69 | Realität

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,,Welches Datum ist heute?", murre ich leise, während ich die bestimmte Strukturformel von der Tafel abschreibe.

,,Der fünfte", wispert Jimin, der neben mir sitzt— seinen Blick nicht von seinem Buch abwendend.

,,Wie geht es Yoongi?", frage ich dann noch leiser. Jimin hält etwas inne und blickt zu mir.

Ich erwidere seinen Blick.

,,Er ist okay", antwortet er nur.

,,Okay?"

,,Ja, okay", wiederholt Jimin.

Ich unterdrücke es zu seufzen und belasse es dabei.





Seit Montag habe ich kein Wort mehr mit Yoongi gewechselt und ihn so selten wie nur möglich zu Gesicht bekommen. Wenn sich unsere Wege mal gekreuzt haben, dann ist dieser Moment nur viel zu kurz gewesen.



Und ich schätze, dass einer dieser Momente genau jetzt auch ist.
Nur dass sich unsere Wege für eine längere Weile kreuzen.

Ich sehe auf, als sich jemand zu mir setzt und schnappe überrascht nach Luft, als ich erkenne, dass es Yoongi ist. Er hat Kopfhörer in den Ohren und würdigt mich erstmals eines kurzen Blickes, nickt mir dann zu, ehe er sich von mir abwendet und sein Handy rausholt.

Ich blinzle nur unbeholfen und sehe, wie er konzentriert etwas auf seinem Handy eintippt.



,,Du starrst", höre ich ihn unerwartet sagen.

Ich schaue sofort zu ihm und realisiere, dass er genau in meine Augen schaut.

,,Sorry", ist alles, was ich über meine Lippen kriege. Ich lehne mich langsam nach hinten in den Stuhl, unbeholfen fühlend. Yoongi seufzt nur leise und zieht seine Kopfhörer aus seinen Ohren.

,,Weißt du, wo die anderen sind?", fragt er mich dann. Er blickt von mir weg, und schaut um sich umher— nur um dann resigniert erneut zu seufzen.

Ich frage mich, wie er es macht.

So ruhig zu bleiben— ruhig gegenüber von mir zu sein. Ich merke, wie mir allmählich die Luft vergeht. Denn ich möchte nicht, dass wir die nächsten Monate so weiter machen, wie gerade. An einander vorbei zu reden und so zu tun, als wäre alles in Ordnung.

,,Y/n?", die Stimme meines Gegenübers holt mich aus meinen verzweigten Gedanken. Ich schlucke schwer und zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen.

,,Keine Ahnung", antworte ich ehrlich.

,,Okay", ist dann alles, was zurückkommt. Und dann ist da wieder die Stille.

Ich spanne meine Kiefer viel zu fest an und blicke von Yoongi weg.
Mürrisch greife ich nach meinem Handy und stöbere durch Apps, die mich von der jetzigen Situation ablenken. Irgendwie scheine ich etwas zu sehr in meine Tat vertieft zu sein, dass ich viel zu spät bemerke, dass der Blick Yoongis auf mir ruht.

Ich stütze meinen Kinn auf meine Handfläche ab und scrolle zur Seite, nach unten und viel zur oft zur Seite.

Als ich dann letztendlich leise lache, wandern meine Augen ungewollt zu meinem gegenüber.


Ich verstumme sofort.


,,Was ist?", kommt es mir überrascht über meine Lippen. Yoongi blickt zu mir und macht nicht die Anstalten, wegzuschauen. Er verhält sich zudem nicht so, als wäre er beim Starren ertappt worden.

Er wirkt fast schon normal.


,,Wie machst du das?", kommt es dann unschlüssig von Yoongi.
Perplex starre ich zurück und weiß nicht so recht, was ich auf seine Frage antworten soll.

Deswegen kommt nicht mehr als ein viel zu leises Wie bitte? über meine Lippen.

,,So zu tun als wäre nichts", etwas schwingt in seiner Stimme mit.
Auf die Schlussfolgerung, dass mir seine Tonlage nicht gefällt, ziehe ich meine Augenbrauen leicht zusammen.

,,Ich tue nicht so, als wäre nichts. Ich versuche damit umzugehen, was von außen vielleicht nicht zu erkennen ist", antworte ich sofort und Yoongi schnaubt nur.

,,Wer's glaubt", höre ich ihn nur murmeln. Ich schnappe leise nach Luft und räuspere mich. Yoongi hebt seine Augenbraue, darauf wartend, dass ich etwas sage.

,,Du", sage ich und zeige auf ihn, ,,bist nicht der einzige, der leidet, verstanden?" Yoongis Augenbraue senkt sich etwas, aber seine Geschichtszüge ändern sich nicht.

,,Ich leidete", korrigiert mich der dunkelhaarige.

,,Dann die Vergangenheitsform— aber gut, dass du über mich hinweg bist", erwidere ich und Yoongi nickt langsam.

,,Das ist perfekt", er lächelt milde— das Lächeln wirkt viel zu falsch.
Er schaut kurz von mir weg, um erneut nach unseren Freunden Ausschau zu halten, aber nur wieder zu mir zu schauen, nachdem er niemanden entdeckt hat.

,,Aber warum", sage ich unerwartet, ,,hast du mich gerade gefragt Wie ich das mache?"

,,Was?", Yoongi blickt verwirrt zu mir.

,,Du hast mich gefragt, wie ich es schaffe so zu tun, als sei nichts", wiederhole ich.

,,Ich wollte es einfach", ist alles, was zurückkommt. Das ergibt null Sinn.


,,Lüge", sage ich sofort und Yoongi zieht seine Augenbrauen zusammen.

,,Y/n, du bist kurz davor, wieder die altbekannte Grenze zu überschreiten", Yoongis Stimme ist viel zu leise und seine Fäuste geballt.


,,Dann riskiere ich es", feuere ich zurück und Yoongi steht auf.
Er packt seine Sachen zusammen und schaut mich fast schon verächtlich an.

,,Hör auf mit dem Scheiß und lass es dabei", fordert Yoongi. Ich spanne meine Kiefer erneut an und gebe mir sehr viel Mühe, nicht ebenfalls aufzustehen.


,,Ich wollte mit dir reden, Yoongi", setze ich an und will weiterreden, aber ich werde unterbrochen.

,,Willst du jetzt sagen, dass du die Person bist, die am Ende die Gute ist? Ich wollte", er stoppt und verzieht angepisst sein Gesicht.

,,Ich wollte mehr. Mehr wollte ich", sagt er schnell und schultert seine Tasche.

,,Du weißt, dass das falsch—"

,,Ich weiß!", seine Stimme ist viel zu laut. Ich zucke zusammen, während meine Augen sich für wenige Sekunden weiten.

Schüler werfen uns neugierige Blicke zu und ich schlucke schwer.

Yoongis Brust hebt und senkt sich viel zu sehr.


Ihm geht es beschissen.



,,Vergiss es", höre ich ihn unter seinem Atem sagen, ehe er mir den Rücken kehrt und geht.

HATE MATE | m.yg x Reader ✔︎ [texting]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt