Zwei

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Ein paar Wochen vor dem 23.05.2018

Gleich würde ich endlich Noah wiedersehen. Dieses Wochenende habe ich ihn echt vermisst. Es tut echt weh, dass wir nicht einmal ein einziges Wochenende zusammen verbringen können, auch wenn ich es total verstehe, dass er seine kranke Mutter besuchen möchte. Seitdem seine Mutter Krebs hat, fährt er jedes Wochenende zu ihr runter. Anfangs habe ich noch befürchtet, er würde die Schule, seine Freunde und mich verlassen und wieder zu ihr zurückziehen, da er seit der Scheidung seiner Eltern vor zwei Jahren bei seinem Vater lebt. Sein Vater hat sich kurz nach der Scheidung dazu entschieden von Hamburg nach Berlin zu ziehen und da Noah gerne bei seinem Vater bleiben wollte, ist er ebenfalls nach Berlin gezogen zu meinem Glück. Vermutlich hätten wir uns niemals kennengelernt, wenn er nicht nach Berlin gezogen und auf meine Schule gegangen wäre und so hätten wir uns auch niemals ineinander verliebt.

Von weitem sah ich meine beiden Mädels auf mich zukommen und fiel ihnen stürmisch in die Arme. Auch wenn wir uns erst gestern Abend gesehen hatten, hatte ich sie trotzdem irgendwie vermisst. Paige und Liv waren meine besten Freundinnen, seitdem ich denken konnte. Wir kannten uns schon seit dem Kindergarten und gingen dann in die selbe Grundschule und später auf die gleiche weiterführende Schule.
"Ich habe dich so vermisst.", riefen wir alle drei glücklich und lachten. Und wie. Die beiden blieben mein Halt, wenn es mir schlecht ging oder ich traurig war wegen Noah und seiner Mutter. Ich wünschte, ich könnte Noah beistehen und ihm helfen, aber er wollte das alleine durchstehen. Ich denke, einer der Gründe dafür war, dass seine Mutter mich nicht mochte. Dabei wusste ich nicht einmal warum. Sie hatte mich bis jetzt nur ein einziges Mal gesehen und das auch nur ganz kurz. Und trotzdem schien sie mich nicht zu mögen, was mich irgendwie verletzte.

"Ich hoffe der Sommer ist krank."

Mit einem Ohr hörte ich Liv zu, wie sie über unseren Lehrer herzog, den niemand aus der Klasse wirklich leiden mochte, während ich mich nebenbei auf die Person vor mir konzentrierte, die mich mit jedem Blick weiter in ihren Bann zog. Am liebsten wäre ich ihm direkt in die Arme gesprungen, aber ich wollte nicht aussehen wie ein liebeskrankes Huhn. Das wäre mir dann doch etwas peinlich, vor allem, wenn mich die ganze Schule dabei beobachten könnte. Noch zwei Schritte dann wäre ich endlich bei ihm.
"Mila? Hörst du mir überhaupt zu?" Liv rüttelte an meiner Schulter, doch ich ignorierte sie gekonnt. Ich wollte jetzt nur noch zu Noah und ihn endlich in meine Arme schließen. Endlich fiel ich ihm in die Arme. Erleichtert seufzte ich. "Ich habe dich so vermisst.", hörte ich ihn sagen und im nächsten Atemzug küsste er mich. "Ich dich auch.", flüsterte ich und kuschelte mich enger an ihn. Hand in Hand liefen wir in die Schule. Wie gerne hätte ich ihn gefragt, wie es seiner Mutter ging, aber er wollte nicht, dass jemand wusste, dass seine Mutter krank war. Noah hatte Angst, dass ihn die Mitschüler*innen komisch ansehen würden, wenn er ihnen sagte, dass seine Mutter an Krebs litt. Dass verstand ich total. Daher musste das wohl bis später warten.

*
"Ich hoffe niemand von ihnen hat sich dieses Wochenende schwängern lassen, denn Sie wissen ja, was das für Sie bedeutet. Windeln wechseln statt Karriere zu machen."

"Ja Dr. Sommer, dass wissen wir.", sagte Tessa die Schulschlampe, wobei alle anfingen zu lachen.

Herr Sommer benahm sich echt wie Dr. Sommer aus der Bravo. Ständig erzählte er uns, dass wir bloß nicht schwanger werden sollten wegen unserer Karriere. Als ob wir das nicht selbst wüssten. Zumal ich nicht glaubte, dass jemand freiwillig mit 16 Schwanger werden wollte und jeder wissen sollte, wie man verhütete. Zumindest hoffte ich das.

"Auch wenn ich Tessa echt nicht ausstehen kann, hat sie Recht. Unser Lehrer benimmt sich echt wie Dr. Sommer.", flüsterte mir Liv zu.
"Ich hoffe nur, dass Tessa weiß wie verhütet wird bei den vielen Kerlen, die sie hat.", kam es von der anderen Seite von Paige, was mich zum Lachen brachte.
Zu meinem entsetzen fanden das leider nicht alle so lustig.

"Was gibt es da zu lachen Mrs. Philipps. Die anderen aus der Klasse würden sicherlich gerne mit lachen können."

Na toll. Musste er das jetzt sagen. Hätte er nicht einfach mit seinem Unterricht weitermachen können und mich nur ermahnen. Ich hasste diesen Lehrer. Aber noch mehr hasste ich es im Mittelpunkt zu stehen. Lieber zog ich mich etwas zurück, als zu viel Aufmerksamkeit zu bekommen und das wusste dieser Lehrer. Wie ich ihn hasste.
"Nichts.", nuschelte ich vor mich hin und senkte mich hochrotem Blick den Kopf auf meine Unterlagen.
"Wegen nichts lacht man aber nicht.", widersprach Herr Sommer und grinste mich dabei fies an. "Wenn Sie also so freundlich wären uns darüber zu unterrichten, wieso sie gelacht haben, damit ich meinen Unterricht fortsetzen kann."

Verdammt. Dieser Lehrer konnte es einfach nicht lassen. Ich wünschte mir, er würde sich einfach ein anderes Opfer nehmen und mich in Ruhe lassen. Wie er bemerken musste, wollte ich nicht darüber reden, vor allem nicht vor der ganzen Klasse und ganz sicherlich nicht, wenn es um Tessa ging. Auch wenn Sie als Schulschlampe viele Leute nicht leiden konnten, gab das sicherlich keiner zu. Immerhin liebten Sie die Jungs an unserer Schule.

"Können Sie nicht einfach mit ihrem Unterricht fortfahren.", bat nun Paige neben mir, doch Herr Sommer schüttelte nur seinen Kopf.

"Wenn Mrs. Philipps nicht gewillt ist meinem Unterricht zu folgen, sondern lieber anfängt zu lachen, dann muss ich Sie leider bitten meinen Unterricht zu verlassen und zum Direktor zu gehen.", grinste dieser nun dreckig und deutete auf die Tür.

Mit stand hängendem Kopf stand ich auf und verließ den Klassenraum.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 14, 2020 ⏰

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