Ich blicke schon zum gefühlt hundertsten Mal auf die Uhr. Noch 10 Minuten, dann ist die 8. Schulstunde endlich geschafft. Mein Blick schweift kurz durch die restliche Klasse, die meisten reden mit ihrem Sitznachbarn, andere kritzeln gelangweilt etwas in ihr Heft und wiederum andere haben ihren Kopf auf die Bank gelegt, was mich auch nicht im geringsten wundert, denn sogar ich könnte bei dem langweiligen Gelaber unserer Deutschlehrerin Frau Schmidt glatt einschlafen. „Nur noch 5 Minuten, dann ist endlich Wochenende!" flüstert mir meine beste Freundin Emma gerade von der Seite zu und ich nicke zustimmend: „Das brauche ich auch dringend, nach der Woche bin ich todmüde" flüstere ich ihr zurück. Kurz darauf gongt es endlich und die Schüler packen eilig ihre Sachen zusammen „Dann wünsche ich euch noch einen schönen Freitag und ein schönes Wochenende" höre ich meine Lehrerin noch sagen, aber meine Freundin hat mich bereits am Arm gepackt und aus dem Saal auf den Flur gezogen. „Und was machst du so am Wochenende? Wie wär's denn mal wieder mit nem Filmeabend, das haben wir schon ewig nicht mehr gemacht, vielleicht gleich morgen? Und jetzt schreiben wir ja auch zum Glück fast keine Arbeiten mehr, ich meine sind ja nur noch 2 Wochen bis zu den Sommerferien", sie sieht mich fragend an. „Klar, du hast Recht und am Wochenende hab ich noch nichts vor, also steht unserem Mädelsabend nichts im Wege", grinse ich sie an und sie klatscht daraufhin begeistert in die Hände „Super, ich freue mich schon. Ich bringe auf jeden Fall ein paar Snacks mit", „Alles klar und ich kümmere mich dann um die Getränke und den Rest. Dann also Samstagabend bei mir?", „Jap, ich komme so gegen 6" antwortet sie. „Du, ich muss dann aber auch mal los, sonst verpasse ich noch den Bus", sage ich entschuldigend mit Blick auf die Uhr und wir umarmen uns kurz bevor wir uns noch ein schnelles „Tschüss, bis morgen" zuwerfen. Ich muss rennen, um meinen Bus noch zu erwischen und lasse mich auf einen freien Sitzplatz fallen. Zu Hause angekommen schließe ich mit meinem Schlüssel die Haustür auf und kann meinen Augen kaum trauen, sofort breitet sich ein großes Lächeln auf meinem Gesicht aus „Papa!" rufe ich und renne gleichzeitig auf ihn zu, um ihm in die Arme zu fallen, meinen Rucksack lasse ich im Laufen auf den Boden fallen. „Hallo Töchterlein", sagt er und schließt mich lachend in seine Arme. „Du sollst mich doch nicht so nennen, das weißt du doch, ich bin doch nicht mehr vier", antworte ich lachend und knuffe ihn dabei in die Seite. „Warum bist du eigentlich schon wieder hier? Du solltest doch erst in 2 Monaten von deiner Dienstreise zurückkommen", frage ich ihn und blicke zu ihm nach oben. „Sie haben mich 2 Monate früher gehen lassen, die Geschäfte in Amerika haben doch nicht so lange gedauert wie gedacht", antwortet er auf meine Frage. „ Ach so, das ist ja cool", erwidere ich und grinse ihn glücklich an. Gerade in diesem Moment erscheint meine Mama im Türrahmen zur Küche: „ Hallo Leila Schatz, na da würde ich mal sagen die kleine Überraschung ist uns gelungen", sagt sie lachend „Auf jeden Fall", sage ich „Wie lange bleibt Papa denn?" Meine Eltern werfen sich einen kurzen Blick zu „2 Monate", antwortet Mama schließlich „Das ist ja toll!" sage ich. Es kommt nicht oft vor, dass Papa so lange bleibt, er ist Geschäftsmann und sehr oft auf Dienstreisen und somit auch so gut wie nie zu Hause, und wenn er dann mal da ist dann meistens nur für 1 bis höchstens 4 Wochen. Deshalb bin ich schon etwas überrascht, dass er diesmal sogar für ganze 2 Monate bleibt, beschließe aber mich für den Moment einfach darüber zu freuen und nicht länger drüber nachzudenken. „Mamaaa", ruft plötzlich jemand laut „Ich hab Hunger, gibt's schon Essen?" Ein kleiner blonder Lockenschopf erscheint über dem Treppengeländer und blickt zu uns herab, es ist meine kleine Schwester Susie, sie ist vor 3 Wochen 6 Jahre alt geworden und soll nach den Sommerferien eingeschult werde, als sie mich erblickt ruft sie freudig: „Hallo Leila" und hüpft die Treppe runter um mich kurz zu umarmen. Meine kleine Schwester ist ziemlich lebhaft und auch süß, das muss ich zugeben, aber manchmal kann sie auch ziemlich nerven. Ich erwidere jedoch ihre Umarmung und lächele, es ist einfach zu niedlich wie sie sich jedes Mal freut, wenn ich nach einem langen Schultag heimkomme. „Ja die Lasagne ist gerade fertiggeworden also alle zu Tisch bitte", antwortet meine Mutter. Jetzt erst merke ich wie hungrig ich bin. Mit knurrendem Magen setze ich mich an den Tisch und schaufle mir, sobald ich dran bin, eine große Portion Essen auf meinen Teller. „He, nicht alles wegessen!" beschwert sich Susie lautstark „schon gut, keine Angst ich hab dir noch etwas übrig gelassen", sage ich lachend und schiebe ihr die Form mit der Lasagne zu. Am Tisch herrscht eine super Atmosphäre, Papa erzählt von seiner Dienstreise und Amerika und es wird auch viel gelacht. Ich genieße es richtig so mit meiner ganzen Familie mal wieder seit langem richtig zusammen zu sitzen, da Mama als Wissenschaftlerin arbeitet muss sie meistens bis 18 Uhr arbeiten und ist dann erst um 19 Uhr zu Hause, da sie bis zu ihrer Arbeitsstelle noch eine Stunde fahren muss. Nur freitags hat sie schon um eins aus und am Wochenende ist sie zum Glück auch zu Hause. Deshalb haben wir auch für unter der Woche Giusi, unser Kindermädchen naja eher Susies Kindermädchen. Als ich noch etwas jünger war hat sie sich auch um mich gekümmert, aber mit 15 kann ich das natürlich alleine. Auf Giusi ist aber immer Verlass sie ist total nett und kocht unter der Woche außer Freitags für uns, ihr Essen schmeckt einfach mega! Außerdem hat sie Susie morgens bis jetzt immer zum Kindergarten gebracht, kümmert sich dann um den Haushalt und passt auch nachmittags auf Susie auf bis ich dann um halb 4 manchmal auch früher aus der Schule komme. Ich esse meine Portion ganz auf und bringe anschließend meinen Teller zur Spüle „Ich geh dann mal hoch, ich muss noch ein paar Hausaufgaben erledigen", sage ich seufzend. „Alles klar", antwortet Mama und ich schnappe mir meinen Ranzen, der immer noch auf dem Boden im Flur liegt, laufe die Treppe hoch und dann in mein Zimmer. Dort stelle ich meinen Ranzen ab, schnappe mir mein Handy und wähle erstmal Emmas Nummer. Hoffentlich geht sie ran, denke ich mir noch als sie schon abhebt: „Hi Leila, was gibt's?" „Hey, ich muss dir unbedingt was erzählen. Mein Papa ist schon heute von seiner Dienstreise zurückgekommen, das war vielleicht eine mega Überraschung und er bleibt sogar 2 Monate" „Boah, das ist ja cool, freut mich für dich und 2 Monate, das ist ja super! Aber unser Filmeabend morgen steht noch oder?" „Klar doch, immer noch bei mir wie abgemacht" „Ok, super. Du, ich müsste dann auch wieder auflegen, wenn sonst nicht noch was ist. Meine Mathenachhilfe kommt gleich, juhu ich freu mich jetzt schon", sagt sie sarkastisch. „Klar, dann viel Spaß bei Mathe" sage ich und schmunzle „Haha danke. Ok na dann bis morgen, freue mich schon" „Ja, bis morgen", sage ich und lege auf. Es ist schon fast halb 6 als ich mit den Hausaufgaben anfange, um viertel vor 7 bin ich dann endlich fertig und will mich gerade erschöpft aufs Bett fallen lassen als Susie hereingestürmt kommt mit einem Buch in der Hand. „Du sollst doch immer anklopfen", sage ich leicht genervt zu ihr „Ups, vergessen", sagt sie grinsend und hüpft auf mein Bett neben mich. „Gestern hast du mir versprochen vorzulesen", sagt sie und hält ihr Buch hoch. Sie liebt es, wenn ich ihr vorlese am liebsten aus ihren vielen Büchern mit Internatsgeschichten, sie findet die Vorstellung in einem Pferdeinternat mit ihrer besten Freundin zu leben einfach toll, denn sie liebt Ponys und allgemein Pferde. „Susie, muss das jetzt sein? Ich bin total müde", sage ich erschöpft. „Jaa, du hasts versprochen! Biiiitte, Biitte, Biiiitte", bettelt sie und schaut mich mit Hundeaugen an. „Na gut, überredet" seufze ich, nehme ihr das Buch aus der Hand und lehne mich zurück. „Jipie", quiekt sie erfreut und kuschelt sich an mich. Nach einiger Zeit ertönt Papas Stimme von unten: „Mädels, es gibt Abendessen. Kommt ihr runter?" „Jaha, kommen schon", rufe ich zurück. Susie ist bereits vorgelaufen und ich gehe ihr nach bis ich mich schließlich in der Küche auf meinen Platz setze. Als alle am Tisch sitzen räuspert sich Mama plötzlich: „ Also, da wir ja jetzt alle zusammen sitzen wollte ich euch etwas wichtiges erzählen" Währenddessen habe ich mir bereits ein Brötchen geholt und es aufgeschnitten. „Ja, was gibt es denn?", frage ich und blicke auf. „Bekomme ich ein Pony?", ruft meine kleine Schwester. „Nein, Schatz", antwortet meine Mutter und lächelt gezwungen. Dann atmet sie kurz durch und schaut unsicher meinen Vater an, welcher ihr aufmunternd zunickt. Ich fange an unruhig auf meinem Stuhl hin und her zu rutschen, so langsam macht Mama mir Angst, es scheint etwas Ernstes zu sein. Sie nimmt kurz Luft und sagt schließlich: „ Ich wurde befördert". Ich atme erleichtert aus. „Das ist doch super Mama", sage ich ehrlich erfreut. „Ja, es ist nur so...", sie zögert kurz bevor sie weiter spricht „dass ich versetzt werde", beendet sie ihren Satz. „Wie versetzt, das verstehe ich nicht", meldet sich meine kleine Schwester zu Wort. Doch ich ahne bereits was als nächstes kommen würde und bekomme gleichzeitig Angst, also frage ich leise, obwohl ich die Antwort bereits weiß: „Heißt das, wir müssen etwa Umziehen?" Für kurze Zeit herrscht angespannte Stille in dem Raum bis Mama antwortet, was ich eigentlich nicht hören will: „Ja". „Und wohin, in die Nähe Hamburg oder nach Frankreich?" frage ich und versuche die Fassung zu bewahren. Mama blickt wieder zu Papa, oje das heißt also wahrscheinlich nicht nach Frankreich oder Hamburg, etwa noch weiter? Meine kleine Schwester blickt währenddessen nur leicht verwirrt in die Runde, ich glaube sie hat noch nicht ganz verstanden was dieses eine große Wort für uns bedeutet. Ich schaue Mama erwartungsvoll an und warte auf die Antwort, wobei ich mir einrede das es dann bestimmt Österreich oder die Schweiz ist wohin wir ziehen müssen, irgendwas um Deutschland rum und dann ihre erschütternde Antwort: „ Island, ich werde nach Island versetzt, dort soll ich mitforschen an dem Vulkangestein der Insel und der Insel selbst. Das ist eine Wahnsinns Chance für mich", sie versucht zu lächeln, doch ich hatte bereits bei dem Wort Island aufgehört weiter zu zuhören. „Island", sage ich entgeistert. „Das ist doch gefühlt am Ende der Welt", stoße ich hervor. „Naja, jetzt übertreib es mal nicht Schatz", schaltet sich Papa ein, „Ja und schau mal ein bisschen isländisch kannst du ja schon und dein Englisch ist auch nicht so schlecht. Außerdem ist dort eine wunderschöne Landschaft und es gibt sogar echte Islandpferde und sie haben dort auch tolle Internate", ergänzt meine Mutter. Meine Mama kommt ursprünglich aus Island, doch mit vierzehn sie mit ihrer Familie von dort nach Deutschland gezogen, zwar stimmt es schon, dass ich ein bisschen isländisch kann, weil meine Mama mir immer ein bisschen beigebracht hat, aber das Bisschen würde mir in Island sicher nicht viel helfen und an sonsten habe ich mit dem Heimatland meiner Mutter, außer vielleicht dem Fußball im Fernsehen, auch nicht wirklich viel am Hut. „Ponys, echt? Oha ist das cool und sogar ein Internat", ruft Susie. Natürlich hat sie nur, die für sie schönen Dinge, wahrgenommen und verstanden, doch ich habe wieder einmal nur auf das Wort „Internat" geachtet. So langsam legt sich der Schock und Wut tritt an dessen Stelle: „Ach, wollt ihr uns jetzt auch noch ins Internat abschieben?", frage ich wütend. „Schatz, nein natürlich nicht. Du weißt gar nicht wie schwer es für mich war mich für die Beförderung zu entscheiden, aber es ist einfach eine große Chance für mich und wir wollen doch auch an eure Zukunft denken und nur das Beste für euch", antwortet sie. „Wir wissen, dass das nicht leicht für euch ist", sagt Papa. Ich schnaube nur. „Und wann soll es losgehen, der Umzug?", frage ich. „ In 2 Monaten", antwortet Mama und seufzt. Plötzlich wird mir alles schlagartig klar, deshalb bleibt Papa für 2 Monate bei uns, um natürlich beim Umzug zu helfen und deshalb ist er auch früher gekommen. „Wie lange wisst ihr das denn schon?", frage ich. „Seit ca. 1 Monat, aber vor 2 Wochen war es erst sicher", antwortet Mama, sie sieht müde aus. „Na, toll!", sage ich wütend, der Appetit ist mir vergangen. Ich stehe ruckartig auf, sodass mein Stuhl krachend zu Boden fällt, aber das ist mir egal. Susie fängt an zu weinen, sie versteht nicht was los ist und warum ich so wütend bin für sie hören sich knuddelige Ponys und Internate, wie sie es aus ihren Lieblingsgeschichten kennt toll an, aber nicht für mich! Ich drehe mich um und renne aus der Küche. „Leila", höre ich meine Mutter noch rufen, aber da renne ich schon die Treppe hoch und in mein Zimmer, wo ich meine Tür zuknalle und mich weinend auf mein Bett werfe. Wie konnte ein so schöner Tag nur so schlecht enden? Ich bin einfach nur noch wütend, enttäuscht und traurig und wie ich da so weinend auf meinem Bett liege wird mir erst klar, was ein Umzug wirklich für mich bedeuten würde. Und eins ist sicher, es wird sich alles verändern.
DU LIEST GERADE
New Beginnings
FantasyDie 15 jährige Leila lebt in Deutschland und plötzlich wird sie aus ihrem bisherigen Leben gerissen und alles soll sich verändern, denn ihre Mutter, die als Wissenschaftlerin arbeitet, wird nach Island versetzt und somit steht der Umzug bevor. Zu al...