Der Tanz

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Moritz atmet tief durch, gleich ist 20 Uhr. Die Vampirin, Amelia, wird kommen.
Er hatte den Vertrag unterschrieben, bis alle Kerzen aus sind, solange wird er mit ihr tanzen und danach wird er von ihrem Biss sterben. Wenn er den Vertrag bricht, bekommt er einen grausamen Tod. Moritz hatte sich in Amelia verliebt, Hals über Kopf. Allerdings hätte er fast den Vertrag unterschrieben, ohne genau zu lesen, was ihn erwartet.
Der Braunhaarige entzündet einige Räucherstäbchen, der Vanilliegeruch nimmt schon bald die komplette Wohnung ein. Ungeduldig streift er durch die Wohnung. Überall stehen Kerzen herum, noch sind sie nicht angezündet. Dies wird erst ab dem Eintreffen der Vampirin getan.
Der erlösende Gong der Tür lässt in durchatmen. Schnell öffnet er diese, direkt sieht er die Vampirin in seinem Blickfeld. Im auffälligen rotem Gewand, ihre schwarzen Haare hat sie gelockt.
Verführerisch lächelt sie ihn an, sie weiß, was sie tun muss. 》Bist du bereit, mein Lieber?《, haucht sie ihm zu.
Moritz nickt ernüchternd. 》Ja, das bin ich.《
Die Frau tritt in die Wohnung herein und zieht sich die Schuhe rasch aus. 》Dann wird es Zeit, die Kerzen anzuzünden.《 Sie holt ein Feuerzeug heraus und zündet alle Kerzen an, die Moritz aufstellte. Auf dem Boden, Schränke, überall hat er sie hingestellt.
Nervös schaltet er den Rekorder an, um Musik zu spielen, da es sich mit leichter tanzt. Irgendwie bangt es ihm, als ihm bewusst wird, dass es nun keine Flucht mehr gibt. Die Vampirin ist hier. Er ist hier.
Erschrocken zuckt er zusammen, als er etwas auf seiner Schulter spürt.
》Etwas schreckhaft heute?《, flüstert ihm eine liebliche Stimme zu, Amelia. 》Es wird Zeit zu tanzen, alle Kerzen sind entzündet.《
Er spürt ihren Atem im Nacken, scheinbar ist sie ihm ganz nah. Tief atmet er ein und schaltet das Licht aus, nur noch die Kerzen erhellen die finstere Wohnung. Langsam dreht er sich zu ihr herum. 》Ja.《

Moritz tanzt mit der Vampirin, sein Geist driftet immer wieder weg, durch die immer gleichen Bewegungen.
Doch er lässt es zu.
Erinnerungen an seine Schulzeit kommen hoch, er gehörte zu der Gruppe der coolen. Doch irgendetwas in ihm hatte ihn schon damals geplagt. Es fehlte etwas.
Seine Mutter verließ ihn sehr früh und war spurlos verschwunden, nur sein Vater hatte er jetzt noch als Bezugsperson. Doch er interessierte sich kaum für ihn, gab ihm nur Materielle Dinge. Sie waren meist Teuer und Marken basiert, in der Schule konnte er davon prahlen. Die Gesichter waren oftmals bewundernd.
Moritz erinnert sich an das blonde Mädchen, welches pummelig war, sie hielt sich oft zurück und wollte nicht auffallen. Zumindest hatte er im Nachhinein dieses Gefühl, dass sie das erreichen wollte.
Doch damals bekam er es kaum mit und hörte, wie andere sie runter machten, also zog er mit. Immerhin gehörte er zur Gruppe, also muss er mit machen oder?
Moritz verdrängt die Erinnerung schnell und bringt sich zurück in die Realität. Die Vampirin beobachtet ihn genauestens. Mit einem Seitenblick stellt er fest, dass einige wenige Kerzen schon ausgingen.
Er blickt in die Augen von Amelia, ein tiefes dunkles blau. Wann war er zuletzt am Meer? Das letzte mal müsste bei der Abschlussfahrt gewesen sein.
Er erinnert sich an das Mittelmeer, es roch stark nach Salz und es war heiß in der Stadt, in der sie waren. Das blonde Mädchen war dabei, beobachtet das Meer und murmelte etwas. Er verstand nicht, was sie sagte. Vielleicht hätte er damals Nachfragen sollen? Anstatt mit seinen damaligen Freunden Blödsinn zu machen. In der Zeit ignorierte er sie, auch wenn er öfter mal zu ihr schaute. Damals genoss er das Meer in vollen Zügen, ärgerte andere Mädchen mit seinen Freunden. Die Zeit schien still zu stehen. Damals fing er sich einen Sonnenbrand zu, der Nachts sich wie die Hölle anfühlte.
Seine Erinnerungen verändern sich. Er erinnert sich daran, wie er von seinem Vater angeschrien wurde, bezeichnet als Nichtskönner und Fauler Junge.
Tränen bringen ihn zurück in die Realität. Langsam löst er seine Hand und wischt sie weg. Amelia beobachtet ihn weiter, ob sie das wohl gewohnt ist? Wer weiß schon, wie lange sie schon lebt. Hunderte Jahre? Er verfällt schnell wieder diesem Tanz und senkt seinen Kopf auf ihre Schulter. Sie riecht nach Rosmarin.
Er erinnert sich daran, wie er das erste mal Alleine wohnte und für sich selbst sorgte. Vieles ging beim kochen schief, es dauerte bis er es konnte. Er war stolz darauf und erzählte dies seinem Kumpel.
Mittlerweile hat er gar keine Freunde mehr. Seine Klassenkameraden gingen andere Wege und andere nutzten ihn aus. Vielleicht hatte er es verdient?
Wieder kommt ihm das blonde Mädchen in den Kopf. Wie hieß sie eigentlich noch mal?
Ihm kommt ein anderer Mensch in den Sinn, einer der ebenfalls im Hintergrund blieb. Dieser war nerdig und kannte die Hintergrundinfos, zu allem was er liebte. Robin hieß er. Was wurde aus ihm? Moritz erinnerte sich daran, dass er die Schule wechselte, da er zu gut war. Früher nannte er ihn Streber, jetzt wird ihm klar, dass Robin vermutlich nur Spaß an der Schule hatte und vielleicht sogar was erreicht hatte im Leben. Er selbst stolpert von Job zu Job, findet keinen langjährigen.
Seine Beine knicken ein, erschrocken erwacht er zurück in die Realität. Amelia hält ihn fest und zieht ihn wieder hoch, nah an ihren Körper. Ihn scheint die Kraft zu verlassen, seine Füße geben Schmerz Signale, als würde er Stunden durch hohen Schnee laufen.
》Ihr Menschen seid schnell kaputt... Es dauert nicht mehr lange《, wispert sie beruhigend in sein Ohr. Moritz schaut sich kurz um, sie hat Recht. Wie lange tanzt er schon mit ihr? Wie lange gehen Erinnerungen? Sie fühlen sich an wie Sekunden, aber es scheinen Stunden zu vergehen. Hat er noch mehr Erinnerungen, die nur an ihm vorbei gehen und er nicht wahrnimmt?
Körper an Körper tanzen sie nun.
Er erinnert sich an das erste treffen mit Amelia, im Club traf er sie. Die Vampirin hatte Verführung drauf wie kein zweiter, schnell hatte sie ihn um den Finger gewickelt. Mit Ernüchterung stellt er fest, dass es vielleicht sogar Absicht war. Das Vampire mit Gefühlen spielen und so die Menschen dazu bringen, den Vertrag freiwillig zu unterschreiben. Sobald sie das tun, gibt es sowieso nur noch den Tod für sie.
Nur kommt diese Erkenntnis ihm zu spät, das was Moritz. Er hätte von Anfang an anders Leben oder zumindest lernen sollen.
Ihm fällt nun auch die Frage seiner Jugend ein, was ihm fehlt, was alle anderen zu haben scheinen. Leidenschaft und Liebe. Nie hatte er eine Leidenschaft, wie Robin es hatte. Nie bekam er die Liebe von seinem Umfeld und das machte ihn zum Opfer eines Vampires. Was hätte er ändern können?
In dem Moment kommen ihn tausende Bilder. Vielleicht hätte er dieses Blonde Mädchen beschützen oder Kontakt zu ihr aufnehmen sollen. Vielleicht sogar mehr mit Robin reden, wer weiß, vielleicht hätte er früher eine Antwort gefunden als er selbst. Vielleicht, hätte er dann wahre Freunde gehabt.
Müde schließt er seine Augen. Es ist zu spät. Alles ist zu spät. Er wird sterben, werden Robin und dieses Mädchen jemals davon Erfahren? Werden sie je Erfahren, dass es ihm Leid tut?
Moritz schluchzt und lässt seinen Tränen freien Lauf, Reue macht sich in ihm breit. Doch was nützt es ihm jetzt?
Er versucht seine Reue keine Aufmerksamkeit zu schenken, sondern konzentriert sich auf den Namen des blonden Mädchens. Wie hieß sie? Moritz geht sämtliche Erinnerungen der Schule durch, doch nie hatte er aufgepasst, wenn der Lehrer sie aufrief. Da seine Freunde mit ihm redeten.

Sein Rücken wird gegen eine Wand gedrückt, weswegen er die Augen öffnet. Alles ist finster, die letzte Kerze ist erloschen. Alles was er noch sieht, sind die glühend blauen Augen der Vampirin. Es ist soweit. Nachdem er starb, wird sie die Polizei zu ihm nach Hause rufen und verschwinden. Den Vertrag legt sie mit Unterschrift zu ihm. Damit es nicht groß in den Medien erscheint.
Amelia bohrt ihre Zähne in seinen Hals. Ein heiserer Schrei entflieht ihn, da es sich anfühlt, als hätte man zwei Spritzen in seinen Hals gerammt. Nach einigen Sekunden tut sich ein Taubheitsgefühl auf. Haben Vampirzähne Beruhigungsgift?
Groß darüber nachdenken tut er nicht mehr.
Langsam fühlt sich sein Körper kraftlos an und sein Bewusstsein schwindet.
Er findet eine Erinnerung, in der ihr Name vorkommt. Damals, als sie neu zur Schule kam.
Ihr Name war Elli.
Kurz vor seiner Bewusstlosigkeit, widmet er seine letzten Gedanken ihr alleine:
Elli, es tut mir Leid.

Meine GedankenspinnereienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt