Da lag er. Genau vor mir. Regungslos, die Augen geschlossen. Sein Gesicht völlig blass. Tiefe, dunkle Ringe unter den Augen. Sein schwacher Atem immer unregelmäßiger. Das Piepen des Monitors schallte in meinen Ohren. Er lebte. Mein Kleiner lebte. Seine Haare klebten ihm im Gesicht. Wenn er aufwacht, müsste ich sie ihm mal wieder schneiden. Dachte ich. Ich hatte Hoffnung. Oder es lag an dem Zweifel. Aber nein. Mein Kleiner ist stark. Dachte ich. Und wie er es war. Er wird es schon schaffen. Da bin ich mir sicher. Ja, das war ich. Vier ganze Jahre lang. Ich war der Einzige, der an ihn glaubte. Der Einzige. Ich sah ihn an. Umfasste seine fast abgemagerte Hand. Vorsichtig. Ich war vorsichtig gewesen. Ich wollte ihn nicht brechen. Ich wollte ihn nicht kaputt machen. Nicht nochmal. Niemals. Ein Zucken. Endlich. Nochmal. Nochmal. Nochmal und nochmal. Das Piepen immer schneller. Ärzte. Da waren sie. Verzweifelt. Wiederbelebungsversuche. Immer und immer wieder. Vergeblich. Eine dünne Decke. Ich konnte sein Gesicht nicht mehr sehen. Er war unter der Decke verschwunden. War ja klar. Ich lächelte. Die Tränen liefen nur so meine Wangen herunter. Nun unter der Erde. Ich wollte seine Hand ergreifen. Ein Schnitt. Rot. Die Rose. So schön und doch so gefährlich. Kälte. Es war kalt. Sehr. War es ihm auch kalt? War es meinem Kleinen auch kalt? Dumme Frage. Natürlich war es das. Meine Jacke. Ich zog sie aus. Deckte ihn zu. Er sollte nicht frieren. Er durfte nicht krank werden. Ich schaute nach oben. Schnee. So weiß. So rein. Mein Blut. Es tropfte auf den Boden. Jetzt war er beschmutzt. Der Schnee. Genau wie mein Kleiner. Eine Schneeflocke. Direkt auf meiner Hand. Und schon weg. Wie mein Kleiner. Ich sollte zu ihm. Ich wollte. Er fühlte sich jetzt bestimmt einsam. Alleine. Im Dunkeln. Er hatte Angst vor der Dunkelheit. Aber nein. Sein Herz war rein. Er sollte keine Angst haben. Tabletten. Bald. Er wird nicht mehr alleine sein. Noch ein letzter Blick. Und wieder lächelte ich.
,,Ich komme zu dir, mein kleiner Engel."
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›Mein Kleiner Engel‹
Short StoryEin Unfall. Großes Unglück. Der leblose Körper meines Kleinen direkt vor mir. Es ist meine Schuld. Ich hätte ihn nicht so bestrafen sollen. Ich wollte es gar nicht. Ich wollte nicht, dass es so endet. Ich hätte es nicht wissen können. Er hat Schmerz...