Der Erlöser: Teil 1

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Der Erdenbesuch

Gott will seinen Sohn auf die Erde schicken.

Gott: Mein Filius, es ist wieder so weit.

Gottes Sohn: Ist schon klar, ich bringe gleich den Müll raus.

Gott: Aber mein Sohn ...

Gottes Sohn: Nun gut, dann eben noch Scheiben putzen, Dachrinne sauber machen, d.h. natürlich erst die Dachrinne sauber machen und dann die Scheiben putzen, ist schon klar. 

Gott: Die Erde.

Gottes Sohn: Die Erde?

Gott legt seinem Sohn väterlich die Hand auf die Schulter und sein Sohn antwortet: Ach so ja, die Erde, wie konnte ich das vergessen. 

Gottes Sohn juckt es an Händen und Füssen.

Gott: Mein Sohn.

Gottes Sohn: Mein Vater?

Gott: Muss ich es sagen?

Gottes Sohn: Nein, natürlich nicht, Du musst überhaupt nichts sagen.

Gott: Und Du wirst es tun?

Gottes Sohn zeigt auf sich: Ich? Hm, ja um ehrlich zu sein, ich glaube eher nicht. 

Gott: Aber sie sind an dich gewöhnt.

Gottes Sohn: Oh, ja, das sind sie, die Holzhändler, die Kreuztischler und die Dornkronenflechter, sicherlich, die Richter auch und natürlich das Publikum nicht vergessen und die Soldaten.

Gott: Sie haben gesagt, dass es ihnen leid tut, und das sie es nicht wieder tun werden.

Gottes Sohn legt jetzt seinem Vater die Hand auf die Schulter: Ich glaube, das lief anders. 

Gott: Sie haben überall Bildnisse von Dir aufgehängt, obwohl ich das verboten habe. Sie mögen dich mehr als mich.

Gottes Sohn: Das kann schon sein Vater, aber weisst Du auch, was die Erdlinge unter mögen verstehen? Sie haben da ganz eigene Vorstellungen. 

Gottes Sohn zeigt seinem Vater eine Darstellung von Jesus am Kreuz. 

Gott: Uh, du hast Recht, das sieht nicht sehr einladend aus.

Gottes Sohn: Nicht sehr einladend? Weisst Du wie das für mich aussieht? Lass dich hier bloss nicht mehr blicken! So sieht das für mich aus. Und diesen Wunsch will ich ihnen gerne erfüllen.

Gott: Aber nein, mein Junge, sie sind der Meinung, dass Du mit deinem heldenhaften Opfertod alle Sünde von ihnen genommen hast, deshalb verehren sie dich in dieser etwas unvorteilhaften Form.

Gottes Sohn wird ärgerlich: Na klasse, wenn sie durch mich alle Sünden losgeworden sind, dann haben sich ja sicherlich in den letzten 2 Tausend Jahren neue angesammelt, die sie wieder loswerden können. Wie das geht, das wissen sie ja schon. Schnapp dir einen Erlöser und quäle ihn zu tode. Und schon bist Du alle Sünden los.

Gott: Mein Sohn, das ist jetzt aber verkürzt, Du hast vergessen, dass Du noch deine Taten bereuen musst, erst dann bist Du alle Sünden los.

Gottes Sohn: Das tut ja so gut, wenn sie dort unten bereuen, nein, da steh ich wirklich drauf. Aber warum denn diesen Umweg gehen, warum trinken wir keinen Tee miteinader oder wir spielen Korbball, so was in der Art, warum muss es diese unangenehme Behandlung sein.

Gott: Aber sie werden das doch nicht wieder tun.

Gottes Sohn: Aber natürlich Dad, genau das werden sie tun, sie haben sich sogar schon einen Entschuldigung ausgedacht: Wiederholungszwang.

Gott: Aber einer muss es ihnen doch sagen, dass sie gerade ihren Planeten zerstören.

Gottes Sohn: Vater, die wissen das schon.

Gott: Du weisst schon dass ich allmächtig bin.

Gottes Sohn: Sind wir nicht alle ein bisschen allmächtig?

Gott: Du weist schon noch wer am allmächtigsten ist, oder?

Gottes Sohn: Und du weisst auch Vater, dass man "allmächtig" nicht mehr steigern kann.

Gott: Ich mag das ja, dass Du nicht auf den Kopf gefallen bist.

Gottes Sohn: Ach ja?

Gott: Aber jetzt geh da runter auf die Erde, oder ich werde so richtig sauer.

Gottes Sohn: Dad,  bitte reg dich nicht auf. 

Gott zeigt auf seinen Sohn: Du tust es?

Gottes Sohn nickt: Sei 's drum, ich bin dabei.

Gott: Mach es ein bisschen subtil, nicht zu viel Show und zeig dich am besten, wenn sie ihren "Wir begrüssen unseren Erlöser Tag" haben.

Gottes Sohn nickt: Keine Spezialeffekte und pünktlich zum Erlösertag gewaschen und rasiert auf der Erde, wird gemacht.

Gott geht erleichtert aus dem Zimmer seines Sohnes, dem gerade etwas einfällt: Du Dad, ich glaube, so etwas wie den Erlösertag haben die gar nicht. 

Gott dreht sich um: Aber ja doch, am Erlösertag kommst Du mit einem Sack voll Geschenken und keiner wird dir etwas tun.

Gottes Sohn: Ich soll mich als Weihnachtsmann verkleiden? Also jetzt nicht mehr als Christkind?

Gott: Na klar, dem Weihnachtsmann tun sie nichts, du wirst schon sehen.

Auf der Erde in aller Heimlichkeit und ohne Spezialeffekte gelandet, gerät der Heiland in der Warteschlange für Weihnachtsmannbewerber an einen Psychotherapeuten, der den Sorgen des Erlösers zuhört und  ihm rät, sich in einer fremden Sprache zu sorgen, die er nicht so gut beherrscht, so wäre es nur noch halb so schlimm, so würde er das auch immer machen. 

Aber der Heiland beherrscht alle Sprachen gleich gut. Und er würde total Ärger bekommen, wenn er plötzlich nur noch Hebräisch sprechen würde und kein ordentliches HochDeutsch mehr. Dann würde es gleich losgehen: Wir haben es ja schon immer gewusst, u.s.w. 

Psychotherapeut: Verstehe. Wie sieht es dann mit einem Gedicht aus, oder noch besser, ein Lied?

Der Heiland hebt zum Singen an, mit der Melodie von "Oh Tannebaum":

Oh MenschenTraum, oh MenschenTraum, hängt nicht mich am Tannenbaum

Ich mag echt nicht das Hälse ziehen und auch nicht vor Henkern knien

Oh MenschenTraum, oh MenschenTraum, hängt nicht mich am Tannenbaum

Ich mag auch nicht ein scharfes Beil, an meiner Kehle Unterteil

Der Heiland sieht den Psychotherapeuten besorgt an. Aber der winkt freundlich ab: Muss ja nicht perfekt sein. Ist ja nur dazu da, sich selbst zu überzeugen, um irrationale Ängste abzubauen.

Nach einer kurzen aber intensiv durchgrübelten Pause sagt der Heiland: Und wie ist es mit "An meiner Kehle scharfes Messer, macht es auch nicht viel besser" statt "scharfes Beil, an meiner Kehle Unterteil"

Psychotherapeut beruhigt den Heiland: Glauben sie mir, ganz gleich, was es ist, wenn sie es singen, dann ist die Menschheit unheimlich leidensfähig. Es gibt da ganz andere Lieder, andere Sänger, die sind völlig unbehelligt geblieben sind. 

Der Heiland schöpft Hoffnung: Wirklich?

Psychotherapeut: 100 Pro, es gibt singende Geburtstagstelegramme, singende Steuererklärungen, singende Nebenwirkungen auf Beipackzetteln; es ist noch nie etwas geschehen. 

Wie es dem Heiland bei der Talentshow ergangen ist, erfahrt ihr nächste Woche.

Der ErlöserWhere stories live. Discover now