▪︎Names▪︎

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Boo Seungkwan war niemand Besonderes. Nicht im negativen Sinne, er hatte alles, was er brauchte - gute Freunde, relativ gute Noten, keiner hasste ihn und er hasste keinen. Aber er war niemand Besonderes, er hatte nichts, wodurch er sich sehr aus der Menge hervorhob, außer vielleicht seinen Sinn für unterhaltenden Humor, aber das ließ er nicht wirklich gelten. Ja, Boo Seungkwan war ein absolut normaler Junge. Das dachte er zumindest, bis er sein sechzehntes Lebensjahr erreicht hatte und diese Namen auf seinem Handrücken erschienen waren.

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Diese Namen. Es waren zwei, und das war die Sache, die ihn bis heute völlig durcheinanderbrachte. Er hatte noch nie etwas davon gehört, dass jemand mehr als einen Namen auf dem Handrücken trug und es machte ihm in gewisser Weise Angst. Hieß das, dass er zwei Seelenpartner hatte, einen Koreaner und einen aus dem Westen? Hatten diese auch zwei Namen auf ihrem Handrücken? Oder war es irgendein Fehler und er war der Einzige im gesamten Universum? 

Er fand es so abartig, dass er es manchmal nicht mal anschauen wollte. Das führte dazu, dass er jede Gelegenheit nutzte, um Handschuhe zu tragen oder seine linke Hand in seiner Hosentasche zu verstecken. Selbst mit seinen engsten Freunden wollte er nicht darüber sprechen. Der Gedanke, zu dritt zu sein, bedeutete für ihn Eifersucht, Streit und letztendlich Trennung, das war schon seit der frühen Kindheit der Fall gewesen. Um ehrlich zu sein, wollte er seine Seelenpartner gar nicht kennenlernen, zumindest nicht, wenn sie sich nicht alle drei gleichzeitig zum ersten Mal begegnen würden. 

Aber dann kam der Tag, an dem er herausfand, was es damit auf sich hatte.

Es war an einem Montag passiert, und wie jeder vernünftige Schüler hasste er Montage aus tiefstem Herzen. Vor allem, weil er nachmittags Mathe und Erdkunde hintereinander hatte, und das mit genau dieser Art von Lehrern, die den Unterricht so langatmig wie möglich gestalteten, sodass man schon nach dem dritten Satz nicht mehr zuhören wollte. In der Mittagspause pflegte Seungkwan daher, sich lautstark über jene Stunden zu beschweren, so auch heute, als er mit seinen Freunden auf den Parkbänken vor dem Schulgebäude saß. 

„Ich sage euch, wenn sie in ihrem eigenen Unterricht sitzen würden, würden sie genauso gelangweilt sein wie wir..."
„Seungkwan, jetzt halt doch endlich deine Klappe!" unterbrach ihn sein Klassenkamerad und bester Freund Chan, der links von ihm saß, und verdrehte die Augen. Jeonghan auf der anderen Seite murmelte nur ein „Bitte verschon mich," während er, wie so oft, seine Mathehausaufgaben in der letzten Minute erledigte. Seungkwan wollte gerade etwas erwidern, als plötzlich ein fremder Junge auf die drei zu kam. 

Normalerweise hätte der Blonde es nicht weiter beachtet, aber irgendetwas ließ ihn noch mal hinschauen. Das erste, was ihm auffiel, waren seine Gesichtszüge, die etwas Koreanisches und gleichzeitig auch etwas Amerikanisches hatten, was zusammen unfassbar gut aussah. Er trug seinen hellbraunen Parka über einem blaugrauem T-Shirt, farblich passend zu seinen ebenfalls hellbraunen, leicht verstrubbelten Haaren. Außerdem trug er hellblaue Ripped Jeans, welche ihn noch mal um eine Spur cooler aussehen ließen. 

Seungkwan bemerkte kaum, wie er seine Augen nicht mehr von dem Fremden lösen konnte. Noch nie war er so angetan von jemandem gewesen, den er nicht mal kannte. 

Und plötzlich trafen sich ihre Blicke. 

Seungkwan hätte schwören können, dass er das Klicken gehört hatte, als sich ein Schalter in seinem Kopf umlegte. Als die Sonne dann auch noch dramatischerweise genau jetzt zwischen den Wolken hervorbrach und die Strahlen auf das Gesicht des Fremden fiel, dachte er nur noch daran, den besagten Jungen nach seinem Namen zu fragen. Mathe und Erdkunde waren schon längst vergessen, Chans verwirrter und besorgter Blick sowie Jeonghans wissendes Grinsen, als dieser von seinen Aufgaben aufblickte, entging ihm ebenfalls. 

Zu seiner Überraschung kam ihm der Fremde zuvor. „Du heißt Seungkwan?" Seine angenehm tiefe Stimmlage gefiel Seungkwan. Er gefiel ihm insgesamt einfach sehr. Noch wusste er nicht wirklich, was genau er an ihm fand, aber etwas sagte ihm, dass er das bald herausfinden würde. Mit einem leichten Nicken bejahte er, ohne den anderen aus den Augen zu lassen. 

„Boo Seungkwan. Woher weißt du das?"
„Ich habe euch reden gehört", der Blick des Fremden huschte kurz zu seinen beiden Freunden, fiel aber schnell wieder auf ihn. Ein vorsichtiges Lächeln schlich sich auf die Lippen des Braunhaarigen, was nach kurzer Zeit erwidert wurde. 

Seungkwans Herz schlug eine Spur schneller als sonst, während er leicht nervös seinen Ärmel über seine linke Hand streifte. Jetzt war er also schon so weit gekommen. Alles in ihm drängte, den Fremden nach seinem Namen zu fragen, und gleichzeitig hoffte er, dass noch eine ganz bestimmte und doch fremde dritte Person dazukommen würde, bevor sich alles ineinander verfing und unnötige Komplikationen verursachte... Aber so einfach war die Sache nun mal nicht und nach einigen Sekunden peinlicher Stille gab er schließlich dem Verlangen nach: „Und wie heißt du?" 

Das Lächeln des Fremden wurde breiter und seine Augen leuchteten hoffnungsvoll, als er antwortete: „Hansol. Choi Hansol. Oder auch Hansol Vernon Chwe, mein amerikanischer Name. Was auch immer dir lieber ist." 

Da fiel es Seungkwan wie Schuppen von den Augen. Hastig und mit halb offenem Mund krempelte er den Ärmel seines blauen Hemdes hoch und starrte auf die Initialen, welche sich immer deutlicher zu vollen Wörtern vervollständigten. Hansol tat es ihm nach, indem er seine Hand mit dem Rücken nach oben neben Seungkwans hielt. Für die nächsten Momente schien die Welt um sie herum angehalten zu haben, während sie wie gebannt auf ihre Hände herabschauten.

최 한 솔

Hansol Vernon Chwe

부 승 관

„Das war es also. Das bist beides du." murmelte Seungkwan, bevor er lange und erleichtert ausatmete. Eine Last, von der er nicht wusste, dass er sie schon lange mit sich herum trug, fiel ihm von den Schultern. Glücklich sah er in Hansols dunkelbraune Augen, welche ebenso sehr leuchteten wie seine. 

„Tut mir leid, falls ich dich verwirrt haben sollte." erwiderte dieser etwas zerknirscht und lächelte verschmitzt. „Meine Mutter kommt aus den USA, deshalb bin ich zweisprachig aufgewachsen."
„Und ich dachte schon...!" Seungkwan wurde es erspart, den Satz zu Ende zu führen, da der Schulgong ihn mittendrin unterbrach. Hinter ihm hörte er Jeonghan verzweifelt aufstöhnen. In fünf Minuten würde der Matheunterricht anfangen. 

Ein Grinsen unterdrückend griff er nach Hansols Hand und verschränkte für die kurze Zeit, die ihnen noch blieb, ihre Finger miteinander. „Was hast du jetzt?"
„Kunst. Du?"
„Unfair, ich hab' Mathe. Können wir tauschen?"
„Hm. Du würdest anders denken, wenn du so gut wie keine einzige Gene von deinen Eltern in diesem Gebiet geerbt hast, obwohl beide Künstler sind." Hansol verzog das Gesicht zu einer Grimasse, wurde aber schnell wieder ernst, da ihnen langsam die Zeit davonrannte. 

„Hast du nach der Schule Zeit?" fragte er mit einem schnellen Seitenblick auf die Uhr an seinem Handgelenk. Daraufhin nickte Seungkwan eifrig und schlug vor: „Treffen wir uns wieder hier? Dann können wir schauen, was wir gemeinsam unternehmen wollen. Ich würde dich echt gerne kennenlernen."
„Ich auch, Seungkwan. Dann bis später." 

Sie mussten in unterschiedliche Richtungen, da die Kunsträume in einem Nebengebäude untergebracht waren. Seungkwan wollte die Hand am liebsten gar nicht mehr loslassen, aber als Chan panisch nach ihm rief, weil sie nur noch zwei Minuten hatten, ließ er Hansol widerwillig gehen. Allerdings nicht, bevor er seinem gefundenen Partner noch einen flüchtigen Kuss auf die Wange drückte. 

„Bis später." flüsterte er ihm lächelnd entgegen und stolperte anschließend mit seinen Freunden den Flur zu seinem Klassenzimmer entlang.

Trotz der öden Fächer, die nur darauf warteten, ihn in den Schlaf zu wiegen, hatte Seungkwan das Gefühl, dass heute der beste Tag seines Lebens werden würde.
Und das alles nur, weil er den Träger der Namen auf seiner Hand gefunden hatte.

Names - Seungkwan x Vernon Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt