Im Netzt

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Das Wasser glitzerte in der orangenen Abendsonne. Ein altes Fischerboot fuhr gerade aus dem Hafen Richtung untergehender Sonne. Man hörte weit und bereit nur das Rauschen der Wellen, das wehen des Windes und den Motor des alten Fischerboots. "Lasst Das Netz ins Wasser," rief der Kapitän des Schiffes. Zwei Seeleute warfen das Netz über Bord ins Wasser. Und ab da komme ich ins Spiel. Ich heiße Saphir, meine Mutter gab mir diesen Namen, bevor sie starb. Vater sagt immer, sie hat mir diesen Namen gegeben, weil das Schloss, wenn die Untergehende Sonne kommt, anfängt zu strahlen und das Leuchten ist so, als wenn ein Saphir von Licht angestrahlt wird. Jedes Mal wenn die Sonne untergeht, tauche ich aus dem Wasser auf und beobachte das Fischerboot, wenn es auf See fährt. Dieses mal schwamm ich sehr nah an das Fischerboot heran, um es mir mal aus der Nähe anzuschauen. Ich geriet zu nah an die Strömung, die die Schiffsruder auslösten und geriet ins Fischernetz. Ich versuchte mich daraus zu lösen, doch umso mehr ich mich bewegte, umso mehr verhedderte ich mich. Wenn ihr glaubt, das Meerjungfraun Unterwasser atmen können, dann irrt ihr euch gewaltig. Wir besitzen keine Kiemen so wie die Fische. Wir können nur sehr lange unseren Atem anhalten. Das sind so 10-11 Stunden,?danach müssen wir auftauchen. Das mag sich lange anhören, ist es aber nicht. Ich sah die Schiffsruder durch die Lücken das Netz. Aber eins wusste ich, so schnell komme ich hier nicht mehr raus. Es fühlte sich an, als ob Stunden vergingen, bis ich spürte, wie das alte Fischerboot stehn blieb und das Netz reinholte. Wir Meerjungfraun haben nicht viele Gesetzte, aber eins der Wichtigsten ist: "Verrate niemals, dass du eine Meerjungfrau bist." Jeder von uns trägt eine Kette, selbst die Jungs. Mit der können wir entscheiden, ob wir ein Mensch oder eine Meerjungfrau sein wollen. Ich habe mich nicht oft in einen Menschen verwandelt, aber jetzt musste es sein. Ich berührte den Anhänger, der daraufhin anfing zu Leuchten und sich meine Schwanzflosse gegen Beine umtauschte. Als Mensch kann ich nicht so lange meine Luft anhalten, da sind es höchstens 1-2 Stunden. Und wenn ich zu lange ein Mensch bin, kann ich mich nicht zurück verwandeln. Da wurde ich zum Boot gezogen. Ich spürte, wie ich der Wasseroberfläche immer näher kam. Als ich über dem Wasser im Netz hing, schauten die Seeleute nicht schlecht. Sie riefen den Kapitän des Schiffes. Der kam mit einer alten Pfeife im Mund, die aussah, als wäre sie genauso alt wie das Schiff im Mund aus dem Steuerhaus. Es war ein alter Mann, mit einem weißen Bart, der das Kinn verdeckte. Seine weißen kurzen Haare waren unter einer Seemansmütze versteckt. Er sah so aus, wie man sich eben ein alten, aber freundlichen Seemann vorstellte. Er betrachtete mich nicht lange in dem Netz, sondern gab einem seiner Männer seine Pfeife und befreite mich aus dem Netz. Der andere Seemann hatte in der Zwischenzeit ein Handtuch für mich besorgt. Der alte Seemann legte es mir über die Schultern. "Was machst du so spät noch im Wasser," fragte er mich mit seiner tiefen und freundlichen Stimme. "Ich bin geschwommen und dann hat mich die Strömung erwischt und ich bin im Netzt gelandet," Log ich ihn an. "Ich glaube dir diese Geschichte zwar nicht, aber du hast bestimmt gute Gründe, warum du mir nicht die wahre Geschichte erzählen möchtest. Sagst du mir wenigstens, wie du heißt?" Fragte er mich. Ich wollte ihn nicht noch mal anlügen, also sagte ich meinen richtigen Namen. "Das ist ein schöner Name, den gibt es nur sehr selten auf dem Land." Was meint er damit, den Namen gibt es nur sehr selten auf dem Land, weiß er, dass es so was wie Meerjungfraun gibt oder dass es andere Lebewesen gibt außer den Menschen. " Du brauchst nicht darüber grübeln, ich weiß, dass es euch gibt, die Meerjungfraun. Deine Kette uns schlechte Lüge haben dich verraten," sagte er. Ich schaute ihn an. Woher weiß er das alles? War er selbst mal so wie ich? "Leuchtet das Schloss immer noch bei untergehender Sonne," fragte er mich. Ich nickte nur. "Sie hat immer viel darüber erzählt, wie das Leben unter Wasser ist. Wie viel die Menschen einfach nicht wissen. Und wie schön es da ist. Ich habe mal eine Frage an dich kleine, kennst du eine Frau namens Coral?" Fragte er. Coral? So hieß meine Mutter, warum möchte er das wissen, ob ich jemand mit dem Namen kenne? Ich antwortete ihm: " Ja ich kenne sie, warum möchten sie das wissen?" "Sie ist meine Tochter," antwortete er und legte seine Pfeife weg und setzte sich. Er deutete darauf, dass ich mich auch setzten sollte. Das tat ich auch. Ich schluckte, wenn er sie wirklich meinte, dann ist er ja mein Großvater. Meine Großmutter hat mir nicht viel über meinen Großvater erzählt. "Wie geht es ihr den so? Hat sie einen Mann? Und vielleicht sogar Kinder?" Fragte er mich. Ich wusste nicht genau, was ich antworten sollte. Sollte ich ihm die Wahrheit sagen? Oder sollte ich meine Großmutter holen? Ich beschloss ihm die Wahrheit zu sagen. Ich erzählte das, was mein Vater mir immer erzählte, wenn er über sie sprach. Und am Ende sagte ich ihm auch, dass ich ihre Tochter bin und dass sie verstorben sei. Diese Nachricht erfreute ihn, aber erschütterte ihn auch zugleich. Ich merkte, dass die Sonne bereits untergegangen war, ich sollte schnellst möglich ins Wasser. Vorher hatte ich aber noch eine Frage an meinen Großvater: "Wie kommt es, dass sie nie über dich spricht. Ich weiß, dass meine Urgroßmutter ein Gesetz erlassen hat, das Menschen und Meerjungfrauen kein Kontakt zu einander haben dürfen." "Das hängt damit zusammen, dass ich und deine Großmutter damals noch sehr jung waren. Ich habe ihr immer zugehört, wie sie gesungen hat. Eines Tages entdeckte sie mich und, wie es eben Geschenk sollte, verliebten wir uns in einander. Deine Urgroßmutter durfte davon nichts erfahren. Aber als sie mit deiner Mutter schwanger wurde, erfuhr sie es natürlich. Wir wollten zusammen fliehen. Sie wollte dafür sogar ihre Schwanzflosse opfern. Doch ihre Mutter erlaubte es nicht. Sie sperrte deine Großmutter im Schloss ein, in einem Zimmer, wo eine Luftblase war, damit sie das Schloss nicht einmal verlassen musste um Luft zu holen. In diesem Zimmer bekam sie auch unsere Tochter, deine Mutter. Ihre Mutter, also deine Urgroßmutter hat mir gedroht, dass, wenn ich sie noch einmal suchen würde, das es nicht gut ausgehen würde. Für uns beide und das Kind. Also versuchte ich mich von ihr zurückzuziehen, doch das war schwerer als gedacht. Und ab da gab es das Gesetz. Damit so etwas nicht noch mal passieren kann. Nach diesem Vorfall habe ich sie noch ein letztes mal gesehen. Da habe ich meine Tochter zum ersten, aber auch zum letzten mal gesehen. Ich war Wüttend, wütend auf ihre Mutter, aber auch auf mich selbst, dass ich es nicht hätte anders machen können. Deshalb fing ich an mit dem Fischen," erzählte er mir. Ich überlegte kurz, aber dann fragte ich denn alten Seemann etwas: "Dürfte ich bei dir wohnen?" Er war über diese Frage überrascht, aber dann sagte er mit freundlicher Stimme: "Du wirst hier immer wilkommen sein." Ich wusste, wenn ich diesen Schritt ginge, gäbe es kein Zurück mehr. Ich würde mein Vater und meine Großmutter nie Wiedersehn, aber ich wusste tief in mir drin, dass das mein Zuhause war. Ich schaute in die blauen Augen des Seemanns. Und ich lächelte ihn an, er lächelte zurück. "Ich habe mich entschieden, wenn es dir nichts ausmacht, bleibe ich bei dir." "Bist du dir da wirklich sicher?" Fragte er mich. "Du würdest deine Schwanzflosse für immer verlieren und könntest nie wieder zurück ins Meer." "Ich weiß das. Ich habe mich aber entschieden, mal etwas anderes zu sehn, als nur das Wasser. Ich möchte wissen, wie es hier an Land ist und wie man hier lebt," sagte ich ganz aufgeregt zu meinem Großvater. "Wenn Du dich entschieden hast, dann bleibe hier bei mir," sagte er und nahm mich in den Arm. Ich genoss es.
"Dann herzlich Wilkommen in deinem neuen Zuhause," sagte er, als wir vor einer kleinen Seemanns Hütte standen nah am Hafen. Das Haus hatte einen blauen Anstrich und ein rotes kleines Dach. Der Seemann blickte auf meine Beine, für mich war es jetzt zu spät, ich konnte nicht mehr zurück und ich wollte auch gar nicht mehr zurück. "Mir geht es gut," versicherte ich ihm. "I ch weiß, doch es ist ein komisches Gefühl. Aber ich freue mich, dass du hier bist," sagte mein Großvater. "Ich freue mich auch," sagte ich. Er zeigte mir deine kleine bescheidene Hütte, wie er es nannte. Hier war vieles, was ich nicht kannte. Ich schlief diese Nacht auf einem Sofa. Jedes Mal wenn ich etwas nicht kannte, fragte ich meinen Großvater, der erklärte es mir dann. In den nächsten Tagen kaufte er mir ein richtiges Bett und Kleidung zum Anziehen. Als ich heute aufwachte, war die Sonne noch nicht aufgegangen. Mein Großvater wollte mit mir Fischen fahren. Als wir das Boot bestiegen, ging die Sonne gerade hinter dem Horizont auf. Ich hörte wieder das Rauschen der Wellen, das Wehen des Windes und den Motor des alten Fischerboots. Es war ein wundervolles Gefühl. Meine braunen langen Haare wehren in Wind. Und wer weiß, vielleicht nimmt der Ozean mich eines Tages wieder an, aber jetzt lebe ich fürs erste hier. Das Netz, in dem ich mich verheddert hatte, lag bei mir in meinem Zimmer als Andenken, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Und so führen wir der aufgehenden Sonne entgegen.

Ende

Original Geschichte von 2018.

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