Vorgeschichte

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"Mama, kann ich mit dir reden?", fragt Johannes mit trauriger Stimme. Es ist später Nachmittag und setzt sich zu seiner Mutter im Wohnzimmer. Es ist zum ersten Mal, dass er mit seiner Mutter darüber reden will. "Natürlich, Schatz. Was ist los?", fragt seine Mutter besorgt.

Seit dem Johannes' Vater vor zwei Jahren an Krebs gestorben ist, geht es in der Familie auf und ab. Johannes' Mutter ist immer strenger gegenüber ihrem 17-jährigen Sohn geworden. "Ich habe Angst", stottert Johannes. "Schatz, das bildest du dir ein. Du musst keine Angst haben. Mama ist bei dir." - "Ich bilde es mir nicht ein. Ich habe wirklich Angst.", erwidert er. Johannes kommen langsam die Tränen.

"Halt den Mund! Ich weiß, dass du es dir einbildest. Rede dir nicht so einen Blödsinn ein!", schreit Johannes' Mutter vor Wut. Der Tod von Johannes' Vater hat sie am schwersten mitgenommen. Sie glaubt, dass Johannes auch an Krebs leiden wird. Auch wenn Johannes manchmal Schmerzen hat, will sie es nicht wahrnehmen.

"Warum verstehst du mich nicht?", fragt Johannes verzweifelt. Er erlebt seine Mutter seit zwei Jahren so. Es wird immer schlechter, Tag für Tag. Er fühlt sich eingesperrt von seiner Mutter, weil er nicht oft mit seinen Hauptschulfreunden etwas unternehmen kann. "Ich verstehe dich sehr wohl. Du willst mich wahnsinnig machen!" Seine Mutter stampft wütend aus dem Wohnzimmer.

Johannes weiß, wohin sie geht: Ins Schlafzimmer, um dort zu weinen. Er hat sich das angewöhnt, sie nicht mehr anzusprechen. Das Beste war immer, in sein altes Kinderzimmer zu gehen und sich abzulenken. Es geht aber nicht. Er kann sich nicht ablenken. Er hat Angst um seine Mutter und um seine Gesundheit. Er hat Angst, an einer schweren Krankheit zu sterben oder dass seine Mutter sich etwas antun würde. Es quält ihn seit einigen Wochen. Er würde gerne mit seinen Freunden darüber reden, hat aber Angst, dass diese genauso reagieren wie seine Mutter. Er lässt es lieber sein.

Er konzentriert sich auf den Beginn in der Handelsakademie. Er will Buchhalter werden, genauso wie sein Vater und sein Großvater. Beide waren angesehen in ihrem Leben und beide wurden gut bezahlt. Johannes hat sich schon immer dafür interessiert und hat die Unterstützung seines Vaters gehabt. Seine Mutter wollte ursprünglich, dass er Lehrer wird. Sie war selbst Lehrerin an einer Schule im Nachbarort und war sehr beliebt bei den Schülern. Als aber dann Johannes' Vater starb, unterstützte sie Johannes darin, an der nächstbesten Handelsakademie aufgenommen zu werden. Und morgen war der erste Tag. Johannes ging es schon durch den Kopf, ob er von seinen Mitschülern respektiert und akzeptiert wird, ob die Lehrer nett sind oder ob er gleich am ersten Tag zu spät kommen würde.

Johannes fährt gerne mit dem Zug zu seiner Tante Erika. Zur HAK (Handelsakademie) wird er auch mit dem Zug fahren. Aus Sorge den Zug zu verpassen, stellt er seinen Wecker 15 Minuten früher als seine Mutter ihm vorgeschlagen hatte und legt sich alles bereit für den morgigen Tag. Um 20:00 Uhr geht er sehr früh schlafen. Schießlich will er auch ausgeschlafen zum Unterricht erscheinen.

Angst um rote ZahlenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt