Es ist bereits Mitternacht und ich sitze auf dem Dach eines Hochhauses. Eigentlich wohne ich ja in dem Hochhaus, aber ich habe vergessen, in welchem Stock meine Wohnung ist, also sitze ich jetzt. Es ist Vollmond, also glotze ich wie ein Hund nach oben. Zumindest bis meine schöne Ruhe von Schritten unterbrochen wird. Umdrehen muss ich mich nicht, es gibt nur einen Idioten, der ebenfalls um diese Zeit aufs Dach kommen würde. Er bleibt neben mir stehen und lässt sich fallen. Jetzt sitzen wir hier. Schweigend. Er würde nicht ohne Grund kommen, da ich allgemein als sehr abstoßend und sozialunfähig gelte. Ich bin so ein richtig schöner Spaßverderber, ich habe nur meinen eigenen Humor und sonst akzeptiere ich nichts.
„Es sammelt sich eine größere Gruppe im Norden... Sie sehen ihren Anführer als eine Art Heiligen, der sie beschützen wird... Sie scheinen fest an ihn zu glauben, weswegen sie sich nicht selber zerstören werden. Das ist wiederrum ein Problem für uns. Sie wachsen recht schnell...", und wie immer bringt wir mein ach so lieber Kindheitsfreund eine schlechte Nachricht.
Ich sollte euch vielleicht etwas zu ihm erklären. Er ist selber in einer Art Gruppe, allerdings hat diese nicht den Zweck, sich zu beschützen, sondern Informationen auszutauschen. Bestechen kann man uns Andere nicht mit Geld, dafür mit Informationen. Die Organisation heißt „Nightcall" und ist recht bekannt. Ihre Mitglieder haben alle einen Codenamen und sind meist verdeckt unterwegs. Sie handeln viele Informationen, haben gute Spione und aus unerfindlichen Gründen halten sie gut zusammen. Da sie alle verdeckt sind und ein Versteck haben, kennen sie einander nicht und es ist schwer, sie zurück zu verfolgen. Dadurch sind sie sicher vor anderen und vor sich selbst. Eigentlich „jagen" fast alle Anderen verdeckt. Manche aus Schutz, andere, weil sie ihren Namen in die Welt raustragen wollen. Bekannte Andere haben dann oft einen Codenamen, so wie die Mitglieder von Nightcall. Meist wird ihnen einer zugeteilt, um sie besser einzuordnen. Nightcall ist mit Namen sehr kreativ... Oder sie bennen sich selbst, doch die Namen sind oft bescheuert. Ich selbst bin auch lieber verdeckt, doch einen Namen wollte ich nicht. Brauche ich nicht. Will ich nicht. Ich kämpfe verdeckt und hinterlasse kaum Spuren. Jason wollte mir immer einen Namen geben, aber er traut sich nicht. Er hat Angst, ich würde ihm den Hintern versohlen. Aber mal ehrlich! Ich würde schlimmeres tun!
„Du willst also, dass ich mich davon fern halte, oder... Dass ich sie auslösche.", murmel ich dann leise vor mich hin. „Weder noch und beides zugleich... Du bist gut, aber sie sind viele. Wir wollen uns da nicht einmischen, immerhin sind wir nur Informanten... Aber gefährlich sind sie schon.", manchmal redet er so komisch. Soll ich mich jetzt darum kümmern, oder nicht? Ich nicke einfach nur stumm. Soll er es interpretieren, wie er will. „Sonst noch was?", da er nicht gegangen ist, scheint er ja noch etwas zu wollen. Warum zögert er immer so? Warum muss ich immer nachfragen? Herr Gott nochmal! So schwer ist das doch nicht!
„Kannst du mich in den Arm nehmen?", fragte er dann schließlich. Ich muss ehrlich gestehen, das kam unerwartet... Ich blinzel einige Male verwirrt, nehme ihn dann aber vorsichtig in den Arm. Es ist schon lange her, dass ich jemanden umarmt habe. Es ist wohl so... Egal wie sehr er sich anstrengt kühl und mysteriös zu wirken, er ist noch immer ein Softie. „Hey... Weißt du noch, in welchem Stock ich wohne?", frage ich dann scherzhaft nach. „Maria... 13. Wir wohnen doch im selben Stock...", murmelt er müde in meine Schulter hinein. Tja. So etwas vergisst man eben im Alter, auch wenn ich gerade mal 18 bin. Mein guter Freund hier ist übrigens 19 und heißt Jason. Er ist auch der einzige, der mich bei meinem Namen nennt. Vielleicht ja, weil ihn sonst keiner kennt...
Kurze Zeit später stehen wir dann auch schon auf und gehen runter in unsere Wohnungen. Verabschiedungen sind sinnlos, also lassen wir das.
Ich liege nun in meinem Bett mit meiner Katze auf dem Kopf und denke etwas nach. Einerseits ist es gefährlich, eine Organisation mit unbekannten Mitgliedern zerstören zu wollen, andererseits ist es auch wieder notwendig. Wenn sich Gruppen bilden, steigt die Sterberate der Einzelgänger. Die halten zwar nicht sonderlich lange, aber wenn Jason schon so skeptisch ist, ist es doch ein größeres Problem. Ich werde mir das wohl erstmal etwas genauer ansehen.
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Im Schleier des Albtraums
Teen FictionProlog Ich bin anders als ihr. Wir leben zwar in derselben Welt, doch sind wir uns weitaus ferner, als ihr euch vorstellen könnt. Es ist mein erstes Jahr an der Universität, doch ich habe bereits einige Freunde gefunden. Auch sie sind kein Teil mein...