Luna's Sicht:
8 Jahre später: (Luna 9, Cora 11)
Kein Mensch hatte mich in den letzten Jahren zu Gesicht bekommen. Das war auch gut so. Wahrscheinlich denken viele, ich sei tot. Die Wahrscheinlichkeit war sehr hoch, dass es die meisten dachten. Meine Höhle lag irgendwo im Drachenreich, weit weg von den Menschen. Irgendwie wollte mein Körper nicht langsam wachen. Ich war doppelt so groß, wie vor acht Jahren. Im Wald konnte ich nicht jagen, denn so hätte ich die Bäume beschädigt und die Tiere verjagt. Was bei den Menschen vor sich ging, war mir ein Rätsel. Das einzige, was ich mitbekam, waren die vielen Kämpfe des Krieges. In meiner Nähe war keinerlei Beute mehr, weshalb ich beschloss aufzubrechen. Ich wusste auch schon genau wohin: zu Luna!
Die Menschen unter mir schauten nicht schlecht, als ich über sie hinweg flog. Doch lange hatten sie nicht zu schauen, denn meine Flügel trugen mich schnell weg. Meine Flügel trugen mich problemlos bis über die Wolken. Dadurch, dass heute ein sehr regnerischer Tag war, konnte man mich nicht sehen, wenn ich über den Wolken war. Mein Herzschlag ging gleichmäßig, sowie meine riesigen Flügel. Mit meinen Augen konnte ich mich nicht orientieren, weshalb ich mich von und ganz auf meine Ohren und meine Nase verließ. Es war ein relativ weiter Weg, bis ins Regenkönigreich. Doch ich brauche nur drei Stunden, bis ich die Geräusche und Gerüche der Stadt wahrnahm. Keiner hatte mich bis zu diesem Zeitpunkt wahrgenommen. Jedoch kamen die ersten Schreie, als die Menschen nach und nach meine Flügelschläge hörten. Die Wolken über der Stadt verschwanden und die Glocken wurden nach nur wenigen Minuten geläutet. Während die Glocken läuteten, kam ich unter den Wolken hervor. Wie erstarrt standen die Bewohner auf der Straße und schauten zu mir hinauf. Angst war zu spüren. Mit einem Sinkflug begann ich hinunter zur Stadt zu kommen. Plötzlich gerieten die Menschen in Panik. Sie liefen umher und versuchten Schutz zu erhalten. Sie sollen stehen bleiben! Sowas regte mich unfassbar auf. Ich verlor den Überblick und sie verhielten sich nur wie meine Beute, nur in dümmer.
Dann sah ich sie: die Festung. Auf jedem Balkon standen Wachen, welche mit Speeren in meine Richtung zeigten. Je näher ich Ihnen kam, desto mehr zitterten sie vor Angst. Ihre Rüstungen klapperten zwar nicht, doch der Schweiß sammelte sich auf ihrer Stirn und ihre Hände ließen die Speere zittern. Durch den Sinkflug würde ich deutlich schneller und raste nur so auf sie zu. Das letzte mal, dass ich hier war, war acht Jahre her. Zu dieser Zeit war ich nur halb so groß, wie jetzt. Diese Angst in den Augen der Menschen war einerseits provozierend, andererseits taten sie mir irgendwie Leid.
Ich landete kräftig im Hof der kleinen Festung. Er war sehr groß und bot mir mehr als genug Platz zum Landen.
Unsanft landete ich mitten auf dem Hof. Für wenige Sekunden regte sich nichts. Dann kamen vom Tor zur Stadt hin einige Wachen und aus dem Eingang der Burg kamen ebenfalls einige Wachen. Sie umzingelten mich nach nur einer Minute vollständig. Meine Flügel verschafften mir jedoch noch genügend Platz, um wieder problemlos abzuheben. Wendel kam hinter den Wachen heraus stolziert. Er hatte Angst, das konnte ich genau riechen, doch Wendel zeigte sie nicht. Lily war nicht dabei, genauso wenig wie Luna. Die Wachen hatten ihre Speere auf mich gerichtet, in der Hoffnung, mich irgendwie verletzen zu können. Dumme Menschen. Wendel sprach mit sicherer Stimme zu mir: „So sieht man sich wieder, Cora. Nach all den Jahren, kommst du ausgerechnet hierher. Wir alle dachten, du seist tot oder würdest nie wieder kommen. Zu meinem Bedauern ist dies nicht der Fall." Ein junges Mädchen schaute über einen Balkon zu. Es war Luna, das wusste ich. Ihre Seele war für mich unverwechselbar. Wendel bemerkte dies offensichtlich nicht, denn er sprach weiter: „Dir bleiben zwei Möglichkeiten: entweder du unterwirfst dich und wir tun dir nichts. Dann könntest du immerhin wegfliegen, oder du wirst umgebracht. Das, was du meiner Tochter abgetan hast, ist nicht akzeptabel!" Ich habe ihr doch gar nichts angetan! Ein Blick zu Luna entwich mir. Unsere Blicke trafen sich. Doch dann sah ich plötzlich Lily, die ihre Tochter nach hinten zog. Sie schien mit ihrer Tochter zu schimpfen, doch durch das schreien von Wendel konnte ich es nicht hören. „ANGRIFF!", schrie er. Die Männer rannten auf mich zu und versuchten mit allen Mitteln meine Schuppen zu durchbrechen. Doch es war zu spät. Meine Schuppen waren zu stabil, als das sie sie hätten zerstören können. Selbst auf meinem Rücken waren manche. Mit einem Satz erhob ich mich einfach in die Luft. Die Angreifer, die auf mich geklettert waren, fielen hinunter und landeten meist tot auf dem Boden. Wendel rannte hinein und die restlichen Wachen warfen mit ihren Waffen nach mir. Wie zu erwarten, prallten sie ab und trafen einige ihrer Besitzer. Teilweise töteten sie sie sogar. Mit nur wenigen Flügelschlägen erreichte ich den Balkon. Die Tür war verschlossen. Meine Hinterbeine krallten sich an den kleinen Zaun, der am Balkon war. Es knackte zweimal fies und dann hatte ich auch schon genug halt. Luna stand da mit Lily. Sie wollte zu mir, doch Lily hielt sie fest. Ohne, dass ich irgendetwas getan hatte, war mit mir jemand verbunden. Geistig verbunden. Es kam mir so vertraut vor. Luna schaute mich verwirrt an. Sie war genauso verwundert darüber, wie ich. Unsere Seelen waren miteinander min verbunden. Lily wollte ihr Töchter gerade rausbringen, als ich die Tür ausriss. Geschockt ließ sie Luna los, welche direkt zu mir rannte. Bei mir bist du sicher! Ich weiß. Sie konnte mit mir kommunizieren! Unsicher rannte das Mädchen auf mich zu. Lily traute sich erst gar nicht, ihre Tochter aufzuhalten. Behutsam lehnte ich meinen Oberkörper etwas hinunter und ließ Luna über meinen Flügel auf meinen Rücken klettern.
Ich fand es seltsam, einen Menschen auf meinen Rücken zu lassen, doch Luna war kein normaler Mensch. Sie war anders.
Lily bemerkte nun, was wirklich passierte und rannte auf mich los. Sie wollte Luna noch von mir wegziehen. Sie hatte gerade meinen Kopf erreicht, als ich sie anknurrte. Mein Herz schlug schneller. Doch ich spürte auch Angst. Es war nicht meine eigene, es war die von Luna. Dadurch, dass wir geistig miteinander verbunden waren, spürte ich alles, was sie spürte und sie spürte alles, was ich spürte. Es war ebenso mit allem anderen. Ihre Erinnerungen und ihre Gedanken strömten auf mich ein, sowie meine es ebenso taten. Jedoch konnte ich es ein wenig zurückdrängen, dass sie nicht allzu viel erhielt.
Mein Knurren ließ Lily erstarrten. Mit weit aufgerissenen Augen schaute sie mich an. Luna kletterte weiter auf meinen Rücken hinauf.
Plötzlich kamen Wachen von hinten hinein gestürmt. Mein Herz schlug schneller. Meine Flugmanöver mussten für Luna sicher sein und schnell. Erst jetzt wurde mir wirklich bewusst, was ich da eigentlich tat.
Kaum saß Luna oben, da hob ich auch schon direkt ab. Auf meine Flügel wurden Pfeile geschossen, welche zum Glück abprallen. Luna klammerte sich ängstlich an meine Zacken. Sie selbst lag direkt zwischen meinen inneren Reihen der Zacken. Es war kein Wind da, der mich tragen konnte, deshalb schlug ich umso kräftiger mit meinen Flügeln.
Wir entfernten uns immer schneller von Lunas Zuhause. Einige Soldaten auf Pferden ritten uns hinterher. Auch der König war unter ihnen. Was er rief, konnte und wollte ich nicht verstehen. Ich flog einfach weiter und weiter in Richtung Drachenreich. Wir machen einen kurzen Stopp in einigen Kilometern, damit ich etwas fressen kann. Es wird uns dort keiner finden können. Und danach? Was machen wir dann? Ich habe so viele Fragen an dich. Du kannst mir deine Fragen gerne stellen. Ich werde sie dir versuchen zu beantworten. Stille herrschte für einige Minuten. Dann begann Luna laut zu fragen: „Also, woher kennst du mich? Warum bin ich mit deinem Geist verbunden? Wieso hast du mir geholfen? Wo geht es jetzt hin? Was passiert jetzt?" Ich kenne dich, seitdem du getauft wurdest. Deine Mutter hat mein Ei aus dem Fluss geholt und als ich bei ihr auf dem Tisch geschlüpft bin, hat sie sich dafür entschieden, mich nicht dem König auszuliefern, sondern mich in den Wald zu setzen. Einige Zeit später war sie auf der Jagd und wurde von deinem Großvater und seinen Männern entdeckt. Sie wollten sie mitnehmen, warum auch immer. Ich als Jungdrache habe sie in diesem Moment beschützt. Meine Existenz habe ich preisgegeben, um Lily zu retten. Den König und all seine Männer, die bei ihm waren, und fast alle Pferde habe ich getötet, damit Lily nichts mehr passieren konnte. Keiner wusste von meiner Existenz mehr, außer Lily. In den Monaten bin ich viel gereist und im Winter bin ich schließlich wieder in diese Gegend gekommen. Dein Vater hat mich mit seinen Männern gehetzt und sie wollten mich töten, wenn ich nicht gehorche. Ich glaube zwei seiner Männer konnte ich töten, bis deine Mutter kam. Sie hatte plötzlich macht und meinte ich solle doch verschwinden. In diesem Moment ist sie mir in den Rücken gefallen. Als ich von deiner Taufe erfahren habe, war ich irgendwie verärgert darüber und bin zu euch geflogen. Dort habe ich gespürt, dass du anders bist. Und dann bin ich schon wieder weiter. Mit unserer Verbindung bin ich mir selbst sehr unsicher. Doch ich tippe auf Magie.
Was jetzt passiert, kann ich dir nicht genau sagen. Hauptsache weg von hier.
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Cora
FantasyDies ist die Geschichte von dem Drachenmädchen Cora. Sie ist der letzte Drache und versucht für ihre Freiheit zu kämpfen. Dann lernt sie eines Tages die Tochter des Königs an, mit welcher sie eine Verbindung eingeht. Das Schicksal von beiden wird...