Still sah ich aus dem Fenster, wie so oft. Leicht konnte man meine blauen Haare im Spiegelbild erkennen. Darauf konzentrierte ich mich aber nicht, auch nicht auf die Regentropfen, die vorsichtig ihren Weg an der Scheibe fanden. Ich beobachtete den Weg unten an der Straße. So oft habe ich das früher in der anderen Wohnung getan und dabei auf sie gewartet. Ich habe solange gewartet, bis sie endlich nach Hause kam. Nur an diesem einen Tag kam sie nicht. Doch das wollte ich damals schon nicht verstehen. Obwohl mein Vater es gesagt hatte, saß ich dort an meinem Fenster und wartete. Wie immer. Es war doch alles wie immer. Die gleiche Zeit, der gleiche Ort. Sogar die Sonne hatte an diesem Tag geschienen.
Meine Gedanken wurden unterbrochen, als er in den Raum kam. "Denkst du wieder nach? Du wolltest doch damit aufhören.", sagte er, als er mir die Kaffeetasse gab und sich ebenfalls auf das große Fensterbrett setzte. "Das ist nicht so einfach.", gab ich zurück und ließ dabei meinen Kopf gegen die Wand sinken, richtete aber meinen Blick zu ihm. Er saß mir genau gegenüber. Geradeso berührten sich unsere Beine, obwohl wir beide im Schneidersitz saßen. Schon diese leichte Berührung ließ mich spüren, dass ich nicht allein war, aber einsam in meinen Gedanken gefangen.
"Seit wann trinkst du eigentlich Kaffee?", fragte ich den Dunkelhaarigen. "Jetzt lenk doch nicht ab. Was ist los? Die letzten Tagen ging es doch." "Welches Datum haben wir heute?", fragte ich, obwohl ich es ganz genau wusste und sah ihm dabei in die Augen. Langsam löste er seine linke Hand von seiner Kaffeetasse und ließ sie in seine Hosentasche gleiten, um sein Handy herauszuholen. Das Display leuchtete auf. Aber ich konnte nichts erkennen, nur das Licht in seinem Gesicht, durch das seine Schlüsselbeinknochen einen leichten, aber für mich deutlich erkennbaren Schatten warfen. " 9. Mai", flüsterte er vorsichtig, als ahnte er schon, was es in mir auslösen würde. Ich richtete mich wieder zum Fenster, beobachtete aber diesmal sein Spiegelbild, während ich versuchte die Tränen zurückzuhalten. Er sah aus wie immer. Wie konnte an solch einem Tag alles wie immer sein? "Heute ist es 5 Jahre her.", konnte ich gerade nur noch kraftlos hervorbringen. Darauf folgte Stille.
Als er sich ebenfalls zum Fenster wandte und sich unsere Blicke im Spiegelbild trafen, drehte ich mich um und stand auf. Die fast leere Kaffeetasse ließ ich bei Toni auf der Fensterbank zurück. Ich wollte nicht, dass er mich wieder so sah. Das konnte ich ihm nicht antun. Ich lief direkt auf die Tür zu, wollte ins Bad. Auch er stand auf und folgte mir bis zur Tür, in der er stehen blieb. "Wo willst du hin, Rezo?", sagte er plötzlich lauter, weswegen ich kurz im Flur stehen blieb. Die erste Träne lief mir still die Wange herunter. "Du kannst nicht ständig davor weglaufen." Kalt zerschnitten seine Worte die wieder eingekehrte Stille. Immer mehr warme Tränen spürte ich in meinem Gesicht. Trotzdem entschied ich mich dazu, mich zu ihm zu drehen. " Was sollte ich denn deiner Meinung nach machen?", entgegnete ich mit leicht gebrochener Stimme, aber trotzdem erstaunlich sicher. "Vielleicht solltest du mal zur Abwechslung darüber reden, statt dir die Arme aufzuschneiden.", bei diesen Worten wanderte sein Blick auf meinen linken Arm, den ich sofort versuchte hinter meinem Rücken zu verstecken. Er kannte meine Narben. Toni kannte sie wahrscheinlich besser als jeder andere. "Das hatte ich nicht vor." "Ach nein, was wolltest du denn sonst im Bad tun?", unterbrach er mich ganz gezielt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Diese Diskussion hatte ich eindeutig verloren. Er überbrückte die letzten zwei Meter zwischen uns. Dabei zog er mich in seine Arme, so dass ich meinen Kopf auf seiner Schulter ablegen konnte. "Ich bin doch hier. Gib mir doch wenigstens die Chance dir zu helfen, Rezo. Und zwar noch vor der Rasierklinge oder was dir sonst noch zuerst im Kopf schwebt. Das alles brauchst du nicht mehr", sagte er nun leiser und ich konnte den warmen Lufthauch in meiner Nähe spüren. Verdammt, er hatte Recht.
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He dragded me down, you pull me up
FanfictionTriggerwarnung: Wenn ihr ein ernsthaftes Problem mit Selbstverletzung habt oder Suizidgedanken, traumatischen Erlebnissen oder Verlustängsten, solltet ihr das hier besser nicht lesen. Wenn ihr selber betroffen seid, lasst euch bitte helfen. Rezo ist...