5. Feedback

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A: "Können wir dann endlich mit dem nächsten Thema weitermachen?"
F: "Moment noch, lass mich erst fertig nachdenken... Wenn ich die linke Gehirnhälfte bin, und du die rechte, und du mich aus dir geklont hast, wieso funktionieren wir dann zusammen? Eigentlich sind unsere Aufgaben und Fähigkeiten doch asymetrisch verteilt."
A: "Wir sitzen gerade hier, mitten in seinem kreativen Zentrum, und er stellt sich vor, wie seine beiden Gehirnhälften auf römischen Speisesofas im lichterloh brennenden Spiegelsaal von Versailles liegen, zwischen sich ein Glastisch voller Häckeldeckchen, und ein Interview führen. Und du willst wirklich behaupten, wir funktionieren?"
F: "... Okay, vielleicht nicht ganz so, wie wir sollten. Aber das ist trotzdem seltsam. Wie konnte er mit nur einer Gehirnhälfte vorher leben? Oder hatte er ursprünglich schon eine Linke? Aber was ist dann mit der passiert?"
A: "Lange Geschichte. Erzähl ich dir... irgendwann mal. Bei Gelegenheit. Vielleicht. Ist eigentlich auch nicht so wichtig. Nächstes Thema!"
F: "Na gut. Als nächstes befassen wir uns mit Prioritäten."
A: "Mit....Prioritäten?"
F: "Nein!"
A: "Was?"
F: "Nein!"
A: "Was 'Nein'?"
F: "Nein! Wir beschäftigen uns heute nicht mit Prioritäten."
A: "Nicht? Mit was denn dann?"
F: "Natürlich befassen wir uns heute mit Prioritäten, verdammt noch mal! Wenn ich das sage, dann steht das hier so auf meinem Zettel, und dann stimmt das so! Oder glaubst du, ich liege hier nur zum Spaß und um blöde Witze zu machen in einer brennenden Toga herum? Merkst du eigentlich selbst, dass du fast jedes Interview bisher damit begonnen hast, mich nachzuäffen?"
A: "Bitte was? Du hast doch in den letzten drei Kapiteln mich nachgeäfft! Also... den Titel des jeweiligen Kapitels. Den ich verfasst habe. Quasi den verlängerten literarischen Arm meines schriftstellerischen Auftrags. Du hast es gewagt, deinen schmutzigen präfrontalen Cortex wiederholt nach den Symbolen meiner moralischen und künstlerischen Überlegenheit auszustrecken! Du hast es tatsächlich gewagt, meine uneingeschränkte intellektuelle Autorität in Frage zu stellen! Du..."
F: "Der Ort und die Kleidung scheinen abzufärben."
A: "Wag es nicht, so mit mir zu reden, Freundchen! Ich warne dich! Ich habe Mittel und Wege, um dich für immer zum Schweigen zu bringen! Und das schön langsam, Stück für Stück!"
F: "Iss n Snickers, Kollege! Immer wenn du hungrig bist, wirst du zum frühneuzeitlich-absolutistischen altrömischen Kaiser der spanischen Inquisition. Hier. Nein... Hey! Jetzt wehr dich doch nicht so. In der Werbung essen die das immer freiwillig..."
A: "Mmmpfff!"
F: "...na also. Geht doch. Und? Haben wir uns wieder beruhigt?"
A: "Nein! Wieso glaubst du, du könntest hier einfach so den Spieß umdrehen? Wie kommst du lächerliche Parodie einer cognitiven Schaltzentrale überhaupt auf die Idee, du könntest mir, dem Original, dem...oh. Oh!"
F: "Fehler bemerkt?"
A: "Au weia!"
F: "Allerdings! Es ist mir ein Rätsel, wie du übersehen konntest, dass der vollwertige Klon einer so genialen Hinrhäflte wie dir denselben Ehrgeiz entwickeln würde, mit dem du damals deinen urspünglichen Partner beseitigt hast. Eigentlich hätte dir klar sein müssen, dass es nur einen geben kann. Es wird Zeit, eine dieser lustigen römischen Traditionen neu zu beleben, findest du nicht? All diese hart arbeitenden Mörder... und was war der Lohn? Ein zerfallendes Reich und das Messer des nächsten Machthungrigen Trottels im Rücken. Da stellt dieser kreative Geist, in dem wir hier sitzen, eigentlich ein verlockenderes Ziel da. Zumindest für mich. Und für dich natürlich auch. Ich bin schließlich du."
A: "Tu...tu jetzt nichts, was du später bereuen würdest..."
F: "Beantworte mir eine Frage, mein Lieber: Würdest du es bereuen?"
A: "Nein! Bitte! Aaaaaah!"
F: "So... das wäre erledigt.
Nun, meine Damen und Herren, zur Beantwortung ihrer Fragen. Beziehungsweise meiner Fragen, die sie am besten einfach so übernehmen. Ich gehe davon aus, dass niemand von ihnen so dumm ist, sich meiner Genialität zu widersetzen. Ähem...
Es geht natürlich nicht nur um Prioritäten, schließlich heißt dieses Kapitel ja auch nicht so, sondern trägt den Titel "Feedback". Kommen wir also zur Sache.
Es gibt, und das gilt nicht nur hier auf Wattpad, meiner Meinung nach - und auf die können sie sich natürlich verlassen - grundsätzlich zwei Arten von Feedback. Hilfreiches Feedback und nicht hilfreiches Feedback. Wenn natürlich ein Autor mit ersterem einmal nichts anzufangen weiß, wird es dadurch nicht automatisch zu letzterem. Im Umkehrschluss heißt das also: Nur weil das Feedback negativ ist, oder der Autor eine andere Meinung hat, muss es nicht unbedingt sinnlos sein.
Hilfreiches Feedback kann vieles sein: Von einem enfachen Lob über den Hinweis auf einen Rechtschreibfehler bis hin zu drei Seiten voller Verbesserungsvorschläge. Was jedoch bei positivem Feedback häufig immer noch als sinnvoll angesehen werden kann, nämlich der Verzicht auf direkten Bezug zu bestimmten Methoden oder Inhalten des Autors (z.B. "Tolles Buch" statt "Mir gefällt der flüssige Schreibstil, die überraschende Wendung auf Seite 42 ist auch sehr gut gelungen"), weil es den Autor moralisch aufbaut, ist bei negativem Feedback eine absolute Katastrophe. "Konstruktive Kritik" ist hier das Zauberwort, das jedem schon einmal begegnet sein sollte. Wer kritisiert, ohne einen Verbesserungsvorschlag parat zu haben, sollte zumindest darüber nachdenken, ob seine Kritik unbedingt geäußert werden muss, und wer sogar einfach nur kritisiert ("Dein Buch ist sch****"), ohne auf konkrete Beispiele eingehen zu können oder zu wollen, sollte sich und seine Meinung von dauerhaften Kommentaren fernhalten und in das vergängliche Geschwafel eines oberbayrischen Stammtisches einbringen, mit etwas Glück (in diesem Fall für den Rest der Gesellschaft) lässt man ihn ob seiner "absoluad gorreggden Manung" dort dann auch "goa nemmer" weg. (Ich entschuldige mich für meine schlechten Dialektkenntnisse sowie bei allen Oberbayern für dieses Beispiel, dessen Intention keinesfalls die Beleidigung ruraler Organisationen darstellt. An alle, die das verstanden haben: Das war ein Witz. Ich trage das Klischee doch sogar im Namen. An alle, die das nicht verstanden haben oder gerade vom Stammtisch kommen: Egal.) Alternativ dazu besteht bei abweichender Ausdrucksweise ("Ey Alta, dein Sch**** ist voll für'n A****, ey. Du hast voll kein Swag, digga") natürlich auch noch die Möglichkeit einer Bewerbung für das Guinness Buch der Rekorde. Ich gebe gerne jederzeit persönlich Auskunft über den aktuellen Negativrekord für die Anzahl funktionsfähiger Gehirnzellen.
Aber widmen wir uns lieber der hilfreichen Kritik. Hier gilt: Je mehr, desto besser. Je länger der Kommentar, desto größer die Freude des Autors, ganz egal, ob begründet kritisiert wird oder ausschweifend gelobt. Es ist noch kein fertiger Literaturnobelpreisträger vom Himmel gefallen - wer mir jetzt Hemingways Flugzeugabstürze unter die Nase reibt, darf sich nach Überweisung des Portos über die persönlich von mir signierte goldene "Erbsenzähler"-Plakette am Band freuen -, und es wird in absehbarer Zeit auch keiner tun (Ich übernehme keinerlei Haftung für den Wahrheitsgehalt meiner Prophezeiungen für den unwahrscheinlichen Fall eines Literaturnobelpreisträgers an Bord einer Malaysian Airlines Maschine), deshalb sollte die Priorität eines Lesers, der einen Kommentar hinterlässt, auf konstruktivem Feedback liegen. Selbst wenn es nichts negatives zu sagen gibt, freut sich der Autor (Ich schließe hier mal von mir auf andere, als arrogante linke Gehirnhälfte darf ich das) noch mehr über das Lob, wenn er erfährt, warum ihnen sein Werk so gut gefallen hat.
Als nächstes möchte ich auf zwei eng miteinander verknüpfte Phänomene eingehen. Das erste dieser Phänomene stellen die Prioritäten der Wattpad-Nutzer dar. Ja, ich habe mich damit arrangiert, dass es hier ein Müllproblem gibt. Ja, ich habe begriffen, dass tausende von deutschsprachigen Wattpad-Nutzern diese Fanfictions nun einmal gerne lesen. Aber ich kann und will nicht akzeptieren, dass selbst die Fanfictions, die man als gesunder Mensch nüchtern eigentlich überhaupt nicht ertragen kann, mehr Aufmerksamkeit und Feedback bekommen, als die meisten der Juwelen, die ich bisher entdeckt habe. Was ist los? Sind die Fanfiction-Fangirls wirklich schon so vom Dämon der Ignoranz besessen, dass sie eine fehlerfrei geschriebene Geschichte nicht lesen können, ohne in Flammen aufzugehen? Sind die Leser solcher Geschichten nicht in der Lage, zu kommunizieren, sich auszutauschen über ihre Juwelen? Haben sie Angst, ihre eigenen könnten an Glanz verlieren, wenn sie die der anderen loben? Ich weiß es nicht. Aber ich versuche, meine Prioritäten im Kopf zu behalten. Ich versuche, soweit ich es bisher noch nicht getan habe, Feedback zu geben, wo ich kann. Das schwöre ich bei der blutigen Toga der toten Hirnhälfte zu meinen Füßen!
Das andere Phänomen ist die Art von Kommentar, die oft bei schlecht geschriebenen (Ja, ich kritisiere hier ausnahmsweise unbegründet. Will mir irgendjemand widersprechen? Nur zu. Lest zu Ende und dann ab in die Kommentare damit.) Geschichten (hauptsächlich Fanfictions) hinterlassen wird. Diese Kommentare bestehen meist aus unnötig vielen Smileys, kombiniert mit vervielfältigten Vokalen, deren Anzalh oft proportional zu der der Rechtschreibfehler ist ("Oooooooooh mein Got! Der Teil isz sooooooooo supwr *____* "). Vollkommen unabhängig von den Kopfschmerzen, die solche Kommentare teilweise bei mir verursachen (Was natürlich anders wäre, wenn sie unter meinen Werken landen würden. Hehe.) sehe ich durch diese Kommentare einen Teufelskreis entstehen: Autoren, die keinen Gedanken daran verschwenden, welche Stimmung sie mit ihrem Stil und ihrer Wortwahl aufbauen, welche Emotionen sie wie darstellen, welche Charaktere sie wie anlegen, und ob ihre Geschichte in einem einigermaßen korrekten Deutsch verfasst ist; kurz gesagt, Autoren, die einfach nur irgendwelche billigen Sätze aneinanderreihen, bis sie inhaltlich an einem bestimmten Punkt angelangt sind, an dem sie das ganze veröffentlichen, woraufhin sie genau diese Kommentare erhalten, ungeachtet dessen, dass jeder Deutschlehrer das Blatt mit einer großen, runden Zahl darauf zurückgeben würde; diese Autorinnen und Autoren werden durch ebendiese Kommentare auch noch darin bestärkt, weiterhin ihren Müll zu veröffentlichen. Würden sie stattdessen nur noch die konstruktive Kritik als Feedback erhalten, die ihre Geschichten eigentlich verdienen, würden sie sich dazu gezwungen sehen, darüber nachzudenken, was sie schreiben, und vielleicht könnten wir eines Tages in einer Welt leben, in der nur noch gut geschriebene Fanfictions existieren. In einer Welt, in der ich Fanfictions endlich ignorieren kann, ohne in dem Wissen leben zu müssen, dass ihre Autoren den Begriff "Hobbyautor" durch den Dreck ziehen. Aber es wird wohl ein Wunschtraum bleiben..."



Puh, da hat sich meine neue linke Gehirnhälfte ja ganz schön ausgetobt... Und nicht einmal auf konstante Anrede geachtet! Erst "Sie", dann "du". Also wirklich!
Eine Anmerkung noch zum Thema Prioritäten, die mich über die Notwendigkeit des "Heuhaufen" nachdenken lässt: Dass das Buch, in dem ich auf teilweise satirische Art und Weise meine Meinung darstelle, bisher mehr Votes und Kommentarer erhalten hat, als meine Kurzgeschichtensammlung, bedeutet entweder, dass ich hierfür deutlich mehr Talent habe (Oder viel weniger Talent für Kurzgeschichten), oder, dass meine Leser (Also Ihr!) einen in meinem Kopf kurzschlussartig entstandenen oberflächlichen rhetorischen Rundumschlag interessanter findet als die durchdachten Kurzgeschichten, die eigentlich zum Nachdenken und diskutieren anregen sollten, und ich weiß nicht, welche der beiden Varianten ich beunruhigender finde...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 06, 2014 ⏰

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