Zögerlich stellte ich den Motor meines Autos ab. Ich zog den Schlüssel ab und steckte ihn in meine rechte Jackentasche. Danach griff ich nach meiner Schultasche, die auf dem Beifahrersitz lag, und betrachtete mich im Rückspiegel. Unterbewusst strich ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr, so wie ich es immer tat, wenn ich nervös war.Mein Blick war leer und glasig, aber das war nichts Neues. Obwohl ich heute Morgen eine mehr als übliche Menge an Make-up in mein Gesicht geklatscht hatte, sah man immer noch deutlich meine Augenringe und auch meine leicht eingefallenen Wangen. Mein ganzes Äußeres war von einem Schatten übergeben, der deutlich zu zeigen gab, was ich durchgemacht hatte. Doch nur ich sah diesen Schatten, hoffte ich zumindest.Ich hatte mir extra eine süße Jeans ausgesucht, die eng an meiner blassen Haut lag, und einen dünnen, beigefarbenen Pullover, der dennoch meine Figur betonte. Mittlerweile hatte ich mir bestimmt schon vier weitere Male die Haarsträhne hinters Ohr gestrichen, auch wenn sie eigentlich schon dahinter war. Ich hasste diesen nervösen Tick von mir.
Es klopfte an der Scheibe. »Hey Em! Willst du hier festwachsen?«
Ach, meine geliebte Freundin Cathy. Sie hatte schon immer ein mieses Timing, wie auch jetzt gerade. Ich wischte mir mit dem Ende meines Ärmels schnell eine Träne aus dem Augenwinkel und setzte mein Lächeln auf. Cathy hatte währenddessen schon die Tür meines Jeeps aufgemacht und wartete am nebenstehenden Auto angelehnt auf mich.
Gerade als ich den ersten Fuß nach draußen gesetzt hatte, quiekte Cathy auf. Taylor war plötzlich aufgetaucht, ergriff ihre Hand und zog sie aus der Lücke der beiden Autos auf den freien Weg. Lachend warf sie sich um seinen Hals, seine Hände umschlangen ihre Taille und ihre Lippen berührten sich sehnsüchtig.
Es war komisch meine zwei besten Freunde so zusammen zu sehen. Und es machte mich traurig. Wieder mal wurde ich damit konfrontiert, dass für jeden das Leben weitergegangen ist, als ich nicht da war. Was hatte ich erwartet? Dass sich alle einsperren und aufhören zu atmen bis ich zurück war? Nein, sicherlich nicht, aber trotzdem verpasste es mir einen Stich, dass sie so viel ohne mich erlebt hatten.
Ich schien wie vergessen für die beiden, denn sie entfernten sich langsam von mir und meinem Auto ohne es wirklich zu merken. Doch ich nahm es ihnen nie übel, hatte ich nie getan. Außerdem war es für sie sicherlich auch etwas seltsam, schließlich war ich fast eineinhalb Jahre nicht mehr Teil ihres Lebens, zumindest dessen, was sie in Wirklichkeit führten.
Seufzend warf ich die Autotür zu und begab mich auf den Weg ins Schulgebäude. Von allen Seiten durchlöcherten mich Blicke. Na klar, jeder kannte meine Geschichte, wusste, wo ich in den letzten 15 Monaten war, aber niemand konnte sich auch nur annähernd vorstellen, wie es mir wirklich ging und man damit zurechtkam. Die einfach Antwort ist: Man kommt damit nicht zurecht. Ich auf jeden Fall nicht.
Aber ich setzte weiterhin mein Lächeln auf und schlenderte in meinen durchgelaufenen Converse den Parkplatz entlang. Nur wenige Augenpaare blieben an ihren Handys oder irgendwelchen Aufzeichnungen der letzten Stunde, die sie gerade nochmal verinnerlichten, hängen. Teilweise wurde das Getuschel lauter und dann setzte es bei manchen wiederum aus.
Unerwartet umschlossen mich Arme und ich war verwirrt, bis mir der Duft in die Nase stieg. Es war Britts Duft, er hatte sich in der ganzen Zeit nicht verändert. Sie drückte mich so fest, dass ich zu ersticken drohte.
»Ich bin so froh, dass du wieder da bist, Em. Dort muss es schrecklich gewesen sein. Wurdet ihr wirklich so eingesperrt, wie in den ganzen Filmen immer gezeigt wird? Gott sei Dank geht es dir wieder gut!«, piepste sie mit ihrer gewohnt hohen Stimme.
Ich kotzte innerlich. Wie konnte sie einfach behaupten, es ginge mir gut? Wie ich dieses Wort hasste. Was sollte gut überhaupt bedeuten? Aber ich riss mich zusammen, atmete innerlich drei Mal tief durch und spielte dann weiter meine Rolle.
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Wenn das Morgen noch unerträglicher ist als das Heute
Teen Fiction»Für manche Menschen lohnt es sich mutig zu sein...«, er sagte diese Worte so einfach dahin dennoch schwang so viel Bedeutung mit. Nach dem gewaltvollen Tod ihrer Eltern und der Verhaftung ihres Bruders, stand Emely Clark allein da. Sie erkannte ihr...