Ben
Hätte ich gewusst, was mich außerhalb des Zeltes erwarten würde, hätte ich es ganz bestimmt nicht verlassen. Kaum waren wir durch den Ausgang geklettert, traf mich auch schon der böse Blick meines Bruders. Er sagte mehr aus, als er mit Worten hätte ausdrücken können. Auch Abs war der Ausdruck offenbar aufgefallen. Sichtlich angespannt stand sie neben mir und kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. Mein Blick verweilte ein paar Sekunden zu lange dort, was Matt mir durch sein lautes Räuspern verdeutlichte. Auf der Stelle drehte ich meinen Kopf in seine Richtung. Finsterer als zuvor erwiderte er meinen Blick. Ein Gefühl von Schuld machte sich in mir breit. Es war offensichtlich, dass Matt irgendwas wusste und es ihm nicht gefiel, dafür musste man weder Hellseher noch sonderlich gut mit ihm befreundet sein.
»Du ...«, sagte er aufgebracht. »Du bist hiermit offiziell ausgeladen von meiner Hochzeit«, teilte er mir lauter mit als es notwendig gewesen wäre.
»Matt«, fing ich an und wollte ihn beruhigen. Egal, was er gerade dachte, wir mussten versuchen darüber in Ruhe zu sprechen. Es brachte nichts, wenn wir uns anfingen anzuschreien. Zumal ich nur erahnen konnte, was ihm die Laune verhagelt hatte.
»Komm mir nicht so«, warnte Matt mich und kam ein paar Schritte auf mich zu. »Du hast mir dein Versprechen gegeben und was muss ich dann sehen? Du knutschst mit Abi im See rum. Dir ist wirklich nichts heilig, oder?« Jetzt wurde mir einiges klar. Er hatte nicht einfach nur eine Ahnung, er hatte uns gesehen. Verdammt, so sollte mein Bruder definitiv nicht erfahren, dass Abs und ich uns nähergekommen waren.
»Können wir bitte in Ruhe darüber reden?«, bat ich ihn und ging ebenfalls einen Schritt auf ihn zu. »Ich kann dir das alles erklären.«
»Ja, genau und sicherlich war es auch nicht so, wie es aussah, sondern bloß eine Fata Morgana.« Sein Unterton war schnippisch. Seine Stirn lag in Falten und wenn Blicke töten könnten, würde ich auf der Stelle umkippen.
»Nein, es war genauso, wie es aussah. Ich habe Abs geküsst und ich werde es wieder tun.« Vermutlich war es nicht der schlauste Weg so ehrlich zu ihm zu sein, aber ich wollte auch nichts herunterspielen, jetzt wo die Katze aus dem Sack war. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung war. Abs hatte ebenfalls einen Schritt nach vorne gemacht und war neben mich getreten.
»Vielleicht sollten wir erst einmal alle zusammen frühstücken und dann in Ruhe über alles reden«, schlug sie vor und ich hoffte, dass mein Bruder diesem Vorschlag zustimmen würde. So schnell, wie sich die Hoffnung in mir allerdings breit gemacht hatte, verpuffte sie auch wieder als mein Blick hinter Matt fiel. Sein Zelt war bereits abgebaut und auch Henrys stand nicht mehr an seinem Platz. Dafür lagen ihre Sachen schön verpackt in Matts Kofferraum, welcher immer noch offenstand. Er war also nur solange geblieben, um mir mitzuteilen, dass ich es verkackt hatte. Meine Schultern sackten herab, als mir bewusstwurde, dass er sich meine Seite nicht anhören würde.
»Henry und ich fahren, sobald er vom See wieder da ist«, verkündete er und wendete sich von uns ab. Ohne ein weiteres Wort schloss er den Kofferraum und setzte sich in seinen Wagen. Damit war das Gespräch wohl offiziell beendet. Aufmunternd legte Abs eine Hand auf meinen Oberarm, löste dabei aber keine Sekunde ihren Blick von Matts Auto.
»Er kann verdammt stur sein«, erinnerte sie mich mit leiser Stimme und obwohl der Drang in mir größer wurde, sie an mich zu ziehen, ließ ich es bleiben. Ich wollte nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Es brannte momentan schon hoch genug und ich hatte beim besten Willen keinen Plan, wie ich es löschen sollte. »Das wird wieder werden. Er wird sich irgendwann beruhigen.«
»Ist er immer noch sauer?«, erklang Henrys Stimme hinter uns. Wir drehten uns zu ihm um. In seiner Hand hielt er einen kleinen Stein, der in meinen Augen ziemlich normal aussah. Er jedoch betrachtete ihn, als sei er etwas Besonders, nachdem er Abs und meinem Blick gefolgt war. »Meine Freundin sammelt Steine und ich dachte, ich bringe ihr einen von hier mit«, erklärte er mit einem leichten Grinsen im Gesicht, dann ging er an uns vorbei auf das Auto zu und ließ seine Frage offen im Wald stehen. Wir kannten alle sowieso die Antwort, dementsprechend war es vollkommen unnötig sie zu beantworten. Ein letztes Mal drehte er sich in unsere Richtung und sah erst Abs und dann mich an. »Ich werde mal versuchen mit ihm zu reden«, versprach Henry ehe er die letzten Schritte zu Matt hinüberging und sich neben ihn auf den Beifahrersatz gleiten ließ. Lange blickte ich dem Auto hinterher, bis ich die Rücklichter nicht mehr erkennen konnte.
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Every little Peace of Love
ContoAbigail Lowe und Benjamin Cunningham kennen sich bereits ihr ganzes Leben lang. Schon seit Jahren spüren beide, dass etwas zwischen ihnen ist, aber keiner traut sich den ersten Schritt zu machen. Doch dann kehrt Abigail von Los Angeles zurück in die...