort hingehören und niemanden schien es zu kümmern. Jeder hing gebannt an ihren Lippen, eine Stimmung, die er so noch nie mitbekommen hatte, erfüllte die Klasse und es war eine ausgesprochen gute.

"Entschuldigt meine Verspätung.", unterbrach Zayn einen Schüler, der dem neuen Mädchen eine Frage stellte. Augenblicklich verstummten sie, sahen aber weiterhin zu ihr.

"Das Schuljahr hat vor einigen Monaten begonnen? Ich wüsste nicht, dass Sie eine meiner Schülerinnen sind.", meinte er und richtete sich dabei an Lyra. Diese lächelte ihn an und räusperte sich.

"Verzeihung. Ich bin früher zurückgekommen, als es geplant war und hatte bisher noch keine Möglichkeit mich anzukündigen. Meine Name ist Lyra Black."

Skeptisch schüttelte er ihre Hand, die ein wenig kälter war, als seine. "Weiß die Schulleitung Bescheid? Sagen Sie... wie haben Sie es sich überhaupt vorgestellt? Sie haben Unmengen an Stoff versäumt!"

Erneut lächelte sie. "Ja, Mrs Kress ist bereits bezüglich meiner Rückkehr, informiert. Ich schätze sie hatte noch keine Gelegenheit Ihnen dies mitzuteilen. Und was den Stoff angeht: Seien Sie unbesorgt, ich bin bestens vorbereitet für die Arbeit, die nächste Woche ansteht."

Nun war komplett er raus. Woher hatte sie die ganzen Materialien? Er hatte keine Kopien doppelt an jemanden ausgegeben oder etwas weitergeschickt. Niemand hatte Lyra auch nur mit einem Wort erwähnt und es kam ihm unwahrscheinlich vor, dass sie wusste, was hier überhaupt vorging.

"Was behandeln wir denn gerade?", fragte er herausfordernd. "Soweit ich weiß geht es um Stellungnahmen. Wie man sie richtig schreibt, wie man sie aufbaut, das ganze eben. Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege."

Unschlüssig, ob er beeindruckt oder angepisst sein sollte, schüttelte er den Kopf. "Nein, sieht so aus, als wären Sie bestens informiert."

Er drehte sich auf dem Absatz um und stellte sich hinter das Lehrerpult. Wie gewöhnlich begann er seinen Unterricht, so, wie er ihn vorbereitet hatte. Stellte Fragen. Die üblichen paar Schüler meldeten sich, doch sobald Lyras Hand sich hob, gingen auch alle anderen Arme noch oben. Eine derartige Beteiligung hatte er noch nie erlebt.

Zum Ende der Stunde durften sie mit den Hausaufgaben anfangen, Stillarbeit.

Sofort trat Schweigen ein. Eine eher ungewöhnliche Situation. Normalerweise musste er mehrmals um Ruhe bitten, damit endlich still wurde, jedoch blieb das aus.

Kopfschüttelnd setzte er sich hinter das dunkelbraune Pult und sah sich Lyra genauer an.

Was war an ihr so besonders?


I know. Die Verwirrung ist vermutlich nicht wirklich weg, allerdings ist das auch so gewollt.

Wenn es jemand nicht verstanden haben sollte: Jep, Zayn ist Lehrer. Ich habe es aber mit Absicht nicht hingeschrieben, damit die Geschichte nicht als Teacher - Story abgestempelt wird, das ist nämlich der Fokus des Geschehens!


Btw, ich freue mich sehr über die bisherige Rückmeldung, ihr zaubert mir immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht :)

Außerdem ein Bild von Evanna, verkörpert von Emily Osment...

Klippenspringen ║Zayn MalikWo Geschichten leben. Entdecke jetzt