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Mein Kopf ist schwer wie Blei und ich versuche meine Kotze zu unterdrücken. Ich wache in einem kleinen Zimmer auf. An dem Fenster ist ein Gitter angebracht und außer einem Bett und einem Schreibtisch plus Stuhl ist hier auch nichts. Ich habe ein blass grünen Kittel an, unter dem ich noch meine Schlafhose und meinen BH trage. Gottseidank. Ich weiß noch, als ich im Krankenhaus nur mit dem Kittel aufgewacht bin. Der Gedanke, dass mich die Schwestern nackt gesehen habe, setzt mir mehr zu als der Fakt, dass mein Selbstmordversuch gescheitert ist. Ich laufe auf die schwer wirkenden Metalltür zu, die ein kleines Fenster in der Mitte trägt. Die Tür lässt sich nicht öffnen. Ich versuche es nochmal, vielleicht habe ich einfach nicht fest genug dran gezogen. Aber nichts. Langsam werde ich unruhig. Ich zerre an der Tür und werfe mich gegen sie, was eine ziemlich blöde Idee ist, da mir jetzt die Schulter weh tut. Ich beginne an der Tür zu klopfen und gegen sie zu treten, woraufhin ein Mann am Fenster erscheint.
„Hey Charlie, du bist ja endlich wach. Wie geht es dir", der Ü-fünfzig Typ lächelt mich mit seinen vergelbten Zähne an.
„Lasse sich mich raus.", sage ich trocken. Aber das werden sie natürlich nicht. Ich weiß ja, warum sie mich eingesperrt haben.
„Ich sage dem Doktor Bescheid, dass du wach bist. Dann kannst du raus.", er lächelt mich noch einmal an und verschwindet.

Ich liege kopfüber auf dem Bett und lasse das Blut in meinen Kopf fließen. Ich habe keine Lust hier zu sein. Ich bin unglaublich sauer auf meine Mutter. Wie kann sie mich einfach weg sperren lassen. Aber hier kriegt er mich wenigstens nicht. Hier kann er mir nicht weh tuen.

Der Mann von vorhin begleitet mich einen langen Flur entlang. Links und recht sind Metalltüren, wie in dem Zimmer in dem ich bin. An einer großen Holztür bleiben wir stehen. Der Mann klopf und öffnet direkt darauf die Tür. Er wartet noch bis ich drin bin und schließt die Tür von außen.
„Du musst Charlie sein. Ich bin Doktor Taler. Ich bin der Psychologe, dieser Station.", ein attraktiver Mann, Anfang dreißig vielleicht, lächelt mir zu. Ich nicke und er deutet auf den Stuhl vor sich. Als ich mich hinsetze sehe ich mich einmal im lichtüberfluteten Büro um. Dieses ist viel angenehme als das von Doktor Schmidt. Die Wände sich weiß und statt Motivationssprüchen hängen Bilder von alten Gebäuden an der Wand. Sein Tisch ist aus Buche und sein weinroter Lederstuhl sieht aus wie neu.
„Wie geht es dir?", er sieht mich durch seine große Runde Brille an und eine seiner blonden Strähne fällt ihm ins Gesicht. Ich versuche mich zusammen zu reißen, ihn nicht anzustarren.
„Ich habe Kopfschmerzen.", ich fange an meine Finger zu zählen, damit ich mich auf was anderes konzentrieren kann, als auf ihn.
„Ja, das tut mir leid. Wir mussten dich ruhig stellen. Du warst sehr aggressiv. Passiert dir sowas öfter?"
„Ab und zu.", ich zucke mit meinen Schulter und merke das meine Schulter immer noch weh tut, nach meinem Versuch eine Metalltür aufzubrechen. Wenn ich jetzt genauer darüber nachdenke komme ich mir echt dämlich vor.
„Deine Mutter hat erzählt, kurz bevor sie dich hier hin gefahren hat, hattest du auch eine ähnlichen Anfall?"
„Das war kein Anfall!", gebe ich trotzig zurück. Ich hasse es, wenn man mit mir umgeht als wäre ich krank oder verrückt.
„Was war es denn?", Doktor Taler hat keinen ollen Block auf dem er sich Sachen notiert, so wie Doktor Schmidt. Er hat ein Aufnahmegerät, was mich nicht so nervös macht wie das Kratzen eines Bleistiftes.
„Ich brauchte Hilfe. Aber meine Mutter wollte mir nicht helfen. Mal wieder nicht.", ich merke wie mir schon wieder die Tränen in die Augen schießen.
„Glaubst du nicht, dass das hier die Hilfe ist, die du brauchst?"
Ich werde immer wütender. Ich kann mir das nicht mehr anhören!
„Nein! Ich muss zur Polizei! Ich werde gestalkt!"
Doktor Taler nimmt seine Brille ab und legt sie vor sich. Ohne sieht er sogar noch besser aus.
„Von wem wirst du gestalkt?"
Ich mag es nicht, wenn sie mich Sachen fragen, worauf sie die Antwort schon wissen. Ich erkenne meine Krankenakte wieder, die bei ihm auf dem Tisch liegt. Aber diskutieren ist mit diesen Menschen zwecklos.
„Von meinem alten Deutschlehrer. Seit drei Jahren verfolgt er mich und droht mir.", meine Tränen fließen nun, aber ich verziehe keine Miene.
„Und gestern Nacht war er auch wieder bei dir? Oder wie darf ich mir das vorstellen? Hat er dich da auch bedroht?"
Ich schüttle den Kopf.
„Nein. Nein, er hat mir nicht gedroht. Er steht meistens vor meinem Fenster. Er spricht nicht mit mir. Aber ab und zu legt er  Briefe auf meine Fensterbank, in denen er mir droht. Er sagt er will mich umbringen oder mich entführen." ich versuche stark zu sein. Ich habe seit drei Jahre massive Angst vor diesem Mann. Ich habe Angst, dass er mich eines Tages mitnimmt und mich unbringt. Ich gehe deshalb seit zwei Jahren unregelmäßig zur Schule und verlasse ohne meine Mutter die Wohnung nicht.
„Sind das die Briefe von denen du sprichst?", Doktor Taler wedelt an die sechs Briefumschläge in seiner Hand hin und her. Ich nicke.
„Und du sagst die sind von deinem alten Deutschlehrer? Herr Meier, stimmt's?"
Ich nicke nur. Ich weiß was jetzt kommt. Ich habe diese Sachen schon zigmal durch. Einmal dachte ich wirklich, sie würden mir glauben, aber das war nur eine neumodische Therapiemethode.
„Charlie, Herr Meier ist vor drei Jahren in die Schweiz gezogen. Er bräuchte acht Stunden bis er bei dir wäre."
Ich schüttle meinen Kopf stark und kann nicht aufhören.
„Nein. Nein! Das stimmt nicht, er verfolgt mich! Bitte! Glauben sie mir. Er legt mir diese Briefe auf die Fensterbank! Er will mich töten."
Doktor Taler lässt einen tiefen Atmer aus seinem Mund.
„Die Briefe sind von dir. Jeder einzelne ist in deiner Handschrift geschrieben."
„Er war mein Deutschlehrer für vier Jahre! Er hat sie gelernt! Er will mich in den Wahnsinn treiben!", ich schreie Doktor Taler die Worte ins Gesicht, was ihn sichtlich unbeeindruckt lässt.
„Die Wahrheit ist, Charlie,", er lehnt sich auf seinen Sessel zurück und setzt sich seine Brille wieder auf „du hast in den letzten Jahren eine starke Schizophrenie entwickelt. Du bist krank und das musst du begreifen. Dir will hier niemand was böses. Wie alle sind um dein Wohlergehen besorgt. Insbesondere deine Mutter. Du wirst hier therapiert, bis dir klar wird, dass du krank bist."
Ich weine und schreie, innerlich. Am liebsten würde ich auf den Doktor losgehen, aber ich will nicht noch einmal ruhig gestellt werden.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 01, 2019 ⏰

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