Mein Liebstes Tagebuch

Mein Liebstes Tagebuch 1.5

"Wird immer kälter"

Ach Henrike, wenn du mich hier sehen könntest. So ganz alleine im Wald. Gott sei dank ist das Loch schon gegraben, ich hoffe nur das mich die nächste Auszeit nicht allzu viel von dir vergessen lässt. Paula hat leider auch ein nicht so schönes Ende genossen. Wieso musste sie auch an das Telefon gehen, es stand doch schon weit weg von allen, ganz friedlich auf der Komode, mir hallt immer noch das Schrille gebimmel in den Ohren. Fürchterlich. Mein Glück das es mit Schnur war. Es überkommt mich selten aber es kommt. Wie Sie da stand, halb nackt und ganz verschwitzt, barfuß tippelte sie Richtung Freiheit, wäre da nicht das Gespräch am anderen Ende der Leitung gewesen. Sie hauchte ganz außer Atem nur ein Hallo. Mehr brachte Sie nicht mehr heraus. Keine Ahnung wer am anderen Ende der Leitung gewesen sein mag, er dürfte nur überascht vom plötzlichen auflegen gewesen sein. Ich wollte doch nur das alles perfekt ist mehr nicht. Sie hat es nicht kommen sehen, genau so wenig wie du an diesem Tag. Sie bettelte und schlurzte immer wieder Sie würde doch nichts Veraten wenn ich sie nur gehen lassen würde.
Dabei habe ich mir solch eine Mühe mit euch gegeben. Was bitte hat nicht gepasst? Wir hatten ein gutes Frühstück, na gut die Brötchen waren ein bisschen hart, aber sonst.
Fast 17 Monate Henrike, und wieder eine Entäuschung mehr. Ich habe dich ordentlich neben Paula begraben, dann bist du nicht ganz alleine. Zumindest das schulde ich euch.

"Stille Nacht unheilige Nacht"

Mach bitte dies mach bitte das, mehr bekomme ich heute wohl nicht zuhören. Habe ich schon erwähnt das ich Besuch hasse? Wieso kann man Sonntags nicht einfach alle fünfe mal grade sein lassen. Nunja der einzige Vorteil wenn man Besuch hat und sich jeglicher sozialer Interaktion fernhält dann kann man sich auch mal unterhalten. Zumindest kann ich das gespielte Interesse gut vorgaukeln, Kaffee wurde nachgeschenkt, Plätzchen und Kuchen verteilt. Alles in allem ein gelunger Nachmittag für uns und die Gäste. Es wurde Gelacht und sogar etwas gefeiert. Meine älteren Geschwister haben anscheinend Käufer für die leeren Grundstücke am Ortsrand gefunden. Wieso auch nicht. Es wurde ja nur ein kleiner Teil von mir genutzt.

"Ich höre euch nicht mehr zu"

Ich habe wieder unruhig geschlafen. Keine Ahnung woran das nun liegt, die Tabletten wirken so wie sie sollten. Der Therapeut riet mir mich nicht mit Frauen zutreffen da es mich negativ beeinflussen könnte. Nun ja recht hat er, ihr habt mich nur indirekt negativ beeinflusst, ihr Biester, kaum sind die Kleider vom Leib denkt ihr euch gehört die Welt. Wenigstens hattet ihr kurz vor eurem Ende noch euren Spaß. Nicht so wie ich. Erst die ganze vergebliche Mühe, die Planung, die Vorbereitungen, die Nerven die man da lässt. Jetzt heißt es wieder zusammen reißen. Ich bin so zerstreut. Hoffentlich kommt der Tag an dem sich meine Anstrengungen auszahlen.

"Kein Problem Chef"

Wieder dieser Monotone Dreck.
Ist das langweilig. Manchmal Frage ich mich ob es uns nur so geht oder andere Menschen auch so fühlen. Schrecklich wenn man bedenkt das Nutella wäre alle. Aber weiter ans Eingemachte. Die Flure sind allesamt sehr eng gehalten. Doof nur wenn man neue Leitungen legen soll. Bescheuert so was. Als der Auftrag besprochen wurde fiel als erstes mein Name. Ja der könne das. Soll ruhig ein, zwei Lehrlinge mitnehmen. Nunja die beiden haben wenigstens was auf dem Kasten. Was nicht heute fertig wird bleibt für Morgen. Da war die Senioren Residenz viel angenehmer. Der Hausherr hier ist echt ein Geizkragen, nicht einmal Limonade oder zumindest ein Glas Wasser für die Stifter. Ist zwar nicht selbst verständlich aber zumindest die Geste wäre schön gewesen. Was ein ekliger, schmieriger Alter Sack.
Aber seine Frau ist Nett, zumindest im Gegensatz zu ihm. Was dann halt noch an Nettigkeiten übrig bleibt. Auf dem Dachboden ist viel Staub. Sehr gut, heißt hier kommt sonst keiner hin. Während die Azubis die Leitungen für Steckdosen, Schalter und Licht legen kann ich mich in Ruhe um die Rauchmelder kümmern. Was ein gekrieche. Ich musste mich teilweise zwischen die großen Balken quetschen um an die anschlussstellen zukommen. Naja Hauptsache es wird fertig.

"Heute ist nicht aller Tage Abend"

Manchmal Frage ich mich wie sich mein Leben ohne die Medikamente entwickelt hätte. Ich denke es wäre alles wie es jetzt ist. Ohne die Schuld die ich trage. Wobei alles was ich mag so ist wie ich es wollte. Ich sollte Paula und Henrike noch einen Brief schreiben bevor ich mich verabschiede. Schade das es so plötzlich Enden musste, die prickelnde Zweisamkeit fehlt mir doch ganz schön, obwohl die Haare überall auch so ihre Tücken haben. Vor allem im Abfluss. Bah wie ich das Hasse. Nunja Frauen holen sich ja auch für ein bisschen Wurst das ganze Schwein ins Haus.