Fasnatiker

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Weihnachten und Silvester sind vorbei. Doch dem Menschen reicht das Vollfressen bis zum Kotzen und das in die Luft sprengen von lauten Böllern noch nicht. Nein, er will mehr! Die Idee dazu mussten etliche nach Weihnachten vollgestopften Menschen gehabt haben, welche sich im Spiegel betrachteten, ihren Kugelrunden Bauch streichelten und dachten: Da hilft nur eine Diät! Weil aber Gruppenzwang besser funktioniert als Neujahrsvorsätze hat man eine der lästigsten Feiern erfunden, welche zwei Monate anhält und so jeden Ort einmal trifft: die Fastnacht.

Es gibt normale Menschen, welche vielleicht einmal im Jahr an eine Fastnacht gehen, sich womöglich sogar verkleiden, was kleines essen und selten sogar denken, wie gemütlich es war. Doch dann gibt es die richtigen Fastnacht-Fanatiker: Sie treffen sich in den hässlichsten Gewändern, welche wenn man genauer hinsieht nicht eine Verkleidung sind, sondern ihr wahres Gesicht. Auch ihr richtiger Charakter wird offenbart und passt sich somit ihrer Hülle an. Sie saufen sich bis zur Kante voll und belästigen jeden, der ihnen in die Quere kommt. Erst gerade war ich im Zug. Ich sah sie schon im anderen Abteil ihr Bier herunter Kippen und eine Mutter mitsamt Kind mit Konfetti belästigen. Da merkte ich, dass ich dringend schiffen musste. Ich erblickte die einzige Toilette im Wagon, hinter der Masse der Fasnatiker, und dachte mir: Scheisse. Doch der Druck meiner Blase war grösser als der Hass vor Fasnatikern. So setzte ich mein unausstehlichstes Gesicht auf und machte mich so breit und gefährlich wie möglich. Mit meinen 1.63 sah ich dabei eher wie ein wütender aufgeplusterter Kauz aus, aber die Tarnung klappte. Mit nur ein paar komischen Blicken erntend kam ich an ihnen vorbei.

Doch die wahre Hässlichkeit der ganzen Sache bemerkt man erst an einem Umzug. Begleitet von grausigem Getröte und Getrommel, was als Guggen«musik» verkauft wird, kann man das Szenario mit ansehen. Grosse und aufwendige Wägen werden durch die Strassen manövriert und haben somit ihren Höhepunkt der Begutachtung von drei Stunden erreicht, bevor sie nach monatelangem, mühseligem Aufbauen wieder in den dunklen, schmutzigen Ställen landen bevor sie abgerissen werden. Von diesen aufgepimpten Wagen werden in manchen Fällen Süssigkeiten geworfen, welche schon seit drei Jahren bei jemandem Zuhause vergammelten. Die Kinder am Rande vergessen alles, was ihre Eltern ihnen an Sitte und Anstand beigebracht haben und stürzen sich auf die Kariesbomben wie wilde Ratten. Noch lustiger wird es, wenn sie dabei auch wie Ratten aussehen. Auch ich wurde als Kind einmal als Ratte verkleidet. Besser gesagt wurde ich in einen Abfallsack gesteckt mit einer Maske, welche aus Papptellern bestand. In diesem Gewand wurde ich mit meinen damaligen Klassenkameraden, welche auch in Müllsäcke gepackt wurden, durch die Strassen gezerrt und hin und wieder von einem Fasnatiker mit Konfetti eingerieben. Was für eine tolle Zeit. Nun lache ich die kleinen Kinder in Müllsäcken aus, welche weinend von ihren Eltern mitgeschleift werden. Meiner Meinung nach die beste Art der Verarbeitung von Traumatisierung im Kindesalter. Mit einem Lolli im Mund, welchen ich einem weinenden Kind mit Konfetti in der Hose geklaut habe und einem Trommelfellschaden verlasse ich dieses moralisch und pädagogisch verwerfliche Fest und denke mir: Endlich vorbei, jetzt freue ich mich auf Ostern.

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⏰ Last updated: Feb 11, 2020 ⏰

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