Lloyd hatte das kleine Mädchen, dass die Sonnenschwester ihm vor drei Jahren in die Arme gedrückt hatte, vom ersten Moment an geliebt. Wie es sein Recht war, hatte er sie angenommen und ihren Namen in den Wind gebrüllt. Bronwyn.
Elyns Ablehnung der kleinen Schwester gegenüber hatte er zunächst als bloße Eifersucht abgetan, doch Rianas Gesichtsausdruck, als sie die Höhle verließ, schockierte ihn. Etwas stimmte nicht.
Dabei war es nicht so, dass Riana ihre Pflichten vernachlässigt hätte. Sie sorgte vorbildlich für den hilflosen Säugling. Sie stillte das Mädchen, wenn es hungrig war, wickelte es, wenn es notwendig wurde und kontrollierte in den ersten Wochen die Schlafgewohnheiten. Bronwyn war ein vorbildliches Kind – sie schrie nicht, sondern meldete sich nur, wenn ein Bedürfnis sie plagte.
Riana und er könnten schnell wieder das Bett miteinander teilen, doch er bemerkte, dass etwas zwischen ihnen zu stehen schien. Eine Art unsichtbare Anklage. Riana schien nicht zu verstehen, dass ihm das Aussehen ihrer jüngsten Tochter weit weniger beunruhigte als sie. War es ungewöhnlich, dass Mädchen eine dunklere Hautfarbe als ihre Väter erhielten? Ja. Das sie nicht aus blauen Augen in die Welt blickten? Ja. Machte es ihm Angst? Ja.
Aber nichts davon verhinderte das Gefühl der Zuneigung, dass er immer verspürte, wenn er Bronwyns dunkelbraunen Haarschopf sah. Seine Haarfarbe. Sein Grübchen, dass sich immer zeigte, wenn sie lächelte. So kam es, das er sie sich in den ersten beiden Jahren umschnallte, wenn er zu den Pegasi ging, um ihre Hufe, Flügel und Zähne zu kontrollieren. Auch in die Schmieden nahm er sie mit und sie schaute ihm aufmerksam über die Schulter, wenn er die Hufeisen anfertigte. Nichts schien ihr Angst zu machen, wenn er bei ihr war.
Je mehr sich Riana auf Elyn konzentrierte, desto mehr versuchte er bei seiner Jüngsten, dass Desinteresse der Mutter auszugleichen. Doch es waren nicht nur diese beiden, die Bronwyn mieden. Auch ihre Familie distanzierte sich. Wechselte man sich normalerweise bei der Kinderbetreuung ab, wenn sie den Herden auf die Sommer—oder Winterweide folgten, so überließ man das stille Mädchen ihm. Wie ein Aussätziger folgte er den anderen, mit der schlafenden Bronwyn im Trageranzen. Manchmal fragte er sich, ob man sie nicht schon beim ersten Wechsel zurückgelassen hätte, wenn er nicht gewesen wäre. Doch mittlerweile war sie dem Gestell entwachsen. Sie entwickelte sich großartig.Die Doppelsonne schien hell auf den Pfad vor ihm und malte Schattenbilder auf den Bergpfad. Die Frühlingsluft war frisch und schwer vom Duft der Blumen, die am Wegesrand wuchsen. Es waren drei harte Jahre gewesen. Traurig schüttelte er den Kopf, um die trüben Gedanken zu verscheuchen. Sie näherten sich langsam dem Sommerpass und Bronwyn ritt auf Steppentänzer neben ihm. Der Hengst war eigentlich viel zu groß für ein Kleinkind, doch die beidem verstanden sich gut und so merkwürdig es auch war, Steppentänzer hatte auf diesen Ritt bestanden.
Bereits am frühen Morgen war er vor ihrem Haus aufgetaucht und auf sie gewartet. Bronwyn zumindest schien nicht überrascht gewesen zu sein, aber das war sie selten. Er runzelte die Stirn. Eigentlich war sie es nie.
Riana und er hatten die letzten Tücher über die Möbel gebreitet während Elyn draußen gewartet hatte. Gerade,als sie ihre Arbeit beendet hatten, wurden sie durch einen Tumult hinaus gerufen. Dort hatte sich Elyn den Arm gerieben, an dem deutlich die Abdrücke von Pegasuszähnen zu sehen waren, aber keinen Ton dazu gesagt. Riana hatte ihm einen wütenden Blick zugeworfen, als ob es seine Schuld gewesen wäre, und war dann mit Elyn und ihrem Packen zu den anderen Müttern geeilt.
Für einen kurzen Moment genoss Lloyd den Blick ins Tal. Die Weite der Steppe leuchtete wie ein endloses Meer zu ihnen hinauf. Die Sonnen schienen dort unten wesentlich heißer, so dass sich die Gräser bereits anfingen, zu verfärben.
DU LIEST GERADE
Das Wunschkind - Eine Göttermeer-Geschichte
Fantasy„Du weißt, was ich bin?" „Natürlich. Du bist das Kind, auf das ich gewartet habe. Die Tochter, die ich mir gewünscht hätte." Bronwyn ist anders - selbst ihre Eltern erkennen es bereits am Tag ihrer Geburt. Mit jedem Jahr, das vergeht, wird dieser...