Kapitel 6

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Immernoch saß ich in meinem Bad und stütze meinen Kopf mit meinen Händen, als ich hörte, wie jemand meine Wohnungstür aufschloss. Schon ertönte Tonis Stimme, die durch die Stille hallte, doch ich nahm sie trotzdem nur gedämpft wahr: "Rezo? Wo bist du?" Ich sah auf das Blut auf dem Boden, das die Klinge umgab. Schritte näherten sich und kurz darauf hockte Toni vor mir und sah mich von unten an. "Was ist denn passiert?", fragte er, "Sag mir bitte, dass ich nicht Schuld an dem hier bin!" Toni flüsterte mehr, als wirklich zu sprechen. Ich schüttelte stumm den Kopf. Immernoch liefen mir Tränen über die beiden Schnitte und hinterließen einen brennenden Schmerz.

Toni stand auf und zog mich an den Händen auf die Füße, um mich direkt danach in seine Arme zu schließen. Ich versuchte ihn nicht mit meinem linken Arm zu berühren, während ich weiter still weinte und er mir behutsam über den Rücken strich.

"Mir ist schwindelig", gab ich kraftlos von mir, nachdem wir schon eine Weile so da standen. Toni löste sich von mir und sah mir genau ins Gesicht, bevor er nach meinem linken Arm griff. Ganz genau betrachtete er mein Werk. "Eins muss ich dir lassen, immerhin sind die Schnitte nicht tief, aber für Narben dürfte das trotzdem reichen. Du bist schon ein ziemlicher Idiot", meinte Toni und sah mir leicht wütend, aber zu gleichen Teilen besorgt, in die Augen. Nun drehte er sich um und zog mich wieder an meiner Hand hinter sich her bis zu meinem Bett. "Leg dich erstmal hin. Ich bin gleich wieder da", meinte er, nachdem er mich vorsichtig aber zielsicher auf das Bett drückte. Ich tat was er sagte und legte mich auf den Rücken.

Beschähmt drehte ich meinen Kopf zur Wand rechts von mir, um ihm nicht länger in die Augen sehen zu müssen. Ich wusste ganz genau, dass es ein Fehler gewesen war, dass ich mich nicht selber verletzen sollte, aber immer wieder gab es Momente, in denen ich mich nicht unter Kontrolle hatte. Ein Auslöser reichte und mein Kopf tat, was er wollte und in erster Linie erfüllte er meist seine Sucht. Der Schmerz brachte mich zurück zu mir selbst. Jedesmal realisierte ich mitten drin, was ich eigentlich gerade tat.

Nachdem Toni kurz den Raum verlassen hatte, kehrte er mit einer Flasche Wasser, Desinfektionsmittel, Küchenrolle und Verbandszeug wieder zurück. Ich blickte nun wieder zu ihm, als er sich auf die Bettkante genau neben mich setzte und mir das Wasser gab. "Ich behaupte einfach mal, der Schwindel kommt weniger von dem Blutverlust als von deiner allgemeinen Verfassung. Trotzdem kümmer ich mich jetzt erstmal darum. Wird gleich weh tun, aber das sollte dich ja nicht stören." Eine Spur von Wut klang in Tonis Stimme, trotzdem schien er immer noch zusätzlich besorgt.

Wenn er wüsste. Der Schmerz war noch nie der Grund. Weder bestätigte er mich in irgendeiner Weise, noch tat es gut. Aber er schaffte es meine Gedankengänge zu unterbrechen und mir eine Chance zu geben, wieder zu vollem Bewusstsein zurückzukehren und selbst einzugreifen, bevor mein Kopf auf noch viel schlimmere Gedanken kam.

Ein stechender Geruch unterbrach mein Denken. Toni tränke etwas Küchenrolle in dem Desinfektionsmittel, schnappte sich meinen Arm und drückte das Papier stumm auf meine Wunden. Sofort zog sich das Brennen durch meinen ganzen Unterarm. Ich zog scharf Luft ein. "Das hast du jetzt davon. Hat es denn immerhin geholfen?", kommentierte Toni das Ganze immernoch säuerlich. Nach einigen Sekunden löste er seinen Griff und legte meinen Arm auf seinem Oberschenkel ab. Wieder kehrten die Tränen zurück, als Toni anfing die Schnitte einzucremen und daraufhin einen leichten Verband anlegte. "Warum kannst du das?", fragte ich fast tonlos. "Meine Mutter ist Ärztin und hat ihre Praxis direkt unter unserer Wohnung. Ich bleib übrigens heute Nacht hier. Dich kann man ja scheinbar nicht alleine lassen", meinte er vorwufsvoll. Toni verließ wieder den Raum, doch ich war schon fast eingeschlafen, bevor er wieder kam und sich auf die rechte Seite meines Bettes legte. "Wir reden morgen darüber", sagte er noch, bevor er sich mit dem Rücken zu mir drehte.

He dragded me down, you pull me upWo Geschichten leben. Entdecke jetzt