4.

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Lian's P.o.V

Immer wieder spreche ich sie an. Ich verzweifele langsam und kann an nichts anderes mehr denken, als an meine Mate und ihre schöne Stimme.

Ich habe das Gefühl sie nicht zu erreichen. Keinen Teil von ihr. Und das nimmt mir langsam die Hoffnung. Der Mate-Link besteht, aber irgendwie funktioniert er nicht.
Ich verzweifle mal wieder und rolle mich auf meinem Bett zusammen. Ich sehne mich so sehr danach, dass sie mich annimmt. So sehr nach ihrer Nähe.

Hallo?, frage ich sie zum hundersten Mal verzweifelt. Und dieses Mal spüre ich etwas. Eine Regung. Erfreut über dieses minimale Zeichen setzte ich mich auf und warte.
Ich schöpfe neue Hoffnung und spreche weiter.
Es wäre schön, wenn du antwortest, will ich sie dazu anregen, mit mir zu sprechen. Ich möchte wissen ob die Nachrichten bei ihr ankommen. Ich möchte wissen, ob sie weiß, dass es mich gibt.
Aber ich bekomme keine Antwort. Enttäuscht schmeiße ich mich wieder aufs Bett.
Ich werde sie schon noch finden, denke ich mir. Ich werde sie finden, versichere ich mir nochmal.
Denn ich bin bald ein mächtiger Alpha und ich werde sie zu mir holen können. Sie wird es wollen. Und wenn nicht?, frage ich mich selbst. Aber das wird nicht passieren, immerhin sind wir Mates. Sie wird mich mögen, so muss es einfach sein.
Aber trotzdem bleibt eine Unsicherheit zurück. Denn ich weiß, dass ich ihr niemals schaden kann. Will sie nicht zu mir , werde ich sie nicht zwingen. Dennoch könnte ich nicht ohne sie. Ich würde zerbrechen.
Ich bin erschöpft von den vielen wachen Nächten, aber ich stehe auf, um mich um die Rudelangelegenheiten zu kümmern. Mein Vater kann es momentan nicht mehr, da er zu viel mit seiner Krankheit zu kämpfen hat, da werde ich ihm immerhin diese Last abnehmen.
Es ist nervig, aber es muss nunmal sein. Ich schreibe mit den anderen Alphas, um den Frieden aufrechtzuerhalten und kümmere mich anschließend um unsere Grenzen.
Es ist anstrengend und nervenauftreiben, vor allem, da ich mich kaum konzentrieren kann. Immer wieder prüfe ich die Verbindung zu meiner Mate. Wie sie wohl heißt?
Als ich mich endlich wieder nach dem Abendessen, das ich heute in Wolfgestalt gegessen habe, in mein Zimmer komme, spüre ich Trauer. Ich verkrampfe mich. Das Gefühl kommt nicht von mir. Ich gehe dem nach und stoße auf den Mate-Link. Anscheinend kommt die Trauer von meiner Mate.
Ist ihr etwas passiert? Ich muss sie doch beschützen! Ich werde unruhig und frage sie schließlich.
Alles gut?
Ich erwarte wieder keine Antwort, wie schon so oft. Aber dann schreit sie in meinen Kopf.
Geh einfach weg und lass mich verdammt noch mal allein!
Ich schlucke. Meint sie das ernst? Lehnt sie mich ab? Ich knurre und beginne zu antworten.

Aber du bist traurig. Ich möchte dich trösten.

Du kannst mich nicht trösten! Verschwinde!

Ich zucke kurz zusammen. Dann richte ich mich wieder auf und antworte ihr wieder,  gegen ihren Willen. Anscheinend ist sie wirklich ein Mensch, denn sonst würde sie nicht sagen, dass ich gehen soll. Ich bin ja nicht mal bei ihr.
Ich stellte mir vor wie ich sie schützend umarme und sende ihr diese Empfindung zu.
Ich höre sie aufschluchzen.
Dann bekomme ich keine Antwort mehr. Auch auf mein mehrmaliges Nachfragen hin nicht.
Ich beschließe es für heute bleiben zu lassen. Sie hat mit mir geredet und ich konnte sie trösten. Dass sie mich nicht wollte, schiebe ich auf ihre Trauer.

Pia's P.oV.

Ich darf das Krankenhaus verlassen, bekomme ich von der Ärztin mitgeteilt. Alle meine Werte sind hervorragend. Aber das tröstet mich nur wenig.
Am liebsten wäre ich auch tot . Was soll ich noch hier? Es gibt keinen lebenden Familienteil mehr von mir. Niemand der sich noch um mich kümmert.
Die Tante vom Jugendamt wird gleich hereinkommen und meine Zukunft mit mir besprechen. Dann wird die Polizei kommen und eine Zeugenaussage machen. Und anschließend muss ich alle Sachen zusammenpacken. Aber nicht hier im Krankenhaus, nein. Ich muss mein Zuhaus verlassen, ich werde in ein Jugendheim kommen. Ich werde dort die nächsten zwei Jahre meines Lebens schlafen müssen. Denn länger werde ich da nicht bleiben. Ich nehme mir fest vor jeden ganzen Tag weg zu sein und nur in der Nacht dort zu sein.
Ich bin wütend auf das Schicksal!
Ich möchte mein Zuhause nicht verlassen und zwei Jahre ins Jungendheim kommen!
Denn dort wird ich keiner adoptieren. Es heißt Jugendheim, da die Verwaisten dort älter sind und sie keiner adoptieren wird.
Die meisten möchten ihr Kind selber prägen und das ist in meinem Fall schon passiert.
Ich verfluche den Skiurlaub wieder, als es an der Tür klopft.
"Herein!", rufe ich übertrieben nett. Vielleicht kann ich so das Beste herausholen und ein Einzelziimmer kriegen? Oder zumindest keinen Stress? Ich habe ja keine Ahnung davon.
Eine kleine Frau tritt auf mein Rufen schüchtern ein und begrüßt mich.
"Hallo, du musst Pia sein. Schön dich kennenzulernen", ich verdrehe innerlich die Augen und antworte mit einem einfachen "Ja".
"Zuallerst einmal mein herzliches Beileid", verkündet sie. Ich nicke ihr zu. Ich will mich nicht daran erinnern. Ich muss weiterleben, das haben mir Mama und Papa bei den vielen Toden in meiner Familie beigebracht. Sie würden nicht wollen, dass ich mein Leben hinschmeiße.
"Gut. Wie du weißt kommst du in das Jugendheim und wirst dort die nächsten zwei Jahre leben. Die Regeln werden dort mit der Leiterin besprochen, ich fahre dich aber hin. Denn wie du schon weißt, kannst du mit 16 Jahren nicht allein leben. Du kannst übrigens höchstens zwei Koffer mitnehmen, mehr Platzt ist leider nicht. Hast du sonst noch Fragen?", sie sieht mich erwartungsvoll an.
"Was ist, wenn eine Familie mich adoptieren will?", haue ich die Frage raus, die mir schon eine Weile auf der Zunge liegt.
"Dann wirst du in die Familie kommen. Aber das wird wahrscheinlich nicht passieren."
Ich stöhne auf. Ich will definitiv in keine neue Familie, in meinem Herzen habe ich meine Familie immernoch.
Kann ich dir was erklären?,
höre ich wieder diese angenehme Stimme, ignoriere sie aber. Ich hatte Zeit zum Nachdenken und ich hab beschlossen, dass ich verrückt werde. Stimmen in meinem Kopf? Ich werde mich später damit beschäftigen. Mal sehen, was mein Unterbewusstsein so erzählt.
Die Tante vom Jugendamt verabschiedet sich nach ein paar Minuten Gelaber über mein zukünftiges Leben von mir und geht wieder weg. Sie hat mir Geld für ein Taxi nach Hause da gelassen und wird mich dort um 17 Uhr abholen.

Ich setzte mich auf mein Bett und genieße die Ruhe. Die schlechten Gedanken unterdrücke ich. Immerhin habe ich ein Einzelzimmer für meine Trauer bekommen. Und damit sind die schlechten Gedanken wieder da.
Ich probiere mich abzulenken und beginne mit meiner schönen, inneren Stimme zu sprechen.
Früher dachte ich, dass man nicht verrückt ist, wenn man denkt, dass man verrückt ist. Jetzt glaube ich das aber nicht mehr. Stimmen im Kopf ist ja nicht normal.
Hallo!, beginne ich das Gespräch mit mir.

Just my LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt