Wörter: Waage/Ausgleich, Vorhängeschloss, Uhr/Zeit, Fisch/Tier, Lupe, Apfel/Obst, traurig/beunruhigt, Buch, Baum
Es beunruhigte ihn mehr als er zugeben wollte. Denn schon seit langem hatte er es nicht mehr erlebt, diese Stimmen nicht mehr gehört und nun waren sie auf einen Schlag wieder zurück.
Er kam gerade nachhause, wollte sich nur schnell etwas zu essen einpacken um dann sofort wieder zu seiner Arbeit zu fahren, als er ein leises plätschern hörte. Er legte den Apfel, den der gerade in die Hand genommen hatte, zurück in den Obstkorb und steuerte auf die Geräuschquelle zu. Er wusste mit Sicherheit, dass alle Wasserhähne einwandfrei funktionierten, denn er hatte sie erst letzte Woche überprüft. Also wo kam dann dieses Geräusch her? Auf seinem Weg ging er durch das Wohnzimmer, den kleinen Flur zu seinem Schlafzimmer entlang und blieb vor diesem stehen. Er konnte ganz deutlich hören, dass dieses Plätschern aus seinem Schlafzimmer kommen musste. Wie in Zeitlupe öffnete er die Tür und blieb im Türrahmen stehen um sich im Zimmer genau umzusehen. Doch er konnte keine Auffälligkeit feststellen. Das Plätschern war nun so laut, als wäre es direkt vor ihm, doch er sah nichts, was der Auslöser hätte sein können. Er hatte keine Zeit für so einen Mist.In weniger als einer halben Stunde musste er wieder bei seiner Arbeit sein und am besten vorher noch etwas gegessen haben. Genervt machte er sich also wieder auf, zurück in die Küche zu kommen. Er hatte sich schon auf den Apfel, den er vorhin leider weglegen musste, gefreut. Doch als er nach ihm greifen wollte fasste er ins leere. Nicht nur der Apfel sondern alle Früchte waren aus dem Korb verschwunden. Stirnrunzelnd sah er sich in der kleinen Küche um, vielleicht hatte er geistesabwesend alle Früchte in den Kühlschrank geräumt? Es konnte ja nicht schade wenigstens Mal nachzusehen. Irgendwie wusste er aber schon, dass der Kühlschrank ihm nicht helfen konnte. Genauso war es dann auch, der Kühlschrank war leer, merkwürdigerweise. Er hatte doch erst gestern eingekauft, oder nicht? Langsam glaubte er wahnsinnig zu werden. Wohin waren alle seine Lebensmittel verschwunden? Warum sollte jemand ihm diese stehlen?
Er wurde abrupt in seinen Überlegungen gestoppt als leise Stimmen an sein Ohr drangen. Er kannte sie. Aber es wollte ihm nicht einfallen woher. Das Gemurmel kam aus seinem Garten, welcher durch eine Schiebetür mit der Küche verbunden war. Er ging in den kleinen Vorstadtgarten hinaus und schaute zuerst zu dem Kastanienbaum, welcher schon seit einer Ewigkeit hier zu stehen schien. Seine Blätter waren bereits alle braun und rötlich gefärbt und vielen ihm so langsam alle aus. Der Herbst hatte seine Spuren hinterlassen. Die Stimmen kamen von weiter hinten im Garten, aus der kleinen Laube. Sie war mit einen Schloss versiegelt um Diebe abzuhalten. Obwohl eh nichts besonders Wertvolles von ihm dort gelagert wurde. Er nutze die Laube als Rückzugsort zum Lesen oder seltener auch zum Schreiben. Aber das war jetzt nebensächlich.
Er zog sein Schlüsselbund hervor und öffnete das Vorhängeschloss. Dann schob er die Tür zur Laube auf. Zu seinem erstaunen fand er im inneren alle seine Lebensmittel wieder und unter ihnen zwei Mäuse. Sie schienen ihn erst nicht zu bemerken, da sie vollends mit der Fülle an Essen beschäftigt waren. Er hörte sie nicht diese typischen Mauselaute machen, sondern verstand jedes Wort, dass sie quiekten. „Probier Mal das hier, dass ist super lecker." „Nein, nein. Du musst das hier essen. Viel Gesünder als deins."
Verwirrt schaute er sich dieses Schauspiel an bis die Mäuse ihn schließlich bemerkten. Vor schreck sprangen sie auf einen Stuhl und dann auf den kleinen Schreibtisch. Sie hatten angst. Er wollte nicht daran erinnert werden, doch glaubte er in der Vergangenheit schonmal Mäuse sprechen gehört zu haben. Damals haben ihn seine Eltern zu einer Therapeutin geschickt, da es nicht normal war mit Tieren sprechen zu können. „Warum habt ihr mir mein Essen weggenommen?" Er erwartete schon fast keine Antwort, warum sollten ihn diese Mäuse auch verstehen? Um so überraschter war er als sie ihm doch antworteten: „Wir hatten Hunger und du hast immer so viel Essen. Du bist alleine, wir sind zu zweit. Ausserdem findet man kaum noch was zu essen hier draußen." Einer der Mäuse hatte sich aus seiner Starre gelöst und war ein paar tapse nach vorne gekommen. Mutig schaute der Kleine zu ihm empor und es wirkte für ihn so als würde die Maus die Pfoten vor der Brust verschränken.
Nun ging diese ganze Sache wieder von vorne los. Niemand würde ihm das glauben. Er redete wieder mit Mäusen. Er seufzte: „Ich bin auch viel größer als ihr beide zusammen. Wir können uns vielleicht darauf einigen, dass ihr ein bisschen davon," er deutete auf die Lebensmittel vor seinen Füßen, „behalten dürft, aber nicht alles und vor allem, ihr bleibt nicht hier in meiner Laube." Die Mäuse schauten einander an und nickten dann gleichzeitig. „Na gut. Aber dann dürfen wir in deinem Haus wohnen. Wir machen auch nichts dreckig und wir lassen uns von dir unser Essen geben."
Wie war er nur dazu gekommen mit Mäusen zu verhandeln? Er wollte sie nicht in seiner Laube und schon gar nicht in seinem Haus, aber er hatte wohl keine andere Wahl. „Meinetwegen, aber auch nur solange bis der Winter vorbei ist. Und ihr dürft nicht einfach so überall hinlaufen. Ich hole einen Käfig wo ihr drin bleiben müsst bis ich zuhause bin oder wenn ich besuch bekomme. Habt ihr das verstanden?" Die Mäuse nickten wieder und kletterten von dem Tisch herunter, zu seinen Beinen, an seiner Kleidung nach oben und auf seine Schultern. Da blieben sie bis alle Lebensmittel wieder in die Küche gebracht wurden und er eine kleine Schale mit Käsewürfeln und Nüssen auf die Arbeitsplatte gestellt hatte.
Er war kein schlechter Mensch, doch wenn er einfach weiter seine Gabe verleugnet und unterdrückt hätte, wäre er wirklich wahnsinnig geworden. Lieber zwei Mäuse im Haus als einen Vogel im Kopf.
Ich interpretiere die Bilder gerne so, dass sie auch gut in die Geschichte passen. Dann wird eben auch mal ein Fisch zu einer Maus oder die Waage zu einem Synonym. Ich hoffe aber diese Geschichte ist trotzdem unterhaltsam, oder zumindest nicht zu abgedreht 😊.
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Gewürfelte Geschichten
Short StoryMit den Rory's Story Cubes würfle ich neun Bilder und aus denen lassen sich unzählige Geschichten erfinden. Ein paar dieser gewürfelten Geschichten werde ich hier von Zeit zu Zeit veröffentlichen.