Es war auf Kronos gewesen, am Tag nachdem Dodo seinen Jagdunfall gehabt hatte.
Wie ein dunkler, aber dennoch für seine Umgebung unsichtbarer Schatten hatte die Namensgleichheit mit dem sprichwörtlichen ausgestorbenen Vogel über ihm gehangen; denn wer immer als Erster Dominik Domanczik zu Dodo verkürzt hatte, ihm war gewiss die Signifikanz entgangen, vermutete Samantha, ebenso wie all den anderen aus seinen Kreisen, die den Namen danach aufgegriffen und wahrscheinlich ebenso gedankenlos auf der Zunge geführt hatten. Doch egal ob bemerkt oder unbemerkt, dieses Omen hatte ihn jetzt letztlich eingeholt.
Samantha Bergstrom war als Letzte zu dem einberufenen Treffen in dem schummrig beleuchteten Hinterzimmer des Kronos Midian gekommen. Es war ihr auch egal. Nach dem Eindruck, den die Gesellschaft auf sie machte, hätte sie, wenn sie eine viertel Stunde früher gekommen wäre, auch nichts daran geändert. Oder eine ganze, oder zwei. Diese Gesellschaft hier tagte schon eine ganze Weile länger in den Räumen des Nobelhotels.
Da saßen sie zwischen wuchtigen Tragepfeilern aus rötlich rauem Stein, welche die niedrige Decke trugen, und üppigen Fettpflanzen, eine Bande von Kopfschlächtern in Anzügen, ein Minister und ein Staatssekretär darunter. Grossi, der auf der äußeren Kante der Bank saß, damit er es bei seiner Leibesfülle bequemer hatte, schlüpfte unter der Tischplatte heraus, kam auf sie zu und legte ihr den Arm um die Schulter.
„Hallo, Samantha, mein Mädchen, alles klar?“
Sie verbiss sich eine Antwort darauf, denn die konnte bei ihrer augenblicklichen Stimmung nur ehrlich ausfallen.
Grossi führte sie zum Tisch, wo auf einen Wink von ihm einer der Männer ein Glas großzügig überschäumend mit Gothand-Champagner füllte und ihr anbot.
„Wie geht es dir? Besser als Dodo, möchte ich wetten.“
Einer der Männer am Tisch warf sich weg vor Lachen, erntete dafür aber, wie sie bemerkte, von niemandem einen strafenden Blick. Samantha setzte sich, sagte gar nichts und stellte das nicht angerührte Glas mit sprödem Klicken auf der Tischplatte ab. Erst einmal kommen lassen. Man war offensichtlich ausgezeichneter Laune, und einige Gläser Champagner – für die Kopfschlächter, nicht für sie – und ein paar derbe Späße später kam Grossi endlich zur Sache.
„Traurige Angelegenheit, Samantha, mein Mädchen, das mit Dodo. Du hast, höre ich von den Jungs, die meisten deiner Geschäfte mit ihm durchgezogen.“
Wenn Grossi das erst von den Jungs hören musste, litt er neuerdings unter Demenz; wenn es einer wissen sollte, dann war er es.
„Ist ’ne schwierige Situation für dich – wie für uns alle natürlich.“ Grossi seufzte theatralisch, nutzte die Kunstpause dazu, ihr das Knie zu tätscheln. „Wir haben darüber gesprochen, ich und die Jungs. Du bist ein properes Mädchen und du weißt, wie das Geschäft läuft. Wir meinen“, und er warf einen zufrieden satten Blick in die Runde, „dass du die Geschäfte, die du vorher über Dodo laufen hattest, genauso gut mit Popesku durchziehen kannst. Kein Verlust für dich, glatter Übergang; wie sagt man so schön auf Merkanin: under new Management.“
„Und das neue Management weiß deine Waren genauso zu schätzen wie Dodo, vielleicht noch mehr,“ sagte der, der sich eben noch weggeschmissen hatte – Popesku hieß er also –, auch jetzt ein Grinsen um die Mundwinkel und einen anzüglich schmierigen Blick in den Augen.
Samantha schwieg eine Sekunde, langte dann über den Tisch nach Popeskus goldenem Zigarettenetui, nahm sich eine heraus, knickte sie mit betonter Bedächtigkeit durch und steckte sie sich dann mit schlaff herabbaumelndem Ende zwischen die Lippen, drehte sich zur Seite und meinte: „Grossi, sei ein Schatz, bestell mir mal was Stärkeres. Die Kippen hier gleichen jedenfalls für meinen Geschmack allzu sehr ihrem Besitzer: Haben an entscheidenden Stellen einen Hänger und der Rest scheint mir auch ziemlich flau und abgeschmackt.“