Wenn ich aufwache, fühle ich mich leer.
Ich sehe meine Kissen, meine Decke und die Wände meines Zimmers. Schaue ich nach oben sehe ich die Sterne, welche ich vor Jahren mal dort hingeklebt und seit je her nicht abgekratzt habe. Damals schaute ich sie mir immer an, bis mir die Augen zufielen, weil ich wusste, dass sie über mich wachen werden.
Mühselig schiebe ich die warme Decke von meinem Körper. Die Heizung war die Nacht wohl wieder nicht an gewesen. Noch warm vom Schlaf, richte ich mich auf und taumel in Richtung Küche.
Kaffee oder doch lieber einen Tee? Meine Frage beantwortet sich bereits, als ich die kaputte Kaffeemaschine erblicke. "Da war ja was.", murmle ich zu mir selbst und starte den Wasserkocher, während ich mir eine Tasse von der Spüle greife, die noch sauber im Verhältnis zu den Anderen scheint.
Während das Wasser vor sich hin brodelt, starte ich den kleinen Fernseher auf der Anrichte, doch nicht der Nachrichten halber, sondern weil ich diese elendige Stille in dieser Wohnung nicht ausstehen kann.
Als mein Blick auf den Esstisch fällt, erblicke ich die Berge an Papier neben meinem, noch immer angeschalteten, Laptop. Jetzt weiß ich wieder, warum ich gestern so früh ins Bett bin. "Schlaf ist immerhin wichtig.", versuche ich mich selber zu rechtfertigen und wende meinen Blick wieder ab. 'Aus den Augen, aus dem Sinn', sagt man doch so schön, oder?
Der Wasserkocher fiept und ich zucke zusammen. Da war ja was. Ich schnappe mir schnell einen der Teebeutel, der auf der Anrichte liegt, werfe ihn in die Tasse und gieße das kochende Wasser hinterher.
Heute war Freitag. Oder doch schon Samstag? Ich verliere den Überblick ohne meinen Kalender. Oder ist es nicht der Kalender, sondern verliere ich den Überblick wegen- ...ach egal.
Ich schiebe ein paar der Blätter zur Seite und stelle die Tasse auf den Tisch. In der Spiegelung des schwarzen Monitors sehe ich meine tiefen Augenringe und meine zausigen Haare, die vom Schlaf geprägt, in alle Richtungen abstehen. Mein Finger fällt auf die Tastatur um den Bildschirm-Schoner möglichst schnell zu deaktivieren und mein deprimiertes Selbst nicht mehr erblicken zu müssen.
Das helle Licht blendet mich, sodass ich meine Arme vors Gesicht werfe. Die Tasse liegt jetzt in Scherben auf dem Fliesenboden. Der Tee verteilt sich um die Tisch- und Stuhlbeine und die Krümel, vom letzten Keks gestern Mittag, saugen sich mit meinem Kräuter-Tee voll. Na toll.
Auf meinem Bildschirm springt ein Fenster auf und teilt mir mit, dass ich noch dreiundzwanzig ungelesene Nachrichten habe. "Eins nach dem Anderen.", denke ich mir und stehe auf, darauf bedacht keine Scherben mit meinen nackten Füßen zu erwischen.
Beim öffnen der Türe unter der Spüle erwischt mich eine Woge Gestank. Der Mülleimer ist bis zum Rand und darüber hinaus gefüllt und lässt daran erinnern, dass ich vor kurzer Zeit wohl eine Banane und mehrere Joghurts zu mir genommen habe. 'Das nächste Mal, wenn ich raus gehe, nehme ich den Eimer mit.', denke ich mir selber, in dem Wissen, dass ich es nicht tun werde.
Ich schnappe mir ein Küchentuch und werfe es auf die kleine Tee-Pfütze. Während ich die großen Scherben aufsammle, klingelt mein Telefon. Die Scherben will ich noch schnell in den Mülleimer werfen, als ich die Tür unter der Spüle erneut aufmache und der platzende Eimer in mein Blickfeld wandert. Da war ja was. Also schließe ich die Tür und lege die Scherben auf die Anrichte.
Das Klingeln des Telefons geht mir von Sekunde zu Sekunde, in der ich zum Hörer eile, mehr auf die Nerven und ich frage mich, ob man den Ton umstellen kann. Später. Meine Hand umfasst das lärmende Teil und als ich auf die grün blinkende Taste drücken will, verschwindet der nervige Ton. Nicht schon wieder.
Die Nummer taucht auf dem kleinen Bildschirm auf und ich weiß nach nur einem Blick, dass die Hausverwaltung sich wieder beschweren will. Das Treppenhaus. Ich bin dran mit wischen.
Mein Kopf legt sich in meine Hände und ich stöhne einmal ermüdet aus. Mundgeruch. Also stolpere ich in den Flur, über den Staubsauger und in die Tür zu meiner linken. Das Bad. Den Spiegel vermeide ich schon seit Tagen, also schaue ich mit gesenktem Blick ins Waschbecken.
Ich drehe den Hahn auf und lasse Wasser in meine Hände laufen. Wenn ich schon keinen Tee zum Wach werden hatte, muss eben das kalte Wasser hinhalten. Direkt als die ersten Tropfen mein Gesicht berühren, bereue ich es. Meine Hand greift nach links. Ins Leere, wo eigentlich ein Handtuch hängen sollte.
Also greife ich den Saum meines T-Shirts und vergrabe mein Gesicht darin. Auch wenn ich darin geschlafen habe, es ist noch ziemlich frisch. Meine Haut wird mir das zwar nicht danken, aber das war mir mittlerweile auch egal.
Was wollt ich? Stimmt - Zähneputzen. Ich greife nach meine Zahnbürste, halte sie unter das laufende Wasser und schaue meine zusammen gequetschte Zahnpasta-Tube an. Ob ich da noch etwas raus bekomme...
Mit einem kleinen Rest, den ich mit mehr oder weniger Gewalt aus der Tube drücken konnte, putze ich meine Zähne. Ich muss wieder Zahnpasta einkaufen. Wohl oder übel landet mein Blick auf den Spiegel. Auf mich. Oder bin das noch ich? In meinem Kopf erscheint ein älteres Bild von mir. Leuchtend blonde gestylte Haare, strahlend helle Augen und ein Lächeln, das kaum wegzudenken war.
Die Person im Spiegel erkenne ich kaum wieder. Die Haare zerzaust, der Blick leer, die Zahnbürste im Mund. Ich spucke die Zahnpasta aus, stelle die Büste zurück und verlasse das Bad.
Auf in den Tag.

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Wie das Leben auseinander fällt
Storie breviWenn ich aufwache, fühle ich mich leer. Ich sehe meine Kissen, meine Decke und die Wände meines Zimmers. Schaue ich nach oben sehe ich die Sterne, welche ich vor Jahren mal dort hingeklebt und nie mehr abgekratzt habe. Damals schaute ich sie mir imm...