Es ist 5:35 Uhr. Der Wecker von Johannes läutet. Schon seit der zweiten Hauptschulklasse ist sein Weckerton der Refrain von "We Didn't Start The Fire" von Billy Joel. Er lässt ihn nur kurz läuten und steht dann auf. Er hat schlecht geschlafen. Nicht nur weil die Matraze für ihn zu hart ist, sondern auch weil seine Ängste ihn gequält haben. Er hat nicht aufhören können sich über diesen Tag Sorgen zu machen.
Er zieht sich ein weißes T-Shirt, eine graue Weste und seine beige Jeans an, die er am liebsten trägt. "Ich will nicht auffallen, aber mit so einer Jeans hat sich das wohl erübrigt", denkt sich Johannes, als er die Jeans anzieht. Beige ist seine Lieblingsfarbe. Es wirkte für ihn immer schon schön und gemütlich, wenn er etwas in dieser Farbe trug.
"Wann geht eigentlich mein Zug?", kommt ihm durch den Kopf geschossen. Hastig kramt er seinen Zettel aus seiner Geldbörse, auf dem er die Abfahrtszeiten notiert hatte. "Abfahrt Zuhause: 6:23 Uhr" steht auf dem geknüllten Stück Papier, welches er wieder zurück in seine Geldbörse stopft. Er braucht ungefähr 10 Minuten zum Bahnhof und möchte noch frühstücken.
Nachdem er auf dem Klo war und sich die Hände gewaschen hatte, geht er in die Küche. Auf der Kücheninsel steht ein Plastikbehälter, eine Wasserflasche und ein Joghurt. Daneben ein Zettel, auf dem steht: "Schönen ersten Schultag! Bussi, Mama."
"Typisch Mama", denkt sich Johannes. Er grinst noch ein wenig und packt den Behälter und die Wasserflasche in seinen Rucksack und geht mit dem Joghurt zum Esstisch. Der Esstisch ist gedacht für 12 Personen, aber nach dem Tod von Johannes' Vater wurde keiner mehr eingeladen zu Besuch oder zum Feiern.
Als er das Joghurt fertig gegessen hatte, blickt er auf die große Standuhr im Esszimmer. Sie läutet gerade 6:00 Uhr. "Ich habe als noch genug Zeit zu kontrollieren, ob ich alles mitgenommen habe", denkt sich Johannes. Er steht auf vom Esstisch und stellt seinen Rucksack auf den Sessel nebenbei. Er fängt zitternd an den Rucksack zu durchwühlen, ob er nicht irgendetwas vergessen hatte. Ihm ist nicht Wohl. Es ist für ihn unangenehm durchzuschauen, was alles in dem Rucksack ist. Alles voller Mappen und Zetteln, die nur darauf warten benützt zu werden.
Plötzlich klingelt sein Handy. Es holt es aus seiner Hosentasche und schaut auf den Bildschirm: "Mama ruft an". "Was will sie?", fragte sich Johannes laut, bevor er den Anruf annahm. "Hallo?" - "Guten Morgen, Schatz", begrüßt ihn seine Mutter, "ich wollte nur sicher gehen, dass du pünktlich zu deinem ersten Schultag kommst." - "Natürlich, Mama. Ich bin schon beim Frühstück", stottert Johannes. Seine Mutter rief ihn nie an um zu wissen, ob er den ersten Schultag versäumt oder nicht. "Okay. Dann alles Gute. Bussi", verabschiedet sich seine Mutter.
Johannes brachte ein leises "Bussi" heraus und legt sofort auf. Daraufhin geht er zum Vorraum und zieht sich um. "Schuhe, Jacke, Haube, Schal, habe ich irgendetwas vergessen?", dachte sich Johannes, bevor er die Tür öffnet. Als er sich sicher ist, dass das alles ist, was er braucht, geht er aus dem Haus, verschließt die Tür und macht sich auf dem Weg zum Bahnhof.
Es ist ein nebeliger Montagmorgen. "Ungewöhnlich kühl für diese Zeit", denkt sich Johannes, als er mit eingezogenen Kopf in Richtung Bahnhof maschierte. Er beobachtet die Landschaft, auch wenn er davon nicht viel sehen kann. Er schaut in die Leere des Nebels.
Nach einigen Minuten Fußmarsch durch den Nebel, kann er das Bahnhofsgebäude erkennen. Es ist seit 1960 nicht mehr renoviert worden und sieht verfallen aus. Nicht einmal im Winter oder bei Windböen bieten die Räume Schutz vor Kälte. Aber zum Glück fährt hier ein Zug zu den nächsten großen Städten und moderneren Hauptbahnhöfen.
Die Gleise sind nicht mehr beschriftet, weil jeder im Ort weiß, welcher Zug von welchem Gleis fährt. Johannes steigt bei dem Gleis des alten Gebäudes ein. Es warten viele Menschen auf dem Bahnsteig, von Angestellten über Ingenieur bis zum Chef großer Unternehmen. Mit dem Auto zu fahren ist eine Zumutung, da die Straßen in sehr schlechtem Zustand sind und nicht vom Land erneuert werden.
"Achtung auf Gleis 1, Regionalzug 431 fährt ein", hallt eine blecherne Stimme des Fahrdienstleiters durch den Bahnhof. Für moderne Techniken müsste die Bahn den Bahnhof erneuern und das macht sie nicht ohne Absprache mit der Gemeinde. Den Fahrdienstleiter kennt jeder, da er seit 20 Jahre nie seinen Posten gewechselt hat. Er ist zufrieden und macht manchmal auch Witze über die Megafon geformten Lautsprecher, um die Stimmung ein wenig zu heben.
Die alte Diesellok der Baureihe 218 fährt mit 6 Abteilwaggons ein. Johannes sitzt, wenn er zu seiner Tante fährt, im letzten Waggon, weil er dort fast alleine ist. Als er bei der vorletzten Tür einstieg, geht er sofort nach rechts. Er machte die Tür auf und der Waggon war ziemlich voll. Er erschreckt sich ein bisschen und macht sich Sorgen. "Was ist, wenn ich keinen Sitzplatz mehr bekomme? Muss ich dann 30 Minuten lang stehen?", denkt er sich, als er an den belegten Plätzen vorbei ging. Dann blieb er stehen. Er stand neben einem freien Platz neben einem Mädchen. Sie hatte blonde Haare, eine grüne Jacke und eine zerfetzte Jeans an. Er traut sich nicht sie anzusprechen. " Was wenn sie glaubt, dass ich etwas von ihr will? Was wenn sie meinen geruch nicht ausstehen kann?", denkt sich Johannes. Seine Gedanken werden von einer hellen Stimme unterbrochen: "Willst du dich hinsetzen oder die anderen Menschen aufhalten?" Sie hat ihn gefragt. Johannes setzte sich schnell auf den freien Platz und bedankt sich bei ihr. "Bei welcher Station steigst du aus?", fragte er zögernd. "Bei der Handelsakademie und du?" antwortet sie mit froher Stimme.
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Angst um rote Zahlen
RandomJohannes ist ein 17-jähriger Junge, der in einer Handelsakademie anfängt. Seit 2 Jahren macht er sich sorgen um sich selbst und die Menschen um sich. Er hat versucht, mit seiner Mutter zu reden, aber diese glaubt, dass er sich das einbildet. In der...