Die Kugel flog haarscharf über seinen Kopf hinweg und brachte ihn einen ausgewachsenen Herzinfarkt einen ganzen Schritt näher. Danny zog wieder zurück in den Schutz des Containers, presste sich mit dem Rücken gegen die harte Metallwand und schloss für eine Sekunde die Augen, um nicht völlig aus der Haut zu fahren – und um über einhundert und einen Weg nachzudenken, wie er Steve das heimzahlen konnte!
'Das wird nicht schwer, Danno', hatte er gesagt. 'Wir brauchen keine Verstärkung', hatte er gesagt. 'Vertrau mir', hatte er gesagt. Danny musste sich zusammenreißen, um die Worte nicht nachzuäffen, in genau diesem selbstgefälligen Tonfall, den sonst nur Steve drauf hatte und der ihn irgendwann noch in den Wahnsinn trieb! Oh, wie er diesen sturen, lebensmüden und so was von durchgeknallten Idioten von einem SEAL in den Hintern treten würde! Wieso ließ er sich eigentlich immer wieder dazu überreden? Wieso hörte er auf den Deppen? Es war jawohl eindeutig klar, dass in Steves Hirn schon vor langer Zeit ein paar Sicherungen durchgeknallt waren, die man nicht mehr reparieren konnte. Eigentlich sollte es Dannys Aufgabe sein, sie vor genau diesen Situationen zu bewahren und Steve davon abzuhalten, einen auf Rambo zu machen und ihrer beider Leben sinnlos aufs Spiel zu setzen. Wenn ihm jemand sagte, wie man gegen diesen Sturkopf ankam, dann würde er das auch liebend gerne erledigen.
"Du hättest auf mich hören sollen!", schrie er seinen Frust über den Lärm des Feuerhagels.
"Was?"
Steve hatte ihn schon verstanden. Er hockte nur einen Container weiter, nicht einmal ganz zwanzig Yards von ihm entfernt, und lud gerade seine Waffe nach.
"Du hättest verdammt noch mal auf mich hören sollen!", wiederholte er sich trotzdem gerne noch einmal – einfach weil man das nicht oft genug sagen konnte!
"Wann?"
"Oh, ich weiß auch nicht. Vielleicht als dir gesagt habe, was für eine beschissene Idee es ist, einen Waffendeal am Hafen völlig alleine hochzunehmen."
Steve lehnte sich aus seiner Deckung, gab drei gezielte Schüsse ab, von denen zumindest einer das Ziel zu treffen schien. Danny hörte den Schmerzschrei – und ja, verdammt, es ließ seine Mundwinkel zucken. "Ich bin nicht alleine. Du bist hier."
"Ich fühle mich geschmeichelt, dass du so viel Vertrauen in meine Fähigkeiten hast, aber falls es dir entgangen sein sollte: ich bin kein verdammtes SWAT-Team! Und auch kein Super-SEAL wie mein verrückter Boss. Mit 'Verstärkung' meinte ich Kono und Chin und die Hälfte vom HPD."
"Ich weiß gar nicht, was du hast. Es läuft doch alles gut."
Zwei weitere Kugeln flogen direkt durch die Lücke zwischen ihnen hindurch, kurz bevor Steve sich für ein erneutes Angriffsmanöver zur Seite lehnen wollte. Wenn es doch so etwas wie eine höhere Macht da oben gab, dann hatte er eben sehr erfolgreich Dannys Standpunkt untermalt. Danke auch!
"Steve! Wir sitzen hier fest, zu zweit, gegen eine Bande von wirklich üblen Typen. Das da vorne sind keine Pfadfinder, wie du vielleicht gemerkt hast! Sie sind in der Überzahl und wir haben nur begrenzt viel Munition. Es ist eine Frage von Minuten, bis uns die Kugeln ausgehen und sie uns holen kommen. Ich weiß ja, dass du nicht sonderlich an deinem Leben hängst – wie du nicht müde wirst zu beweisen –, aber ich habe eine wunderschöne Tochter, die darauf wartet, dass ihr Vater nach Hause kommt. Lebendig! Nicht in einem Leichensack."
"Danke, Danny, ich bin mir der Situation bewusst."
"Und was genau willst du dagegen unternehmen?"
"Ich denke nach."
"Oh, ach so, der Herr denkt nach. Willst du vielleicht noch eine Tasse Tee dazu?"
Steve warf ihm einen Seitenblick zu, der genervter nicht sein konnte und Danny tatsächlich dazu brachte, seine Klappe zu halten. Für den Moment. Die Ironie war nämlich, dass er Steve durchaus vertraute, auch wenn seine Fähigkeit, Gefahr zu erkennen und vor allem sie zu meiden, gegen Null ging. Wenn er Zeit brauchte nachzudenken, dann bekam er sie. Also ging er schnellen Schrittes zum anderen Ende des Containers, in der Hoffnung, dass man ihn von der Seite nicht erwartete, atmete tief durch und kam aus der Deckung, um sein halbes Magazin in die Reihen ihrer Feinde zu schießen. Bei der Gelegenheit verschaffte er sich gleich einen Überblick ihrer Lage: Drei Männer duckten sich hinter einem Auto, zwei suchten Schutz hinter der Wand des Verwaltungsgebäudes. Oh und ein ganz lustiger Kerl versuchte sich unauffällig aufs Dach zu schleichen. Bei der Vorstellung, wie sehr sie das in die Enge treiben würde, überkam ihm ein kalter Schauer. Danny riss seine Pistole herum, zielte genau zwei Herzschläge lang und drückte ab. Für den Bruchteil einer Sekunde befürchtete er, nicht getroffen zu haben, doch dann fiel der Kerl wie ein nasser Sack von der Feuerleiter und blieb regungslos auf dem Boden liegen. Es war von hieraus unmöglich zu sagen, ob er noch lebte, aber das war Danny gerade auch herzlich egal.
Die Kumpel von dem Typen schien das jedoch ziemlich gegen den Strich zu gehen. Der Kugelhagel, der in der nächsten Sekunde auf ihn zugerast kam, brachte Danny dazu, sich nicht nur zurückzuziehen, sondern förmlich hinter den Container zu schmeißen. Die Schutzweste half nicht viel gegen den harten Aufprall. Danny biss die Zähne zusammen, nur um dann ein paar unschöne Flüche auszustoßen und sich wieder auf die Beine zu kämpfen. Hatte er schon erwähnt, dass er Steve dafür den Hals umdrehen würde?
"Bist du fertig mit denken?", erkundigte er sich bei der Gelegenheit auch gleich mal, wobei er angespannter klang als ihm das selbst gefiel.
"Ja."
Danny wartete, aber mehr Informationen bekam er nicht. War das sein verdammter Ernst? "Lässt du mich auch daran teilhaben oder willst du, dass ich dumm sterbe? Denn ehrlich, Steve, wenn mich hier nicht eine Kugel erwischt, dann platzt mir gleich eine Ader im Hirn, weil du verdammt noch mal Gift für meinen Blutdruck bist!"
"Willst du mit mir ausgehen?"
Irritiert hielt Danny in der Bewegung inne, mit der er eben sein Magazin überprüfen wollte, und starrte zu seinem Partner. Steve erwiderte den Blick nicht, sondern versuchte um die Ecke zu linsen, ohne eine Kugel ins Gesicht zu bekommen. "Was?"
"Ob du mit mir ausgehen willst. Auf ein Date."
"Ein Date?" Wie schaffte der Kerl es, dabei so ruhig zu klingen und auch noch so, als wenn er das ernst meinen würde? Und warum zur Hölle machte sein Herz gerade einen ordentlichen Satz, der nichts mit dem Adrenalin zu tun hatte, das hier seit einigen Minuten durch seinen Körper pumpte?
"Ja, ein Date. Wo man ins Kino oder zusammen essen geht."
"Wir essen jeden Tag zusammen!"
Auch ohne Steve anzusehen, wusste er genau, dass dieser gerade die Augen verdrehte. "Du weißt ganz genau, was ich meine!"
Natürlich wusste er das, er konnte es nur nicht fassen. "Wir sitzen hier in der War-Zone und du willst wissen, ob ich mit dir auf ein Date gehe? Hast du komplett deinen Verstand verloren?"
Jetzt drehte Steve den Kopf und erwiderte seinen Blick, die Stirn in leichte Falten gelegt. "Wegen der Frage oder den Umständen?"
"Beides!" Danny atmete heftig, verstärkte aber sofort den Griff um seine Pistole, als er das Handzeichen sah, das Steve ihm gab. Gleichzeitig lehnten sie sich aus der Deckung, um genug Schüsse abzugeben, damit ihre Feinde nicht näher kommen konnten. Das Ganze dauerte nur wenige Sekunden, dann waren sie beide wieder hinter ihren persönlichen Schutzdämmen verschwunden. "Das ist sogar für dich verrückt!"
"Ist das ein Ja oder ein Nein?"
Himmel Herr Gott noch mal! Was hatte er eigentlich verbrochen, um hier zu landen? Er hätte auf seine Mutter hören und Bänker werden sollen. Oder Steuerberater. Sein Leben könnte so schön ruhig sein! Danny fuhr sich gestresst mit einer Hand übers Gesicht. Er konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören, genauso deutlich wie er sein Herz gegen die Brust schlagen spürte. Für einen Moment vergaß er wirklich, wo er gerade war, und stellte sich vor, sich von Steve ausführen zu lassen. So richtig. Vielleicht konnte er ihn sogar dazu überreden, sich seinen schwarzen Anzug anzuziehen, in dem er so verboten gut aussah, dass jedes Calvin-Klein-Model dagegen aussah wie Gollum. Ja, doch, der Gedanke gefiel ihm. Die Tatsache, dass es eine verdammt dumme Idee war, seinen Boss und besten Freund zu daten, ignorierte er gekonnt. "Ja", stimmte er dafür zu.
"Ja-ja oder ja?"
"Ja, wenn wir das hier irgendwie überstehen, ohne dass einer von uns im Krankenhaus oder auf Max' Tisch landet, dann gehe ich mit dir aus."
Steve grinste. So breit und ehrlich und dümmlich glücklich, dass es Danny fast unangenehm war. Wie konnte man Rambo und gleichzeitig so hinreißend sein? Das war nicht fair!
"Ich gebe dir Deckung", wechselte Steve Gott sei Dank das Thema. "Komm zu mir rüber."
"Um was zu tun?"
"Mach es einfach!"
Danny verkniff sich einen entsprechenden Kommentar, weil er wirklich, wirklich gerne den nächsten Tag erleben wollte. Sobald Steve anfing, auch sein restliches Magazin zu leeren, sprintete er das kurze Stück zu seinem Partner, um schlitternd direkt neben ihm stehen zu bleiben. "Und jetzt?"
Statt einer vernünftigen Antwort, drückte Steve ihm seine SigSauer in die Hand. "Halt mal."
Das war nicht gut. Nein, das war gar nicht gut. "Wenn du jetzt so eine verrückte Kamikaze-Aktion startest, setze ich dich noch heute Nachmittag auf der Couch von dem nächsten Therapeuten ab, den ich finden kann!"
"So etwas tue ich nie."
"Du tust das ständig!"
"Das ist eine haltlose Unterstellung!" Noch während er diesen Schwachsinn von sich gab, zog Steve etwas aus seinem Gürtel. Danny brauchte nicht zweimal hinsehen, um denen Gegenstand als Granate zu erkennen. Das war es. Jetzt brachte er sie wirklich alles um. "Bereit?"
"Nein!"
"Gut!"
Steve zog den Stift, trat drei Schritte nach hinten und schmiss die Granaten mit Schwung über den Container. In der nächsten Sekunde war er wieder bei ihm und Danny fand sich an den Schultern gepackt auf dem Boden wieder. Steves Körper drückte sich gegen seinen Rücken, seine Arme hielten ihn fest gegen sich gepresst und irgendwie war Steve überall um ihn herum, als ein lauter Knall ertönte, der ihm schmerzhaft in den Ohren klingelte. Danny könnte schwören, dass der Boden vibrierte, während der beißende Gestank von Rauch die Luft erfüllte.
Dann war alles vorbei. In den einem Moment spürte er noch Steves schweren Atem im Nacken, im nächsten war sein Partner einfach nicht mehr da. Danny gab ein Geräusch von sich, das irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und Wut lag, kam aber im selben Moment noch selbst auf die Beine, um Steve seine Waffe zurückzugeben. Zusammen verließen sie ihre Deckung, um sich das Chaos, das dieser Idiot angerichtet hatte, zu betrachten. Das Auto war völlig zerstört. Die Leichen der Männer lagen direkt daneben und diesmal war Danny sicher, dass hier nichts mehr zu retten war. Er musste sich daran erinnern, Steve niemals ernsthaft ans Bein zu pissen. Die Männer beim Haus hingegen waren gerade dabei, wieder aufzustehen. Bevor einer von ihnen auch nur auf die Idee kommen konnte, seine Waffe aufzuheben, schossen Danny und Steve ihnen in die Schulter oder das Bein, noch während sie sich schnell näherten.
Aus der Ferne ertönten endlich Sirenen, was Danny sich etwas entspannen ließ. Er konnte nicht fassen, dass er noch am Leben und sogar noch im Besitz all seiner Gliedmaßen war. Jetzt mussten sie noch nie diese Dreckskerle in Schach halten, bis die Kollegen eintrudelten. Eine Aufgabe, die zu bewältigen war.
"Siehst du, alles kein Problem. Ich habe doch gesagt, wir schaffen das auch alleine."
Genervt stöhnte Danny auf. "Du hast den halben Hafen in die Luft gejagt!"
"Du übertreibst schon wieder!"
"Ach, halt die Klappe. Du bist verrückt und das weißt du."
Unbekümmert zuckte Steve mit den Schultern. "Kann sein. Aber du gehst mit mir auf ein Date. Was macht dich das?"
Gute Frage. Sehr gute Frage. "Zu einem Stockholmsyndrom-Patienten."
"Yeah, ich liebe dich auch, Danno."
Das war keiner Antwort würdig, wie Danny fand. Verhindern, dass seine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen, das sonst nur so ehrlich war, wenn er seine Tochter um sich hatte, konnte er aber auch nicht. Um ehrlich zu sein, wollte er das auch gar nicht.
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Heat of the Moment
FanfictionDanny sollte es besser wissen, wirklich. Doch als Steve mal wieder dabei ist, sie beide direkt ins Verderben zu führen, schleift er den Hintern seines Partners nicht in die geliebte Sicherheit, sondern folgt ihm sofort ins Feuergefecht, wo Steve es...