Ich könnte weiter im Bett liegen bleiben, oder zu einer Vorlesung gehen... Da Bett sehr verlockend klingt, bleibe ich noch bis zum Mittag liegen. Eigentlich hätte ich gern mehr geschlafen, aber mein Magen ist entschieden dagegen. Warum ich Vorlesungen meide ist einfach: Ich habe keine Lust. Aber keine Sorge, mein Studium ist trotzdem recht leicht. Meine „Freunde", und damit meine ich eine Gruppe von den größten Faulenzern der ganzen Stadt, schreiben das wichtigste auf. Wir haben uns gleich am Anfang des Studiums getroffen, da wir alle dasselbe studieren, und bemerkt, dass wir alle keine Lust haben. Also gehen immer nur ein oder zwei zu unseren Vorlesungen und schreiben alles Wichtige auf. Trotz unserer übermenschlichen Faulheit und Lustlosigkeit gegenüber dem Studium sind wir nämlich alle recht intelligent. Wir können uns darauf verlassen, dass die Aufzeichnungen des anderen korrekt sind.
Sie sind eigentlich ganz angenehme Menschen und jeder hat so sein Spezialgebiet. Moira ist so eine esoterische Künstlerin. Momo ist ein totaler Computerfreak, er ist zwar meistens mit Zocken beschäftigt, aber ich bin mir sicher, dass er sich in seiner Freizeit in Modeseiten hineinhackt und die Bestellungen vertauscht. Moira und Momo sind schon fasst Geschwister, zumindest verhalten sie sich so, deswegen nennen wir sie auch M&M. Begeistert sind davon beide nicht. Dann haben wir noch unsere lebende Enzyklopädie James. Er sieht eigentlich nicht schlecht aus, geht einem mit seiner besserwisserischen Art aber ordentlich auf die Nerven. Er kennt sich mit jeglichen Sachthemen aus. Dann haben wir noch Nikki. Nikki ist mir am liebsten, denn sie ist unkompliziert. Sie ist in so einer Gothic-Emo-Phase und redet so gut wie nie. Allerdings ist sie ein Meister darin, Menschen zu analysieren und schreibt gern Bücher. Und wenn sie jemanden loshaben will, plappert sie von Geistern, schwarzer Magie, Zukunft und so nem Zeug. Auf dem Campus ist sie schon als Geisterseher bekannt. Sie hat sich dann sogar extra Tarotkarten gekauft, um die anderen erst recht zu verwirren, doch nur selten traut sich jemand zu ihr, da sie ihnen sehr schnell Angst macht. Ob sie das ganze wirklich kann, oder nur so tut, weiß ich nicht. Wahrscheinlich nutzt sie nur ihre enormen Menschenkenntnisse, um diese Idioten zu manipulieren. Wirklich an Übernatürliches glaube ich nicht. Und ja, gerade ich muss das sagen. Moira findet das allerdings ganz und gar nicht witzig. Sie hat Nikki sogar schon damit gedroht, ihr ein Pendel an den Kopf zu werfen. Nikki hat daraufhin nur geantwortet, sie könne die Wünschelrute gleich mit werfen, damit sie einen neuen Rückenkratzer hat.
Es gibt noch ein paar mehr, da oft welche neu hinzugekommen sind, aber die 4 und ich sind die Gründer. Zudem kenne ich die anderen nicht.
Was ich kann? Abgesehen von meinen übernatürlichen Fähigkeiten bin ich sehr gut dafür geeignet, sozialen Interaktionen auszuweichen. Sei es ein peinliches Date, oder eine Familienveranstaltung. Egal was, ich kenne mehrere Wege, dem zu entkommen.
Aber kommen wir zurück in die Gegenwart. Nachdem ich mich jetzt also mit Müsli vollgestopft habe, mich halbwegs hergerichtet habe, verlasse ich auch endlich mal die Bruchbude, die ich mein Zuhause nenne. Es ist ja gerade mal Mittag, also habe ich noch genug Zeit, bis ich mich unserem Problemchen widme.
Und? Wie verschwende ich jetzt meine Zeit? Ich könnte wetten, dass Nikki heute ebenfalls zuhause ist. Es ist immer mal schön, sie zu besuchen, da es da immer so leckere Süßigkeiten gibt. Sie verlässt außer für die Uni nie ihre Wohnung, also werde ich schon fündig. Da es gerade noch Sommer ist, meidet sie die Universität besonders, denn sie hasst Sonne und Hitze. Kälte und Schnee, Regen oder Sturm mag sie aber auch nicht. Nikki wohnt gut 20 Minuten von mir entfernt und der kleine Spaziergang schadet nicht.
Als ich endlich vor ihrer Wohnungstür stehe, bestätige ich die Klingel schnell 6-mal. Dann erneut und noch ein weiteres mal. Insgesamt also 6-6-6. Zufall, hm? Aber so weiß sie gleich, wer vor ihrer Tür steht. Die Kleine steht auf Codes, Passwörter und Geheimsprachen. Die Tür öffnet sich dann automatisch, es hätte mich auch gewundert, wenn sie vor der Tür stehen würde. Natürlich sind überall die Vorhänge zugezogen, doch stickig ist es dank den Ventilatoren und der Klimaanlage nicht. Ein angenehmer Hauch von Lavendel liegt in der Luft. Es wirkt immer alles so steril und unbenutzt bei ihr. Wahrscheinlich, weil es unbenutzt ist...
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Im Schleier des Albtraums
JugendliteraturProlog Ich bin anders als ihr. Wir leben zwar in derselben Welt, doch sind wir uns weitaus ferner, als ihr euch vorstellen könnt. Es ist mein erstes Jahr an der Universität, doch ich habe bereits einige Freunde gefunden. Auch sie sind kein Teil mein...