1. Kapitel

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"Und ich sage dir es ist ein Fall!" Ich schreckte aus meinen Tagträumen hoch, setzte mich aufrecht hin und blinzelte. Die blassen Sonnenstrahlen erleuchteten das Zimmer und spiegelte sich in dem runden Spiegel gegenüber von mir. Leicht geblendet drehte ich meinen Kopf nach links und sprang sofort auf. Vor mir sah ich meinen Bruder, der kurz davor war, meinen besten Freund zu erwürgen. Beide funkelten sich gegenseitig an und schienen alles andere um sich herum ausgeblendet zu haben. Auf dem runden Holztisch neben ihnen stand ein halb aufgeklappt Laptop, aus dem leise Klaviertöne erklangen und eine halb zerrissene Zeitung. "Es ist kein Fall! Es war nur eine verrückte Frau, die mit ihren Emotionen nicht klar kam." Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen ging ich auf die beiden zu und versuchte dabei möglichst leise zu sein. Als ich direkt neben ihnen stand hob ich beide Arme und schlug beiden auf die Schultern. "Würdet ihr mich einweihen?" Während mein Bruder vor Schreck zurücksprang, blieb Liam stehen und sah mich an. Der wütende Ausdruck war aus sofort aus seinen Augen gewichen, als er mich sah. Fordernd zog ich beide Augenbrauen hoch und sah abwechselnd von Liam zu Isaac. "Wieso hast du das getan?" Isaac baute sich vor mir auf und sah Anklagend auf mich hinab. Seine braunen Haare fielen dabei nach vorne und verdeckten leicht seine Sicht. Doch ich lächelte nur und ging zu dem Tisch. Dort klappte ich den Laptop zu und die Musik verstummte sofort.

"Es geht um die Frau, die vor drei Tagen getötet wurde." Liam griff nach der Zeitung, die leise knistert, als er die richtige Seite aufschlug und sie mir anschließend in die Hand drückte. "Sie wurde in ihrem Haus überfallen und getötet." Fuhr Isaac fort. "Das wars. Es gibt nichts, das darauf hinweist, dass es ein unnatürliche Tod deutet." Daraufhin seufzte Liam jedoch nur, drehte sich um und ging zu dem gemachten Bett. Die Matratze gab sofort nach und er sank mindestens zwanzig Zentimeter hinein. "Wieso sollte es dann ein Fall sein?" Nach einem kurzen Moment der Stille antwortete mein Bruder: "Das Selbe hab ich Liam auch gefragt. Er hat mir diesen Artikel gezeigt." Den Artikel, den er mir nun in die Hand drückte, kannte ich bereits. Ein Ermordeter und seine Verlobten, die wirre Dinge erzählte. Merkwürdig, aber nicht ungewöhnlich. "Ja, ich erinnere mich an daran. Und was haben diese beiden Frauen gemeinsam?" Ich hielt Isaac den Artikel wieder hin. Doch plötzlich stach mir etwas ins Auge und ich riss meine Hand zurück, bevor mein Bruder danach greifen konnte. Meine Augen flogen über den Text. "Die beiden Frauen waren Schwestern?!" Ungläubig und mit großen Augen sah ich zuerst Isaac an und wandte mich anschließend zu Liam. Dieser hatte sich aufgesetzt und nickte lächelnd. "Exakt. Alisha und Isabel Walker. Beide sind in der letzten Woche verstorben. Eine durch Herzversagen und die andere wurde umgebracht. Alisha wurde davor beschuldigt, ihren Verlobten umbegracht zu haben und Isabel war die Mittäterin." Ich nickte langsam.

Alisha Walker. Ich hatte es bereits in den Nachrichten gehört. Nach dem Mord an ihrem Verlobten wurde sie in eine Psychiatrische Klinik eingewiesen, da sie wirre Dinge sprach und ihre Hysterie nicht abnahm. Sie konnte sich einfach nicht beruhigen.
Die Polizei hatte sonst jedoch nichts ungewöhnliches bemerkt und auch die Aussagen hatten nicht dabei geholfen, das Motiv zu erschließen . Erst durch einen anonymen Tip wurde ihre Schwester Isabel auch als Tätern verdächtigt. Laut diesem befänden sich Dokumente in ihrem Besitz, die alles erklären würden. Was die Polizei jedoch nicht wusste: Isabel wurde zwei Tage nach dem Mord durch einen Einbrecher getötet und  es blieb keine Zeit, sie zu befragen.

"Drei Morde in so kurzer Zeit. Entweder diese Familie hatte ernsthafte Probleme oder es gibt eine einfache Erklärung." Ich sah auf und legte die Zeitung zurück auf den Tisch. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Zufall war. Wir müssen dort hin." Liam stand nun auf und ging zu mir, sodass wir beide gegenüber von Isaac standen. "Zwei gegen Einen. Sorry Isaac, du bist überstimmt." Isaac schwieg kurz und sein Blick wanderte von mir zu Liam und wieder zurück. Dann seufzte er und ließ die Schultern hängen. "Na gut. Aber nur zu den üblichen Regeln!" Ich zog meine Augenbrauen hoch und sah, dass Liam das selbe tat. Isaac ging jedoch nur rückwärts zur Tür und hob dabei entschuldigend beide Hände. "Das ist die einzige Bedingung, sonst fahren wir nicht." Liam und ich tauschten einen Blick aus und nickten gleichzeitig.
"Okay!"

Im Eiltempo räumten wir unsere Sachen zusammen und packten unsere Rucksäcke und Taschen. Vollgepackt standen wir anschließend draußen. Liam brachte die Schlüssel für das Zimmer, das wir gemietet hatten zurück und Isaac und ich warteten. Ich sah nach oben in den Himmel und hauchte kleine Wölkchen in die kalte Luft. Isaacs Blick verfolgte jede meiner Bewegungen, bis er schließlich den Rucksack auszog und ihn zu seiner Tasche auf den Boden stellte. Ich drehte mich zu ihm und sah den besorgten Blick in seinem Gesicht. "Was ist?" Er kam näher. "Bist du sicher, dass du mit willst?" Ich lachte kurz auf. "Ist das dein Ernst?" Er nickte bloß ernst und sah mir fest in die Augen. Ich drehte mich halb weg von ihm, und beobachtete die Umgebung. Alles, nur nicht Isaac, denn sonst, das wusste ich, würde ich anfangen zu weinen. "Es geht mir gut." Aus den Augenwinkeln sah ich ihn zu mir treten und einen Moment später wurde ich in seine Arme gezogen. "Kate. Du weißt, du kannst deine Gefühle nicht vor mir oder Liam verstecken. Wir sehen doch, dass es dir nicht gut geht. Ist irgendwas zwischen dir und deinen Freunden vorgefallen? Oder gibt es Probleme mit Nick?" Ich schloss meine Augen und grub das Gesicht in seine Schulter. Isaac wiegt mich leicht in seinen Armen, um mich zu beruhigen.
Ja, es gab Probleme mit Nick. Doch das konnte ich jetzt niemandem erzählen.

Wir mussten uns auf den Job konzentrieren. Zu viel stand zu oft auf dem Spiel. Jedes Mal setzten wir unser Leben aufs Spiel und jedes Mal konnte es einen von uns treffen. Fast fünf Jahre jagten wir nun zusammen, kümmerten uns um die Dinge, die für viele im Schatten lagen und jeder kannte den Anderen besser als sich selbst. Wir waren ein eingespieltes Team und wir wussten, dass Vorsicht und Sorgfalt besser als Nachsicht waren. Verletzungen waren an der Tagesordnung beim Kampf gegen die übernatürlichen Wesen, die sich auf der Erde befanden. Werwölfe, Vampire, Geister, Dämonen. Ein kleiner Bruchteil, dessen, was im Schatten wandelt.
Die normale Polizei hatte keine Ahnung. Niemand wusste es. Nur einzelne Personen oder Familien, die geschworen hatten, diese Albträume zu vernichten. Es gab ein klares Schwarz-Weiß-Denken. Böse oder nicht Böse, Mensch oder nicht Mensch. Alles was eine potenzielle Gefahr sein könnte, muss eliminiert werden. Viele dieser Jäger hatten  eine tragische Vergangenheit, die einen Hass auf diese Kreaturen auslöste.
Nur manche verstanden, dass es auch Grauschattierungen gab. Monster, die niemals welche sein wollten, Menschen, die sich wie Monster verhielten und andere mit ihren Handlungen bewusst verletzten.

Einen kurzen Moment drückte Isaac mich fester an sich, dann ließ er mich los und sah mich nochmal genau an. Ich wischte die Tränen aus meinem Gesicht und sah ihm in die grün-braunen Augen. Er im Gegenzug strick meine leicht verstrubbelten braunen Haare aus dem Gesicht. "Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst." Es war keine Frage. Ich senkte den Blick. "Mir genauso. Verschließ dich nicht vor uns." Ich zuckte erschrocken zusammen. Liam stand neben uns. Meine zwei Jungs,die ich schon mein ganzes Leben lang kenne. Mir kamen erneut die Tränen und ich schloss beide noch einmal in eine lange Umarmung. "Ich weiß."

BloodstreamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt