"Komm Mausi, ziehe dir deine Jacke über, draußen regnet es. Hattest du Spaß heute mit den anderen? Komm ich trag deinen Rucksack."-"Ah, Frau Genfer, gut, dass ich sie antreffe, ich würde nämlich wirklich einmal gerne mit ihnen sprechen und..."-"Oh, das tut mir leid. Ich habe jetzt gar keine Zeit für sie. Und wenn es schon wieder um Molly geht, ich kann ihnen versichern, dass es ihr gut geht. Sie macht nur eine Phase durch sagt ihr Kinderarzt. So, nun aber schnell schnell zum Wagen Molly!"
Molly bewunderte die Schauspielkünste ihrer Adoptivmutter jeden Tag aufs Neue. Wie selbtsicher sie andere Menschen abblocken konnte. Und wie fürsorglich sie in Gegenwart von anderen schien. Molly wusste, dass sich ihre Erzieherinnen Sorgen um sie machten. Sie hatten sogar schon das Jugendamt alamiert. Dieses gab aber an, dass es nichts beunruhigendes nachzuweisen gibt in Mollys Umfeld. Wie auch? Molly hatte es überdurchschnittlich gut bei ihren Adoptiveltern. Sie bekam genügend zum Essen, war von oben bis unten gesund, lebte in einem großen Haus, besaß ein mit Spielzeug vollgestopftes Zimmer und ging in einen Kindergarten. Frau Genfer war Redakteurin einer Modelagentur und Herr Genfer der Leiter einer angesehenen Firma. Die beiden bemühten sich sehr um ein gutes Bild nach außen abzugeben. Als festgestellt wurde, dass Frau Genfer nicht in der Lage war ein Kind auszutragen, drohte die Fassade zu bröckeln. Logische Schlussfolgerung war eine Adoption. Wenn aber der Wille für ein perfektes Familienbild der Grund für einen solchen Schritt ist, sucht man sich selbstverständlich ein Kind aus, dass dieser Anforderung entspricht, eines das schön anzusehen war. Und ja, Molly war schön anzusehen. Ein Bild von einem Mädchen war sie mit ihren braunen, schulterlangen, glatten Haaren, ihrem Püppchengesicht mit den grün-blauen Augen, dem markelosen Teint und ihrer zierlichen Statur.
Doch leider hatte Molly für ihre "Eltern" auch keinen anderen Wert als diesen. Immer wenn sie mit ihr in der Öffentlichkeit auftraten oder sie vom Kindergarten abgeholt wurde, kam in Molly ein kleiner Funke Hoffnung auf, das ihre "Eltern" sie vielleicht doch gern mochten und sich mit Freude um sie sorgten. Jedoch erlosch dieser Funke jedes Mal erneut, wenn sie mit ihnen wieder allein war. Auch wenn das selten vorkam. Meistens war sie nämlich vollkommen allein. Alleingelassen in einem monströsen Zimmer in einem monströsen Haus in Relation zu diesem kleinen Wesen. Zwar hatten ihre Eltern ihren Arbeitssitz jeweils im Haus, aber Molly war es nicht erlaubt die Geschäftsräume zu betreten.
Molly hatte brav zu sein, zu lächeln und sich zu verhalten wie ein fünfjähriges Kind. Letzteres hört sich eventuell nicht schwer für ein "normales", fünfjähriges Mädchen an...für Molly schon.
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lonely mirror
ParanormalMolly ist ein Waisenkind. Mehr weiß man über sie nicht. Ihr Alter ist geschätzt und ihre ursprünglichen Eltern unbekannt. Und was wenn sogar dies eine Lüge ist...