Gähnend stehe ich aus dem warmen Bett unter mir auf und mein erster Gedanke ist, dass ich unbedingt Lüften muss. Die Luft um mich herum fühlt sich an wie eine undurchdringliche Suppe, deren starker Alkoholgeruch mir den Atem raubt. Ein Schwindelgefühl ergreift mich, kaum dass ich aufrecht stehe, und beim ersten Schritt durchzuckt mich ein dröhnender Schmerz, der sich in meiner Stirn zu befinden scheint.
Fuck, was ist das nur?
Auf dem Weg zum Fenster kicke ich noch beiläufig irgendeine schwarze Unterhose unters Bett, wahrscheinlich Jin's oder so, die ist mir viel zu groß. Ich reiße die Fenster auf und mir entweicht ein Stöhnen, als die Sonne mir uns Gesicht knallt. Viel zu hell.
Mit zusammengekniffenen Augen wanke ich weiter ins Bad, wo ich mich kurzerhand einfach unter die Dusche stelle. Bei dem Kontakt mit dem eiskalten Wasser wird mir so übel, dass ich zur Toilette hechte und meinen Magen darin entleere. Keuchend ziehe ich mich zum Waschbecken um mir den Mund mit Wasser auszuspülen. Der bittere Geschmack verschwindet nach und nach, während ich erledigt auf dem kühlen Fußboden vor mich hin leide und auf Erlösung hoffe.
Zehn Minuten später wage ich es, mich vorsichtig wieder unter die Dusche zu stellen, wo ich mich mit langsamen Bewegungen zum Shampoo und Duschgel vortaste, um jeglichen Schmerz zu umgehen.
Mit klitschnassen Haaren gehe ich zurück zum Waschbecken. Aus dem Spiegel blickt mir ein Mensch mit Augenringen entgegen, die so dunkel sind wie der schwarze Haaransatz, der sich mittlerweile bemerkbar macht, und einer Gesichtsfarbe, die unnatürlich blass erscheint.
In ein riesiges Handtuch gewickelt tapse ich zurück in mein Zimmer, und nach dem dritten Anlauf kann ich es endlich mit offenen Augen analysieren. Die Vorhänge des Fensters wehen leise im Wind und mittlerweile kann man auch wieder etwas Luftähnliches atmen. Mein Blick schweift über den Fußboden, der von einzelnen, unzusammenhängenden Kleidungsstücken übersäht ist, zu dem Bett, auf dem sich ein einziges Durcheinander von Decken und Kissen befindet gekrönt von einem Menschen, der mich unverfroren grinsend anblickt.
Geschockt bleibe ich stehen und kann mich nicht abwenden, denn irgendetwas an den Grübchen, den aufmerksamen braunen Augen, die jedes Bisschen von mir beobachten zu scheinen und den lilafarbenen Haaren, die komplett zufällig in jede erdenkliche Richtung von seinem Kopf abstehen fesselt mich.
„Hey, wann dachtest du daran mir das Frühstück ans Bett zu bringen?", fragt er selbstsicher und ich überlege, ob ich seinen Namen einfach nie mitgeteilt bekommen habe oder ob er mir schlichtweg entfallen ist.
Ein intelligent wirkendes „Äh-"entweicht mir, bevor ich es verhindern kann.
Wie krieg ich den jetzt hier bitte wieder weg.
Er ist wahrscheinlich irgendein verrückter Stalker aus dem Club, in dem ich gestern mit Jin und Jungkook war, der mich nach Hause verfolgt hat. Definitiv.
„Frühstück ist fertig!", brüllt plötzlich Jungkook aus der Küche und ich zucke zusammen. Nicht, weil es mich so sehr überrascht hat, mehr, weil es übertrieben laut ist. Zischend hebe ich beide Hände an meinen Kopf, um den Schmerz irgendwie zu lindern.
... und plötzlich wird mir eiskalt.
Erschrocken reiße ich das Handtuch in letzter Sekunde wieder hoch und sehe den jungen Mann auf meinem Bett verstört an, denn er kann sich vor lachen kaum auf meinem liebsten Gegenstand halten.
„Was ist so witzig?!", fauche ich ihn beleidigt an und er sieht mir geradewegs in die Augen, als er sagt: „Du tust ja gerade so wie als hätte ich nicht schon alles an dir gesehen."
Oh Gott, nein. Nein, nein und nein.
„Wie lange brau-", beginnt Jungkook seinen Satz und bricht ab, als er die Pflaume erblickt. „Holy Macaroni, was-?"
„Hi!", begrüßt Pflaume ihn glücklich. Ich nenne ihn einfach 'Pflaume', bis er entweder nochmal seinen Namen sagt, oder mir was besseres einfällt. Reflexartig greife ich mir das erstbeste — eine Unterhose, eine karierte Stoffhose und einen schwarzen Pullover — und flüchte aus der unangenehmen Situation zurück ins Bad.
Dort wird mir wieder bewusst, wie scheiße ich aussehe und was für Schmerzen ich habe.
Nie wieder Alkohol.
Schnell schmeiße ich mir die Kleidung über und renne (so gut es geht) mit einer Schmerztablette in der Hand zu Jin in die Küche.
Dort stopfe ich mir wortlos ein halbes Brötchen auf einmal in den Mund und schlucke die Tablette trocken direkt hinterher.
„Dir auch einen guten Morgen, Tae." wünscht Jin mir, während er das Rührei in der Pfanne wendet.
Wortlose sehe ich ihn an, bis die Tür hinter mir, die ich in Panik einfach zugeschmissen habe, wieder aufgeht und Jungkook in Begleitung von Pflaume in den Raum stolziert kommt.
„Jinnie, guck mal was unser Baby hier gestern angeschle- sorry, abgeschleppt hat!", freut er sich und hüpft weiter, bis an den Küchentisch.
„Aww, du bist ja knuffig!", antwortet ihm sein Freund an Pflaume gerichtet, während er die Pfanne zum Tisch trägt und schwungvoll auf einen Teller entleert. Pflaume grinst nur weiter blöd und setzt sich an den Tisch, auf den Stuhl, der kippelt. Geschieht ihm recht.
„Das sieht echt gut aus!", schleimt er sich bei Jin ein und ich bin noch ein Stückchen mehr genervt von ihm.
„Danke, wie lieb von dir.", springt Jin sofort darauf an. Hoffentlich rutscht Pflaume auf seiner Schleimspur aus und... bricht sich sein Bein. Nein, das ist zu viel. Vielleicht fällt er auf irgendwas zerbrechliches, was ihm seine Mutter oder so mal geschenkt hat. Die wird dann sauer auf ihn und kocht nie wieder sein Lieblingsessen. Aber was, wenn das Verhältnis zu seiner Mutter total schlecht ist? Oder sie ist verstorben. Oder sie wohnt in einem anderen Land- auf einem anderem Kontinent. Vielleicht soll er auch nur hinfallen und sie möglichst doll wehtun ohne sich was zu brechen.
„Hyung, willst du dich nicht zu uns setzen?", werde ich von Jungkook aus meinen (möglicherweise in Mord endenden) Gedanken gerissen. Sie sitzen mittlerweile alle am Tisch und sehen zu mir auf.
„Natürlich!", rufe ich überschwänglich und lasse mich auf den nächstbesten Stuhl fallen. Neben Pflaume. Kaum berührt mein Hintern die Sitzfläche bin ich auch schon wieder egal, denn Jungkook und Jin beschäftigen sich damit, Pflaume mit allem essbaren vollzustopfen, was auf dem Tisch steht. Also eigentlich ist ja alles darauf essbar, aber man sollte trotzdem nicht alles essen. Sie unterhalten sich jedenfalls fröhlich, während ich mein Brötchen mit Butter beschmiere.
Ihr lebensfrohes Gerede rutscht immer mehr in den Hintergrund, wird zu einem ähnlich durchgehenden Piepsen wie die dumpfen Kopfschmerzen, die ich zu ignorieren versuche. Mit dem Brötchen in der Hand lasse ich meinen Blick über den Tisch schweifen, auf der Suche nach irgendetwas würzigem; danach verlangt mein Magen nämlich gerade. Mir sticht das Glas mit eingelegtem Bismarckherig wieder einfällt, das in unserem Küchenschrank stehen sollte. Eigentlich könnte ich den ja auch direkt aus dem Glas essen, oder? Das Brötchen liegt wieder auf meinem Teller, als ich wieder aufstehe und mir eine kleine Gabel und das schmale Glas hole. Der Deckel löst sich mit einem leisen Plopp, und beinahe sofort liegt der würzige Fischgeruch in der Luft. Ich kann Pflaumes Blick beinahe fühlen, als ich mit der Gabel in dem Glas nach dem Fisch... fische. Aus der aufgespießten Rolle ziehe ich kurz die Zahnstocher und verschlinge sie dann mit einem Bissen.
Pflaumes leises „what the fuck" höre ich, aber ich denke nicht, dass ich das soll. Also ignoriere ich ihn weiter.
Das ist genau das, was ich brauche, denke ich, als ich den Fisch zerkaue. Das Gespräch beginnt wieder, und ich esse weiter mein Frühstück.

DU LIEST GERADE
purple | taejoon
Fanfiction»𝔱𝔴𝔬𝔰𝔥𝔬𝔱 Taehyung betrinkt sich und schleppt eine Pflaume mit nach Hause. Also keine echte Pflaume, sondern einen Menschen. Mit violetten Haaren. Und er hat seinen Namen vergessen, deswegen ist der jetzt eine Pflaume. Eigentlich ist ihm g...