Da bist du ja!

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12 Uhr. Hatte ich mich versehen? Fuck 12 Uhr! Ich schnappte meinen Ranzen, rannte die Treppe runter und wollte direkt los. Vater. Er stand bereits vor der Tür. Arme übereinander verschrenkt. Er schaute mit einem abwerteten Blick auf mich und sagte "Denkst du wirklich so gehst du in die Schule?"
Ach klar, hatt vergessen mich zu schminken.
Ich schminke mich noch  schnell.
"Heute brauch ich dich daheim, du gehst nicht in die Schule!"
Okay.
"Putzen und Alkohol kaufen. Zuerst Alkohol kaufen."
Früher hätte ich nicht so mit mir reden lassen. Aber besondere Situationen fordern andere Aktionen. Deeskalierend. Also Alkohol kaufen gehen. Schminken, denn auffallen wollte ich vorerst nicht.
Geschminkt und fertig ging ich dann also Richtung Edeka. Wie lang sich der Weg ziehen konnte wenn man absolut keine Kraft hatte. Verschlafen und verpeilt wie  ich war gab ich nicht mal acht ob ein Auto kam als ich die Straße überquerte. Bis mich jemand am Arm in eine Gasse zog.
"Hey Josephinchen." Eine Stimme, so ängstlich und zerbrechlich. Mom. Verdammt ihr geht es gut! Was ein Stein mir vom Herzen fiel. Ihr ging es gut, zumindestens köperlich, ach was wenigstens war sie noch am Leben.
Wie? Was? Wieso?
"Ich weiß, ich weiß. Lass uns hier weg gehen und ich werde dir alles erklären."
In unser lieblings Kaffe. Hier saß ich als kleines Kind immer mit meinem Kakao. Waren das schöne Zeiten.
"Ich muss dir einiges erklären."
Was ist passiert!?
"Dein Vater. Er hatte zur Zeit Probleme auf der Arbeit. Er war sehr überfordert. Ich denke du weißt mittlerweile auch das er trinkt. Ich wollte lediglich wissen was los ist und er packte mich an. Tag für Tag wurde er aggressiver, bis ich es nicht mehr aushielt. Ich musste gehen. Ich wollte dich niemals dort lassen, wirklich nicht! Du musst dort weg. Ich hoffe das er dir noch keinen Schaden zugefügt hat, aber ihm ist nicht mehr zu helfen. Was auch immer er durchmacht, wir können ihm nicht helfen."
Was ist auf der Arbeit passiert?
"Ich weiß es nicht, er ließ mir keine Chance  ihn zu verstehen."
Aber woher ist das blutverschmierte Hemd?
"Er wollte mich nicht gehen lassen also griff ich zum Messer."
Wie?
"Hast du die Wunde an seiner Hand nicht gesehen? "
Nein. Ich bin froh dich zu sehen. Wir müssen zur Polizei!
"Auf keine Fall! Du weißt doch wie oft etwas einfach unter den Tisch gekehrt wird! Beamte sind nicht immer die, die sie vorgeben zu sein. Gerechtigkeit spielt dort schon lange keine Rolle mehr!"
"Du solltest gehen. Wenn was ist meld dich bei mir. Larademir@gmail.com. Vergiss das nie!"
Anstatt das ich ging, war sie schneller fort als ich bleib sagen konnte.
14 Uhr. Mist, schnell Alkohol kaufen und heim aber natürlich wurde ich beim Heimweg ausgepremst. Mia.
"Was zur Hölle ist los mit dir?"
Ich sah sie fragwürdig an, denn ehrlicher Weise wusste ich nicht was sie meinte. Sie war wütend, sehr wütend. Selten habe ich sie so erlebt.
"Du warst nicht in der Schule! Du hast mir so einen Schreck eingejagt!"
Tut mir leid.
"Was ist nun mit deinem Dad?"
Meine Mom lebt aber ich kann nicht reden. Ich muss heim. Ich bin viel zu lange unterwegs. Bis morgen.
"Bis morgen?"
Ich klär dich auf, versprochen!
Daheim angekommen wartete er bereits vor der Tür. Hibbelig, aggressiv aber auch etwas gebrechlich. Ich gab ihm das was er wollte und ging Richtung Zimmer.
"Kannst du bitte noch die Wohnung putzen?"
Ein bitte? Ich wusste etwas gebrächliches in seiner Stimme erhört zu haben. Aber okay, vielleicht hat er einfach das was er möchte und war deswegen so ruhig. Denn wie Mom sagte, Menschen geben manchmal vor jemand zu sein die sie nicht sind. Dennoch fange ich an zu putzen. Staubsauge die gesamte Wohnung. Räumte die gesamten Flaschen auf und brachte das Bad wieder auf Hochglanz. Ich hatte selbst vor auf den Dachboden zu gehen. Alles voll mit Staub. Ich fand alte Kleider die ich als kleines Kind trug. Was ein Film man schiebt wenn man alte Sachen findet. Bilder. Die Hochzeit von Mom und Dad. Ich kann nicht fassen wie sich alles ins negative ändern kann. Unfassbar schnell ändern sich Menschen. Nehmen nicht mal Rücksicht welches Chaos sie damit hinterlassen, welchen Schaden.
"Was machst du da oben!"
Er nahm die Bilder und zerriss sie in meiner Anwesenheit. Die Vergangenheit zerbrach vor meinen Augen. Mir wurde klar das er nicht mehr dieser Mensch war den ich auf den Bildern sah. Die Person die ich damals als Vorbild war nahm, die Person die mich schützte und mich zum lachen brachte wurde zu einer Person zu der ich niemals mehr werden wollen würde. Wie unglaublich schnell Liebe zu Hass wird. Aufeinmal wurde mir eins klar. Dafür was er tat sollte er bezahlen. Die Polizei würde helfen, nein sie musste helfen! Man nennt sie nicht umsonst Freund und Helfer. Morgen nach der Schule setzte ich dem ein Ende. Dir ein Ende, Dad. Du wirst niemanden mehr verletzen. In meinen Gedanken nahm ich nicht mal wahr das er die Tür zum Dachboden geschlossen hatte. Ich kam nicht mehr raus. Danke. Im Endeffekt konnte es mir egal sein, dann saß ich hier. Wenn es sein musste hätte ich hier geschlafen. Aber nach einer Zeit hatte er wohl ein wenig Gewissen erweckt und hat sich dazu entschlossen mir zu öffnen. Wie freundlich er doch war. Ich lag mich also schlafen um morgen endlich wieder durchatmen zu können.

Maybe not the End after allWo Geschichten leben. Entdecke jetzt